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STUTTGART: ORPHÉE ET EURIDICE – Oper und Ballett in Eintracht

23.07.2014 | KRITIKEN, Oper

Stuttgart „ORPHÉE ET EURIDICE“ 21.7. 2014– Oper und Ballett in Eintracht

 Als Glucks berühmte Reformoper vor fünf Jahren an der Stuttgarter Oper Premiere hatte, begegnete uns das Stück wie neu. Zum einen, weil die seltener gespielte, 12 Jahre später erfolgte komplett überarbeitete Pariser Fassung gewählt wurde, vor allem aber weil Choreograph Christian Spuck  diese den Regeln der französischen Oper entsprechend mit Ballett angereicherte Version durch die Kooperation von Staatsoper und Stuttgarter Ballett als Opéra-Ballet mit fließenden Übergängen zwischen Gesang und Tanz konzipiert hat. Die dramaturgische Verschweißung von Vokalität und Bewegung hat auch bei der nunmehr zweiten Wiederaufnahme-Serie nichts von ihrem (Bühnen-) Zauber verloren, der sich im verwandelbaren Einheitsraum eines durch zerborstene Dachfenster herunter gekommen wirkenden Festsaales mit Bühne ( Christian Schmidt ), durch den Einsatz der Drehbühne, wechselnde Lichtstimmungen sowie zwischen schwarz und weiß kontrastierenden Kostümen ( Emma Ryott ) entfaltet.

Das Ineinander von sängerischer und tänzerischer Funktion bzw. der Verlängerung der Gedanken, Gefühle und Zustände der Solisten durch die Ballett-Komponente hielt die Spannung auch mit einer komplett neuen Besetzung aufrecht.

Für den noch zum Opernstudio gehörenden Briten Stuart Jackson bedeutete es eine große Chance, die in dieser Fassung als Tenor mit erweiterter Koloratur-Funktion angelegte männliche Hauptrolle in diesem frühen Stadium seiner Laufbahn übernehmen zu können. Auch mit phasenweise etwas schmalem Volumen (im Gegensatz zu seiner figürlichen Korpulenz) ist er dieser anspruchsvollen Aufgabe mit klar ansprechenden Lyrismen, feinem Tonansatz auch in den Rezitativen  und gut bewältigten Höhen-Verzierungen durchaus gewachsen. Ein Mehr an Farben und spielerischer Beweglichkeit würde die Verinnerlichung von Orpheus Leiden und Freuden noch intensivieren und stärker beglaubwürdigen.

Irma Mihelic und Meike Hartmann, beide mit klangvollen, schön phrasierenden Sopranen, teilen sich die Euridice nebst weiterer stummer Doppelungen als Metapher einer im Elysium aufgehobenen Individualität.

Der im Gewand einer Revue-Diva mit blonder Perücke erscheinende Amor wird von Maria Koryagova warmem, weichem und lebhaft perlendem Sopran hinreichend getragen. Die tänzerisch verlängerte solistische Umsetzung, ergänzt zur Suite de l’amour durch vier Begleiter, obliegt jetzt Jesse Fraser, der bis zum zweiten Teil etwas Zeit benötigt, bis sein gewohntes Charisma auch mit einer rosa Schleife verbundenen Augen durch seinen schönen Körper mit ausgeglichener Haltung und die verspielte Choreographie mit leicht neckischen Abzirkelungen zu greifen beginnt. Der große dunkelblonde Kanadier bedeutet mit seiner ansteckenden Fröhlichkeit allemal einen Gewinn für die Bühne.

Das weitere Ballett-Ensemble ist in vier Paare und eine Gruppe gegliedert, wobei erstere im aufs vokale Happyend folgenden, mehrteiligen Divertissement mit klar linierten Formationen ästhetisch ins Licht gesetzt sind. Miriam Kacerova und David Moore, Alessandra Tognoloni und Roman Novitzky, Rachele Buriassi und Robert Robinson sowie Angelina Zuccarini und Roland Havlica zeigen dabei auch ohne sonderlich auffallende Herausforderungen mehr oder weniger das, was  hinreichend solistische Qualitäten ausmacht. Trotz des musikalischen Sieges der Wiedervereinigung und Liebe über die Qualen der Hölle konnte es sich Spuck nicht verkneifen, ganz am Schluss der Dauerhaftigkeit des Glücks zu misstrauen, indem er die schon einmal verloren geglaubte Geliebte noch einmal zu Boden sinken und die Umstehenden wieder in Trauer verharren lässt.

Der Staatsopernchor nutzte seine choreographisch ausgebauten Aufgaben wieder zu einem seiner schon vielfach gelobten Musiktheater-Ereignisse. Nicholas Kok ließ die zwischen Seligkeit und Klage in vielen Farben leuchtende Partitur Glucks mit dem gegen Ende etwas unkonzentriert wirkenden Staatsorchester Stuttgart lebhaft funkeln.                       

Udo Klebes

 

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