Stuttgart: OTELLO Prem. 18.5.2025
Esther Dierkes (Desdemona), Marco Berti (Otello). Foto: Martin Sigmund
Verdis vorletzte Oper OTELLO war die letzte Premiere einer Repertoireoper in dieser Spielzeit. Danach folgen noch „Der rote Wal – ein deutsches Herbstmärchen“ als Uraufführung, und mit „Zaide“ ein Singspielfragment Mozarts.
Das besondere an der neuen OTELLO-Produktion ist, dass die Inszenierung von zwei Regisseurinnen verantwortet wird, wobei die Hauptregisseurin Silvia Costa die Oper von Verdi auf das Libretto des Dichterkomponisten Arrigo Boito übernimmt, sich aber einen Co-Regisseur gewünscht hat, der in Gestalt des ghanaisch-britischen Filmkünstlers John Akomfrah die Otello-Handlung mit mehreren Leinwandvideos und elektronischen Soundelementen interpoliert. Dass sich gerade diese Oper mit ihrer im sog. ‚Credo‘ zugespitzten Jago-Intrige dafür eignet, scheint nicht unbedingt ein Wunder zu sein. Wagneropern würden wohl schon wegen ihrer Länge kaum ‚interpoliert‘ werden, dazu lässt der Bayreuther Meister selbst seine Protagonisten oft lange reflektieren. Verdi kommt es dagegen weniger auf die Reflexion, sondern auf dramatische Zuspitzung an, und das besonders bei „Otello“, der von der Länge her kaum ein Dreistünder geworden ist. Man rätselt anfangs dabei auch, warum und wie schnell sich Otello von seinem Fähnrich überzeugen lässt, dass Cassio dabei ist, ihm seine Frau auszuspannen. Diese quasi Übertölpelung wird von den Bildern Akomfrahs durch ruhige weite Landschaften von dessen Heimat und schwarzen Menschen darin kontrapunktiert, und die elektronische Musik entfaltet einen sehr beruhigend angenehmen Duktus dazu. Sie beansprucht keinesfalls, dem ‚Otello‘ eine Handlung oder gar ‚Gegenhandlung‘ aufzugstülpen, insofern kann auch keinesfalls von einem Werkeingriff die Rede sein. Das wird auch von einem überwiegenden Teil des Publikums so gesehen und goutiert.

Daniel Miroslav, Marco Berti. Foto: Martin Sigmund
Die Regisseurin setzt dagegen die subjektiv empfundene Otello-Story gegen diese horizontal dreigeteilten Videosequenzen, die sich am Ende ihrer jeweils circa fünfminütigen Dauer mit textlichen Bonmots sowie musikalisch ausdrucksmäßig zuspitzen.
Dass es in OTELLO ein eminentes schwarz-weiß Problem gibt, lässt sich nicht dadurch wegwischen, dass ein Otello heute nicht mehr schwarz geschminkt wird. Jago sagt gleich auf der Siegesfeier, auf der auch die Hochzeit von Otello und Desdemona zelebriert wird, diese ‚Liebe‘ des schwarzen Feldherrn und der schönen Venezianerin werde nicht lange halten, die Weiße würde sich bald ekeln, die wulstigen Lippen Otellos zu küssen (deutsche Übertitelung aus dem Libretto). Silvia Costa (Regie & Bühne) nimmt dieses Problem sehr ernst. Desdemona und Otello haben schwarze Doubles,die aber im 2. und 3.Akt wie Halbschatten agieren, zunächst hinter Türöffnungen in einem hinteren Raum, später im selben vorderen, dann sind der schwarze Mann und die schwarze Frau einander zugewandt und berühren sich, der Mann links mit Otello weißgewandet mit schwarzen schrägen Streifen darauf durch einen weißen Ring verbunden, und die auch weissgewandete Desdemona mit grobmaschigem Haarnetz, das sich an ihren Schultern und ihrer Brust fortsetzt. Sie ist mit einem schwarzen Ring mit ihrem weiblichen schwarzen Pendant verbunden (Kostüme: Gesine Voellm). In einem späteren Bild erscheinen Desdemona und Otello bei rosa Lichteinstellung rechts und links in großem Abstand gegenüber, verbunden mit einem Seil, und die beiden schwarzen Geliebten halten die jeweiligen Hochzeitsringe über ihre Schützlinge. Das Tuch, das Desdemona überführen soll, erinnert mit Abdrücken bzw Schatten darauf etwa an Jesu Leintuch bei der Grablegung. Die Trauerweide wird durch ein grünes zeltartiges Gemach symbolisiert, in das sich Desdemona nach ihrem Gebet zurückzieht. S.Costa konnte sich bei aller subtilen Symbolik nicht verkneifen, den Jago, schwarzgewandet und mit Schiffchen kopfbedeckt, gegen Ende durch Gehstöcke sehr vergrößert auftreten zu lassen. Da wirkt er wie ein Mephisto, übermenschlich.
Der Chor unter Manuel Pujol präsentiert sich besonders im 1.Akt in Hochform und als Ensemble in weiss-beigen Einheitsgewändern. Das Staatsorchester spielt mit ganz stringenter Vehemenz und seht apart im Klang. Dirigent Stefano Montanari, der in Otello eine neue Stufe Verdischer Kompositionstechnik erkennt, schafft es, große Bögen zu formen und orchestrale Wucht in objektive erscheinende Klangbahnen wie Astralkörper zu lenken.
Mario Berti wirkt wie ein sehr erfahrener Otello und singt einen ausdrucksreichen dramatischen Heldentenor mit angenehmem eher hellem Timbre. Esther Dierkes gibt im Rollendebüt eine sehr gute Venezianerin, die am Anfang Mitleid mit den Leiden Otellos empfindet und ihre unverbrüchliche Liebe zu dem Schwarzen durch höchsten Belcanto zieren kann.
Einen natürlich singenden und proncierenden Cassio stellt Sam Harris. Den Jago gibt Daniel Miroslav mit großem Applomb, während seines Credos an einer Art Wasserwaage hantierend. Itzeli del Rosario ist schönstimmig die Emilia, Lodovico und Montano übernehmen Goran Juric und Aleksander Myrling.In weiteren Rollen überzeugen Kyung Won Yu (Herold), und als Rodrigo Alberto Robert.
Friedeon Rosen
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