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STUTTGART/Schauspielhaus: DAS KALTE HERZ nach Wilhelm Hauff. Oft Klamauk, aber auch starke Bilder. Premiere

23.02.2014 | KRITIKEN, Theater

OFT KLAMAUK, ABER AUCH STARKE BILDER

Premiere von „Das kalte Herz“ nach Wilhelm Hauff am 22. Februar 2014 im Schauspielhaus/STUTTGART

Die Massenszenen mit der Volkstanzgruppe Frommern und dem Schwäbischen Albverein (die das Dorf symbolisieren) fallen bei Armin Petras‘ Inszenierung des Märchens „Das kalte Herz“ nach Wilhelm Hauff besonders auf. Und auch der Holländermichel gerät dabei außer Rand und Band, weil er Macht über Peter Munk besitzt. Aus einem großen Pilz zaubert er einen Riesenpenis und macht ständig zotige Bemerkungen. Die Aufführung gerät so stellenweise zu einem lärmenden Spektakel. Hier wird das Publikum ultimativ aufgefordert, auf der Bühne aktiv mitzumachen. Olaf Altmanns Bühnenbild gefällt vor allem hinsichtlich der großen Waldsequenzen, bei denen auch unheimliche Geistererscheinungen rasch ins Auge fallen: „Wenn Peter Munk an seinem Meiler saß, stimmten die dunklen Bäume umher und die tiefe Waldesstille sein Herz zu Tränen und unbewusster Sehnsucht„. An einer anderen Stelle heißt es vielsagend: „Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen“ – dieser Satz zu Beginn der Geschichte erhält so starkes Gewicht. Die Bühne öffnet sich zudem ins Riesenhafte und Ungeheure. Johann Jürgens durchlebt als Peter Munk, genannt Kohlenmunkpeter, ein wahres Wechselbad der Gefühle. Seine Arbeit als Köhler erscheint ihm zu schmutzig, schlecht bezahlt und wenig respektiert. Da es Flözern und Uhrenmachern finanziell viel besser geht, wechselt er den Berufsstand. Er träumt von einem Leben, wie es der reiche Ezechiel und der Tanzbodenkönig führen. Armin Petras hat die Figur des dämonischen Holländermichel mit Wolfgang Michalek durchaus eindrucksvoll besetzt, obwohl manche Szene ins allzu Klamaukhafte abdriftet: „Schatzhauser im grünen Tannenwald, bist schon viele hundert Jahre alt…“ Peter versucht zunächst verzweifelt sein Glück bei dem Glasmännlein, das von Berit Jentzsch undurchsichtig gemimt wird. Seine Mutter wird von Rahel Ohm mit großer Wandlungsfähigkeit verkörpert, man nimmt ihr die große Sorge um den Sohn sofort ab. Da gelingen Petras einfühlsam inszenierte zwischenmenschliche Passagen, wenngleich vieles doch nur an der Oberfläche bleibt und man sich mehr Tiefgang gewünscht hätte.

Am überzeugendsten sind die unheimlichen Momente in dieser Inszenierung, die glücklicherweise nicht zu kurz kommen. Einmal schneit es, dann wieder regnet es unendlich viele Geldscheine vom Himmel. Die von Caroline Junghanns mit starker spielerischer Leidenschaft gemimte Lisbeth leidet glaubhaft unter Peters unbeherrschten Wutausbrüchen. Sie übernimmt an anderer Stelle aber auch eine ruhige Rolle in der Funktion der Erzählerin. Diese Kontraste passen durchaus ins Bild. Auch vor dem Holländermichel hat er panische Angst, die hier grell zum Vorschein kommt: „Ich will doch nur leben!“ Er bittet den Holländermichel, ihm „die Unruh aus dem Gehäuse zu nehmen„. Gemeint ist natürlich nicht nur die Schwarzwalduhr, die in der Mitte der Bühne aufgestellt wird, sondern auch sein Herz. Lisbeth und Peter nehmen als Liebespaar für kurze Zeit in der Uhr Platz. Schließlich beschuldigt der Kohlenmunkpeter das gesamte Dorf: „Ihr alle habt den Handel mit mir gemacht!“ Peter ist jetzt reich geworden und hat kein Mitleid mehr mit armen Leuten, weil er dem Holländermichel sein Herz gegeben hat und sich dafür einen Stein einsetzen lässt. Seine Gefühllosigkeit lässt auch die gesamte Umgebung erstarren. Zuletzt versinken alle mit ihm in der Versenkung. Selbst mit dem Glasmännlein hat er sich überworfen, er verbrennt sich daran. Das fängt diese Inszenierung gut ein. Im Hintergrund schallt dann die dröhnende Stimme des dämonischen Holländermichel: „Mit dir ist es aus, Peter Munk!“ Er schlägt seine Lisbeth, die er inzwischen geheiratet hat und versinkt in Trübsal. Zuletzt sieht man vor der riesigen Goldwand ein Holzkreuz mit Christus – Symbol einer neuen Zeitepoche. Peter hat sich völlig verändert, er verzichtet auf all sein Geld und genießt das Leben mit seiner Frau wieder in einer schlichten Köhlerhütte. Seine erstorbenen Gefühle erwachen erneut.

In weiteren Rollen gefallen Christian Schneeweiß als Tanzbodenkönig und Onkel sowie Manja Kuhl als Frau und Miles Perkin als Black Forest. Auch die Waldmenschen kommen plastisch zum Einsatz – es sind hier Schauspielstudierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Die zumeist bunten Trachtenkostüme stammen von Katja Strohschneider, die suggestive Musik von Miles Perkin. Diese Musik überzeugt vor allem in den Szenen mit dem Glasmännlein. Ausgezeichnet sind die Lichteffekte von Kevin Sock. Die geraten bei den Szenen mit dem Holländermichel nämlich zu einem atemberaubenden Blitzlichtgewitter. Das ist gespenstisch und verzaubert das Geschehen auf der Bühne.

Für die Inszenierung gab es viel Beifall und Jubel, nur vereinzelten Widerspruch. Armin Petras hat das berühmte Märchen jedenfalls neu gedeutet – und den wilden Charakter der Menschen aus dem Schwarzwald genau getroffen. Was vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch fehlt, ist psychologischer Feinsinn. Gut getroffen ist der Schluss, wo Tonausschnitte aus einem Spielfilm zu hören sind. Da erfährt man dann, wie Peter dem Holländermichel sein Kreuz hinhält und dieser plötzlich zusammenschrumpft. Das Verschwiegen-Heimliche gerät so schließlich völlig außer Kontrolle.

 Alexander Walther

 

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