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STUTTGART/ Staatsoper: SALOME – szenische Kälte musikalisch teilweise erwärmt

17.07.2019 | Allgemein, Oper


Spannende Kontroverse:  Simone Schneider (Salome) und Matthias Klink (Herodes). Foto: A.T.Schaefer

Stuttgart: „SALOME“ 15.7.2019 – szenische Kälte musikalisch teilweise erwärmt

Der Bühnenraum von Pierre Jorge Gonzalez zeigt, wie es in der Machtzentrale des Despoten Herodes zugeht: ein Ort der gnadenlosen Überwachung mit Kameras und Bildschirmen, mittels derer auch mitverfolgt werden kann, wie Jochanaans körperliches Double (der Schauspieler Luis Hergón) in seinem unterirdischen Gefängnis vom Wachpersonal gequält und umher gestoßen wird. In dieser von Gewalt dominierten Umgebung, zusätzlich unterstützt durch die von Streit geprägte Beziehung ihrer Eltern, kann Salome keine Liebe empfangen, ja nicht einmal erfahren, was sie bedeutet. Somit ist sie für die verzogene Prinzessin nachvollziehbar ein größeres Geheimnis als der Tod.

Dieses zentrale Text-Zitat hat Regisseur Kirill Serebrennikov in seiner 2015 entstandenen Inszenierung zum Ausgangspunkt für Salomes Verhalten gemacht. Die Begründung, warum das unbedingt in der hoch technisierten  Gegenwart mit unsinnig überflutenden und phasenweise ablenkenden Nachrichtenbildern aus aller Welt angesiedelt werden muss, bleibt er indes schuldig, zumal die so genial eingefangene schwüle Atmosphäre der Musik von Richard Strauss keine optische Entsprechung findet. Dieser Zwiespalt bleibt über die handwerklich klar konzipierte Personenregie hinweg bestehen.

Leider hat sich Premieren-Dirigent Roland Kluttig der szenischen Kälte ein Stück weit angepasst und mit dem brillant folgenden Staatsorchester Stuttgart  mehr auf Härte und Kanten als auf sinnlichen Fluss gesetzt. Im szenisch  ungelösten Tanz der Sieben Schleier lässt er dann doch all jene verführerischen instrumentalen Raffinessen entfalten, die dieses Stück auch zu einem lohnenden Konzert-Beitrag ohne Programm macht.

Simone Schneider spaltete in der Titelrolle auch jetzt wieder den Eindruck. Auf der einen Seite eine reife vokale Auffächerung mit allen dynamischen Reichweiten von der fast tonlosen Tiefe bis zum strahlenden Triumph über das Orchester, auf der anderen Seite eine dem Alter einer verzogenen Kindfrau entwachsene Erscheinung, was durch den ihr verpassten schwarzen Gammel-Look noch unterstrichen wird. Nichtsdestotrotz bietet die Sopranistin mit dem klar leuchtenden Timbre doch so viel Persönlichkeit,  um Salome zum faszinierenden Mittelpunkt zu machen. Auch dort wo sie auf des Stiefvaters wortreiche Kaskaden meist stumm oder mit nur knappen Kommentaren entgegnet. Diesen zeichnet Matthias Klink erneut als starke Figur zwischen Bedauern und Abscheu gegenüber seiner lüsternen Penetranz. Die Wandlungsfähigkeit seines biegsamen, alle Fächer umspannenden Tenors in Verbindung mit der psychologisch tiefen Rollen-Durchdringung erstaunt immer wieder.

Neu ist der auf die rein stimmliche Präsenz beschränkte Jochanaan von Josef Wagner. Der Österreicher gibt den Äußerungen des Propheten sowohl Kraft in der Fülle seines kernig-angerauhten Baß-Baritons als auch Intensität im Verkünden seiner Parolen.

Maria Riccarda Wesseling ist eine Herodias in den besten Jahren, die sich hier mit zwei Bodybuildern im gläsernen Schlafzimmer im Obergeschoß verlustiert. Mit überaus guter Figur und noch in voller Blüte stehendem Mezzosopran rückt sie die Rolle in ein ungewohntes Licht.

Elmar Gilbertsson  lässt als Narraboth mit leuchtend tenoralem Schmelz und klarer Höhe aufhorchen, Ida Ränzlövs heller Mezzo fehlt für den hier zur Sicherheits-Servicekraft mutierten Pagen etwas dunkle Fülle. Lauter markante Charakter-Tenöre (Torsten Hofmann, Heinz Göhrig, Kai und Daniel Kluge) und der schönstimmige Bariton Andrew Bogard  geben dem Juden-Quintett vielfältige Expressivität. Ausgezeichnet in Diktion und im vokalen Fundament David Steffens und Moritz Kallenberg als Nazzarener, etwas dahinter Pawel Konik und Michael Nagl als Soldaten. Jasper Leever fügt sich als Cappadocier gut ins Geschehen.

Viel junges Publikum, das sich vom Rausch des Werkes begeistern ließ.

 Udo Klebes

 

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