Stuttgart: „NABUCCO“ 11.12.2013 – Vokaler Triumph
Glorios als Abigaille – Mary Elizabeth Williams. Copyright: Susan Beard
Rudolf Freys im erstem Teil überwiegend hilfloses Stehtheater in nichtssagendem Allerwelts-Trash-Ambiente bietende, später an Farbe und Profil gewinnende Inszenierung hat immerhin den Vorteil, dass sie wechselnden Besetzungen im laufenden Repertoire einen relativ leichten Einstieg ermöglicht.
Besonders für ein Bühnentier wie die amerikanische Sopranistin Mary Elizabeth Williams, die nun als Abigaille ihr Hausdebut gab, ist es ein Leichtes, als unrechtmäßige Königstochter der dominierende Mittelpunkt zu werden. Dabei zielt sie keineswegs auf vordergründigen Effekt, setzt im Gegenteil ihre üppigen vokalen Mittel mit flexibler Dynamik und kontrastreichen Farben ein. Da ist zunächst die ehrgeizige, von Eifersucht und Machtanspruch getriebene Thronanwärterin, die sich (wie hier variète-like vor einer aufglitzernden Zwischenwand) von den unterstützenden Baalspriestern mit schwarzen Gesichtsmasken und aufgestecktem Buschwerk feiern lässt; dazwischen und später die liebende, von Zweifeln befallene Frau. Ein dunkles tiefes Register, wie es negroiden Stimmen zu eigen ist, wird dabei mit tragfähiger Mittellage und einem sauber attackierten Spitzenbereich im goutierbaren Rahmen von Schärfen, in dem ihr auch ein inniges Piano zur Verfügung steht, ohne Brüche verbunden, so dass die teils oktaven-umfangreichen Ton-Skalen zu einer ob ihrer Mühelosigkeit und dem Wechsel zwischen tigerhafter Aggression und lichter Sanftmütigkeit aufwühlend mitreißenden Demonstration technischer Bravour werden. Unterstützt durch ihre Aktivität in jeder Situation beherrscht sie durchgängig das Geschehen und vervollkommnet damit diesen glanzvollen Hauseinstand zur Ideal-Verkörperung.
Trotz seiner Größe und Würde vermittelnden Haarpracht vermochte sich der neue Zaccaria, Riccardo Zanellato nicht ganz so gut über das szenische Einerlei hinwegzusetzen, dazu fehlte ihm vielleicht auch die letzte autoritäre Durchschlagskraft und seriöse Tiefe seines Basses, mit dem er die Partie im übrigen auf belcantistisch untadelige und füllig sonore Art ausfüllt.
Gergely Nemetis lyrische Tenorbasis hat inzwischen so viel an Festigkeit und Volumen gewonnen, um auch dank seines hellen Timbres in der knapp bemessenen Rolle des Ismaele die erforderliche Tragfähigkeit zu erreichen. Zudem verkörperte er äußerst glaubwürdig den hier sehr linkisch gezeichneten Königsneffen. Ashley David Prewett machte als showmaster-gleich angelegter Oberpriester eine ganz gute Figur und fiel nebenbei mit gut verankertem Bariton-Material auf. Wie er kommt auch Stuart Jackson aus dem Opernstudio, der als königstreuer Abdallo im Einsatz seines Tenors noch sehr zaghaft wirkte.
Unter der wieder sehr gut zwischen Banda-Schmiss und ausgleichendem Belcanto-Strömen balancierenden Leitung von Giuliano Carella war Sebastian Catana erneut ein im dritten und vierten Akt zur Hochform auflaufender Nabucco, Diana Haller eine gefühlvolle Fenena mit innerhalb kurzer Zeit größer gewordenem Mezzo und Maria Koryagova Zaccarias sympathische Schwester Anna.
Neben der neuen Abigaille gelangte der mit langem Pianissimo-Schweben ausklingende Gefangenenchor des wieder überwältigend kultiviert und geschlossen engagierten Hauskollektivs zum Höhepunkt der Aufführung.
Udo Klebes