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STUTTGART / Stuttgarter Ballett: ROMEO UND JULIA

Stuttgarter Ballett:
ROMEO UND JULIA
30.Juli 2025

im Gedenken an Ray Barra

Nach zwei Gastauftritten mit Crankos weltweit renommiertem Ballett beim Internationalen Tanzfestival in Nervi bei Genua beendete die Compagnie mit zwei Aufführungen des berühmten Shakespeare-Dramas auch die Spielzeit in Stuttgart – im Gedenken an den im März im Alter von 95 Jahren verstorbenen Ray Barra, den ersten Romeo der 1962 uraufgeführten Choreographie. In Filmzusammenschnitten seiner wichtigsten Rollen wurde während des Orchestervorspiels an den amerikanischen Tänzer erinnert, der seine Karriere aufgrund einer Verletzung viel zu früh beenden musste.

Nachdem sich am Abend davor die Erste Solistin Agnes Su als Julia in Folge ihres Wechsels zum National Ballet of Canada verabschiedete, stand in dieser letzten Vorstellung der Saison Mackenzie Brown zum letzten Mal als Erste Solistin auf der Bühne. Zum Glück wird die Amerikanerin mit einem Gastvertrag Stuttgart weiterhin verbunden sein, hat sie doch als heraus ragendes Talent in allen technischen Disziplinen wie auch als bereits recht gestandene Interpretin in Anbetracht ihrer nicht einmal 25 Jahre in fast allen großen Partien und gegensätzlichen Stilen des Repertoires immer wieder Glanzpunkte gesetzt. Speziell die Entwicklung Julias vom im Liebesglück fiebernden Mädchen zur an der tragischen Liebe reifenden Frau machte sie schon bei ihrem Debut im November 2023 erlebbar und tat dies jetzt in noch gesetzterer Form. Eine Tänzerin voller Kraft und doch Leichtigkeit in allem was sie aus Spitzen-Positionen heraus erbringt. Damit hat sie auch ihren Partner Henrik Erikson zum seit dem gleichzeitig mit ihr erfolgten Debut deutlich lockeren und freieren Einsatz und einer auf einer Ebene mit ihr liegenden Leistung stimuliert. Seine korrekten und zentrierten Schraubsprünge und Rondes des jambes sind gepaart mit einer tief einfühlsamen und von viel herzlichem Mienenspiel geprägten Gestaltung Romeos. Gegen soviel entwaffnendes Charisma hatte der für die Familienehre der Capulets kämpfende Tybalt keine Chance, obwohl Martino Semenzato  ihn präsent und profiliert verkörperte.

Für Spannung sorgte noch das Debut von Riccardo Ferlito als Mercutio. Alle sicher vorhandene Nervosität schränkten ihn nicht ein, mit so viel Aplomb und gleichmäßig in leichtem Schwung absolvierte er seine vielen und verschieden aufgebauten Drehungen und Wendungen. Auch als Schauspieler zeigte er schon viel Selbstbewußtsein und wird hoffentlich die Gelegenheit bekommen, die bereits gut dosiert ausgespielte Todesszene in späteren Vorstellungen verfeinert auszubauen. Die Beförderung zum Halbsolisten ist eine wohl verdiente Anerkennung.

Dank Edoardo Sartori, der als engagiert, gewitzt und technisch exakter Benvolio das Freundestrio komplettierte, gelang ein Pas de trois, wie er in dieser Ausgewogenheit und Synchronität eher selten zu erleben ist.

Als Graf Paris mit Eleganz, deutlichem Bekenntnis seiner Liebe zu Julia und auch musikalisch erfühltem Partnern im Madrigal  beendete Solist Clemens Fröhlich seine Tänzerkarriere, um künftig als Choreologe am Haus und international nicht nur Crankos Werke originalitätsgemäß weiter zu tragen. Daiana Ruiz, Veronika Verterich und Vittoria Girelli stellten ein einheitliches und in rollenentsprechender Ausstrahlung überzeugendes Zigeunerinnen-Trio. Viel Erfahrung brachten Sonia Santiago (Lady Capulet), Rolando D’Alesio (Graf Capulet), Angelika Bulfinsky (Amme) und Marc Ribaud (Herzog + Pater Lorenzo) ein. Viel Vergnügen bereitete Noan Alves als quirliger Faschingsprinz mit seinen Kumpanen, das Corps de ballet war wie immer bei Cranko in allen Funktionen voll auf dem Posten.

MD Mikhail Agrest dirigierte seine letzte Vorstellung und ließ Prokofieffs immer wieder bewundernswert bis ins kleinste Detail stimmige und ausdrucksdichte Musik vom Staatsorchester Stuttgart in best möglicher Repertoire-Qualität zu ihrem Recht kommen.

Nur schade, dass Intendant Tamas Detrich außer Blumen keinerlei Worte fand, die Weggehenden zu bedanken und damit den nicht eingeweihten Teil der Zuschauer zu informieren.

Große Feierstimmung zum Saisonende.

Udo Klebes 

 

 

 

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