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STUTTGART: MADAMA BUTTERFLY mit Karine Babajanyan als triumphale Einspringerin

20.12.2014 | Allgemein, Oper

Stuttgart „MADAMA BUTTERFLY“ 19.12. 2014(WA) – Triumphales Einspringen

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Karine Babajanyan

Vor acht Jahren hatte Karine Babajanyan die Premiere und die allermeisten Folgevorstellungen gesungen. Jetzt rettete sie die Wiederaufnahme, indem sie am Vorstellungstag eilends aus Budapest eingeflogen kam, um Catherine Naglestad zu ersetzen, die ihr Stuttgarter Rollendebut als Cio-Cio-San geben sollte. Mit diesem zusätzlichen Bonus einer mangels möglicher Probenumstellungen auf neue Partner und einen anderen Dirigenten umso bewunderungswürdigen Leistung dankte es ihr ein Publikum, das die Absage der mit Spannung erwarteten Catherine Naglestad vor der Aufführung noch mit Lauten der Enttäuschung kommentierte, mit einem Jubelsturm sondergleichen.

An ihrem dunkel umhauchten Sopran mit organisch eingebundener Tiefe, tragfähiger Mittellage und einer nur geringfügig von Vibrato begleiteten intensiv gespannten Höhe scheint die Zeit spurlos vorüber gegangen sein. Das schon damals in den Details sehr genau ausgearbeitete Rollen-Portrait konnte sie jetzt gar noch steigern, und all den vielen kleinen Dingen in der Konversation zwischen kindlicher Naivität und unbeirrbarem Glauben in vielfachen Nuancierungen des Tonfalls die verdiente Aufmerksamkeit, der langen Partie dadurch als Ganzes betrachtet eine höhere Wertschätzung geben. Mit Herz und Seele verzehrt sie sich in die so lange hoffende und dann maßlos enttäuschte und entehrt in den Selbstmord gehende Cio-Cio-San und lässt uns mit einer Intensität an diesem Schicksal teil haben als ob es ihr eigenes wäre.

Anteil an dieser so direkt vermittelten Emotionalität hat aber auch wieder die Inszenierung der Choreographin Monique Wagemakers, die das Drama ohne interpretatorische Verbiegungen und Abschweifungen ganz aus einer konzentrierten Personenführung entfalten lässt und die die Charaktere einfühlsam zueinander in Beziehung setzt. Karl Kneidls fast komplett entrümpelte Bühne lebt außer den notwendigsten Requisiten von einer aufgespannten riesigen matten Spiegeldecke, die Vorgänge und Auftritte, aber auch in der Phantasie denkbare Erscheinungen eines Segels oder einer Schiffsgangway auf der hinter der vorderen schmalen Spielfläche tief abgesenkten Bühne nur verschwommen sichtbar macht. Erst wenn Cio-Cio-Sans Traum von einer glücklichen Wiedervereinigung mit Pinkerton zerplatzt ist, wird die ganze Bühne hochgefahren und gibt den mit Blumen übersäten Boden frei. Die Kostüme von Silke Willrett stellen westliche und japanische Elemente gegenüber, verorten die Handlung in einer Gegenwart, in der Hochzeiten gefilmt werden. So darf sich das kleine Söhnchen, das Anastasija Harms aus dem Kinderchor allerliebst natürlich spielt, den in der Ferne weilenden Vater auf dem Fernsehschirm anschauen. Und der ahnungslose und doch bange Gang des Kindes in eine neue Welt wird von der Stiefmutter (von Simone Jackel sensibel dargestellt) ebenfalls per Kamera festgehalten und dessen Gesicht stark vergrößert auf die Rückwand projiziert. Ein starkes Bild zum offenen, durchaus Hoffnung markierenden letzten Tutti-Schlag des Orchesters. Giuliano Carella hat die Staatsorchestralen mit überschwänglicher Zeichengebung auf seine sehr breiten Tempi vorbereitet, riskiert damit auch einige Verschleifungen in den Übergängen oder Ausschwingungen, trifft die Tragödie letztlich mit genauso viel Emphase und Herzensimpuls wie die Titelrollen-Künstlerin. Deren Totalidentifikation hat auch auf die Mitspieler ausgestrahlt. Vor allem Helene Schneidermans hingebunsvoll mitleidende und mit unvermindert klarem, hellem und in den Tiefen doch so schön gesättigtem Mezzo gesungene Suzuki trug dazu bei, dass an diesem Abend immer wieder die Tränen flossen. Auch Michael Ebbeckes in Gestalt und Stimme höchst präsenter Konsul Sharpless, dessen Bariton sich in den Forte-Höhen leider verhärtet, hatte großen Anteil an der starken Interaktion dieser Inszenierung. Nicht ganz so gut gelang es dem mit viel Metall und Attacke loslegenden Tenor Rafael Rojas Puccinis Schmelz nachzufühlen, die nicht unattraktive, nur auf Dauer etwas gleichförmige Stimme gehört in die Kategorie „je lauter je besser“. Sein Spiel ist durchaus rollendeckend, zuerst unbekümmert leichtfertig, zuletzt zerknirscht.

Torsten Hofmann als bespitzelnder Goro mit routiniertem Charaktertenor, Mark Munkittrick als gehörigen Bass-Dampf verbreitender Onkel Bonze und Dominik Große aus dem Opernstudio als ergeben werbender Fürst Yamadori mit schon recht gefestigtem Bariton sowie der Staatsopernchor rundeten diese hochwillkommene Wiederaufnahme zu einem zu Recht nachhaltig gefeierten Opernabend. Karine Babajanyans Rückkehr nach Stuttgart geriet zum Ereignis.                                                                                                         

Udo Klebes

 

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