STUTTGART: ONEGIN / Ballett – Abschied eines Stuttgarter Ballettaristokraten
„ONEGIN“ 09.06. 2015 – Abschied eines Stuttgarter Ballettaristokraten
Zu spät erkannte Liebe: Onegin (Friedemann Vogel) und Tatjana (Alicia Amatriain) Foto: Stuttgarter Ballett
Sein Rollendebüt als Onegin liegt kein halbes Jahr zurück, doch Friedemann Vogel tanzt die Rolle als hätte er sie schon immer getanzt und als ob sie ihm schon längst vertraut wäre. Für seine herausragende Technik stellt selbst diese Partie keine große Herausforderung dar, dennoch wirkt er nie routiniert und schafft es, wie bei all‘ seinen Auftritten, seiner Rolle immer wieder neuen Glanz zu verleihen.
So manche namhafte Vorgänger haben Zeit gebraucht, wirklich in diese Rolle zu finden, sie mit dem Ausdruck zu tanzen, der ihr gerecht wird und ihnen selbst am besten entspricht, Vogel hingegen hatte vermutlich das klare Verständnis und das eigene Bild von dieser Rolle bereits lange bevor er sie tanzte, hatte er sich doch davor jahrelang als Onegins Dichterfreund Lenski mit diesem Ballett und dessen Charaktere auseinandergesetzt. Das äußert sich auch darin, dass sich seine Interpretation bereits im ersten Pas de deux mit Tatjana, das ja mehr ein Solo ist, klar abzeichnet: weltmüde und nur auf sich selbst bezogen, jedoch nicht so arrogant, wie man es von vielen seiner Vorgänger kennt und was vielleicht dazu verleitete, dass man dies bereits der Rolle als ureigen ansieht. Unerfüllte Sehnsucht sowie auch Neugierde sind in manchen seiner Blicke zu erkennen und seine Erscheinung als großer schlanker Mann in schwarzem Frack unterstreicht die sehr noble Haltung des wohlerzogenen Herren sowie seine ihm eigene Technik, jede Bewegung bis ans Äußerste auszuschöpfen. Einnehmend und leidenschaftlich lässt er seine Partnerin durch alle Hebefiguren des Spiegel-Pas-de-deux mühelos schweben, um im zweiten Akt vor allem in der Szene am Kartentisch den gelangweilt-wütenden Landherren Raum zu geben. Vor der Duell-Szene zeugen sein Blick ins Publikum sowie der zögernde Griff zur Pistole von dem, was ihn hier bewegt. Doch wieder auf sich selbst bezogen und wütend durch die Ohrfeigen seines vor Eifersucht blinden Freundes, zögert er beim Duell nicht, wenn auch danach Tatjanas Blick ihn in innerer Zerrissenheit zu Boden sinken lässt. Als reifer, in sich gekehrter Mann, heimgesucht von Erinnerungen, tritt er zu Beginn des dritten Aktes auf, bis er Tatjana wieder erblickt. Im letzten Pas de deux zeigt er zum ersten Mal die ganze Bandbreite seiner Gefühle im verzweifelten Ringen um Tatjana, wahrt jedoch konsequent auch hier die Haltung des edlen Mannes.
Schade, dass Alicia Amatriain als Tatjana trotz hervorragender Technik und sicherem Partnering in der Interpretation ihrer Rolle nicht an die Leistung ihres Partners herankommen kann. Zu überreif wirkt sie hier mit einem selbst im 3. Akt im Vergleich noch jugendlich aussehenden Vogel und in ihrer Mimik finden Tatjanas Gefühle kaum Ausdruck. Obwohl oder vielleicht gerade weil Vogel und Amatriain bereits ein routiniertes Paar sind, das in Stuttgart fast alle Hauptrollen gemeinsam tanzt, fragt man sich hier, wieso man beim Hauptpaar nicht auch einmal die Partner wechseln lässt, wie es an dem Abend beim zweiten Paar, Lenski und Olga, der Fall war. Für die Tänzer ist so etwas ja immer eine wertvolle Erfahrung. Nachwuchs, der auch schon Rollendebüt hatte, wäre ausreichend da und für diesen wäre es wichtig, in der Rolle weiter wachsen zu können.
Constantine Allen stellt als Lenski einen eher aristokratischen als verträumten Dichter dar und scheint die Tiefe der Rolle noch nicht ganz ergründet zu haben. Brav und mit gepflegter Technik eilt er noch zu sehr in manchen Arabesquen, die normal betont werden sollen, was jedoch für diese enorm schwierige Rolle und kurz nach seinem Rollendebüt verständlich ist. An seiner Seite bezaubert Elisa Badenes als federleicht in den Pas de dex schwebende sowie spritzig freche Olga.
ls Fürst Gremin verabschiedet sich mit Nikolay Godunov einer der Ballettaristokraten vom Stuttgarter Ballett. Diese Rolle kann man für ihn durchaus als repräsentativ sehen. Durch seinen zurückhaltenden Ausdruck stand er immer ein bisschen im Schatten und konnte in Stuttgart seine Fähigkeiten nicht richtig unter Beweis stellen, verlieh jedoch seinen Rollen immer viel Charakterstärke und Noblesse, so auch an diesem Abend.
Das Staatsorchester Stuttgart begleitete unter der Leitung von James Tuggle stets passend durch die Tschaikowsy Musik. Viel Applaus gab es für die Solisten sowie für die gesamte Compagnie.
Dana Marta