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STUTTGART: NABUCCO – Feuer vom Dirigentenpult

22.01.2015 | Allgemein, Oper

Stuttgart: „NABUCCO“ 21.1.2015 – Feuer vom Dirigentenpult

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Daniele Rustioni – ein Dirigent, dessen Namen man sich merken sollte. Foto: Cophano

 Bereits nach dem ersten Akt in der Pause herrschte ein auffallend neugieriges Streben nach den Besetzungsaushang-Kästen, um den Namen des Dirigenten zu erfahren, der schon in den ersten 40 Minuten von Verdis berühmtestem Frühwerk mit einer wirkungsvollen Mischung aus Stimmungserzeugung und liebevollem Musizieren aufhorchen ließ: Daniele Rustioni. Sein aus Temperament und Seele gleichermaßen gespeister Zugriff auf Verdis Kantilenenfreude und an Rubati reicher Cabaletten-Schlagkraft setzt das Stück auch im weiteren Verlauf unter Strom und lässt aus der manchmal banal anmutenden al fresco-Manier eines fixen Nummernschemas ein immer wieder spannendes Drama werden. Den Musikern des Staatsorchesters Stuttgart scheint unter seiner fordernden ebenso wie lustvoll anstachelnden Führung keine Schattierung, keine Akzentuierung und kein rhythmischer Impuls zu entgehen – so gebündelt konzentriert und doch locker natürlich spielen sie Verdi, als wäre seine Musik gerade frisch entstanden. Jeder Moment kommt durch ein wie intuitiv richtiges Zeitgefüge zu seinem Recht, und die Sänger können sich darin ebenso getragen wie höchst animiert fühlen, ihre Partien voll auszusingen und zu gestalten. Ein solcher Maestro ist Goldeswert für das italienische Repertoire. Ein Blick in seine Biographie lässt denn auch nicht verwundern, dass er trotz seines noch jugendlichen Alters bereits renommierte Bühnen wie London, Mailand, Venedig und München erobert hat. Das Künstlerische Betriebsbüro sollte ihn auch künftig für Stuttgart im Auge behalten.

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Dimitri Platanias und Ensemble. Foto: A.T.Schaefer

Auch die vokale Qualität konnte sich in dieser Aufführungsserie mehr als hören lassen. Zwei Jahre nach der Premiere beherrschte Bayreuths derzeitige Brünnhilde Catherine Foster als zwischen Macht und Liebe zerriebene Abigaille die Bühne. Bei ihrem leuchtend klaren Höhenregister geraten die vehementen Spitzenausbrüche ohne jegliche Schärfe zu einem Akt purer Bewunderung, die flexible Handhabung der abrupten Lagenwechsel erstaunt auch jetzt wieder bei so viel hochdramatischer Kapazität, ebenso wie die Tiefe für eine so viel an Wagner erprobte Stimme auch diesmal etwas schmal und matt bleibt. Neben ihrem zu Herzen gehenden, von Reue geprägten Sterbegesang imponierte sie besonders durch kluges Steuern ihrer Duett-Konfrontation mit Nabucco, in dem ihre Unerbittlichkeit und ihr Triumph über den vom Blitz geschlagenen König von Dimitri Platanias zusätzlich angestachelt ist. Der international gefragte Grieche gehört inzwischen ohne Zweifel zu den erstklassigen Vertretern eines mit schönem Legato, natürlicher Phrasierung, warmem Timbre und einer Top-Höhe ausgestatteten Verdi-Interpreten. So ausgeglichen er seinen Bariton präsentiert, so spielerisch wandelbar zeigt er sich in den wechselnden Höhen und Tiefen des babylonischen Herrschers.

Auch Riccardo Zanellato kann als Zaccaria bis auf ein etwas schmales Tiefen-Gewicht und eine wenig schwarze Bass-Grundierung mit tragfähiger, fast baritonaler Höhe, gefestigter Mittellage und zwischen salbungsvollem Trost und schwärmerischer Preisung wechselndem Klangcharakter aus dem Vollen schöpfen. Von Natur aus vielleicht nicht eine so starke Persönlichkeit, versagt ihm wie allen anderen Beteiligten auch das Kostüm-Design von Silke Willrett und Marc Weeger, ein grauer Staubmantel über Hemd und Weste, jegliche Chance Würde und Autorität zu verbreiten. Die Gesichtslosigkeit einer Gegenwart ist die eine Crux, die andere die vor allem im ersten Akt währende Hilflosigkeit der Inszenierung. Rudolf Freys Personenführung bezieht im weiteren Verlauf wohl eine klarere Stellung, irritiert jedoch auch in der regelrechten Abwürgung finaler Abschlüsse mit der Folge ausbleibenden oder verunsichert zögerlich einsetzenden Applauses. Gerade solche Dinge sprechen bei Verdi doch eine ganz deutliche Sprache.

Überdurchschnittliches Niveau auch in den kleineren Rollen: Diana Hallers Fenena mit nun gewachsener Breite ihres kultivierten Mezzos und ergreifendem Hinrichtungs-Abschied, Gergely Nemetis Ismaele, der mit der undankbaren und auch unangenehm geschriebenen Tenor-Rolle bestens zurecht kommt, und den Opernstudio-Entsandten Dominic Grosse, der die Mutierung des Oberpriesters zum showmasternden Magier mit naturgemäß noch etwas der Fülle entbehrender baritonaler Klarheit ausspielt, Thomas Elwins apart tenoralem königstreuem Abdallo und Irma Mihelic schlichtem Sopran als Zaccarias Schwester Anna.

Staatsopern- und Zusatzchor (Einstudierung: Johannes Knecht) sind das größte Opfer der Regie, aber letztlich ein künstlerisch so kluges und vokal ohnehin immer wieder fesselndes Ensemble, dass der musikalische Eindruck mit dem im klangvoll schwebenden Piano ausgehauchten Gefangenenchor als bewegender Krönung alle szenische Unbill überwiegt.

Mit dem Dirigenten und Catherine Foster stand er denn auch im Mittelpunkt der Pubikums-Begeisterung

Udo Klebes                                                                                                                

 

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