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STUTTGART: LUISA MILLER Liebe, Intrige, Gift. Wiederaufnahme

02.04.2015 | Allgemein, Oper

STUTTGART“Luisa Miller“ in der Staatsoper Stuttgart LIEBE, INTRIGE, GIFT

Giuseppe Verdis „Luisa Miller“ als Wiederaufnahme am 25. April 2015 in der Staatsoper/STUTTGART

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Dmytro Popov, Adina Aaron. Copyright: A.T.Schaefer

Die Inszenierung von Giuseppe Verdis etwas stiefmütterlich behandelter Oper „Luisa Miller“ nach Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ durch Markus Dietz spielt durchaus mit dem Feuer. Das Werk wurde im Jahre 1849 uraufgeführt und ist eine italienische Oper ganz eigenen Zuschnitts. Das Scheitern der Liebe zwischen der bürgerlichen Luisa (mit vielen Schattierungen: Adina Aaron) und dem adeligen Rodolfo (kraftvoll: Dmytro Popov) in einer von Lügen und Intrigen gnadenlos gesteuerten Welt wird hier in glühenden Farben erzählt. Gleich zu Beginn beherrschen Nebelschwaden geheimnisvoll die Bühne, im Hintergrund sieht man ein Südtiroler Gebirgsmassiv. Immer wieder fahren riesige Stellwände herauf und herab – ein Synonym für das beengte Seelenleben der Protagonisten. Das Alpendorf nimmt als kleinbürgerlicher Alptraum immer bedrohlichere Züge an. Im Hintergrund sieht man plötzlich ein riesiges abgeschlachtetes Reh, Blut läuft herab und färbt den gesamten Bühnenhintergrund rot. Auf einmal nimmt man auch eine große rötliche Pflanze im Hintergrund wahr, die ebenfalls mit Blut getränkt zu sein scheint. Der von Adam Palka mit sonorer Bassgewalt verkörperte Conte di Walter mimt hier eine seltsame Doppelrolle – einmal als völlig gebrochener Mann, ein anderes Mal als arroganter Schnösel. Er wird mit seinem Sohn nicht fertig, auf den Luisa immer wieder sehnlichst wartet. Attila Yun lässt bei den Triller-Motiven des intriganten Wurm durchaus dämonische Züge erkennen, die auch an Jago aus Verdis „Otello“ erinnern. Die Spannungsmomente steigern sich im Laufe der Aufführung erheblich (Bühne: Franz Lehr; Kostüme: Anna Eiermann). Bei der von Klarinetten-Melodien beherrschten Brief-Szene, bei der die vom eifersüchtigen Wurm angeleitete Luisa ihrer Liebe zu Rodolfo abschwören soll, erreicht das psychologisch tiefsinnige Kammerspiel seinen Höhepunkt. Auch Evez Abdulla als Vater Miller weiß seine Verzweiflung über die ausweglose Lage der Tochter gut über die Rampe zu bringen. Elektrisierende Funken versprüht die gesanglich exzellente Ramona Zaharia als Federica d’Ostheim, die sich vergeblich Hoffnungen auf Rodolfo macht. Der ist zwar glaubhaft verzweifelt über Luisas angeblichen Verrat und Untreue, kann aber deutlich machen, dass er im Grunde genommen immer von ihrer Unschuld überzeugt ist. So ist der gemeinsame Gifttod von Luisa und Rodolfo nur allzu konsequent und lässt Conte di Walter und Vater Miller nur um so verzweifelter zurück. Zuletzt versinken Luisa und Rodolfo im Abgrund.

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Adina Aaron, Josefin Feiler, Copyright; A.T, Schaefer

Hervorragende Schlagkraft besitzt wieder einmal der von Johannes Knecht und Christoph Heil meisterhaft einstudierte Staatsopernchor, der nicht nur bei den Sotto-voce-Passagen zu ganz großer Form aufläuft. Marco Comin (Chefdirigent des Staatstheaters am Gärtnerplatz München) gibt hier sein Debüt als Dirigent an der Stuttgarter Oper und lässt vor allem die Macht der Blechbläser hell aufblitzen. Aber auch die sensiblen Tremolo-Effekte im dritten Akt bei Luisas ergreifendem Gebet weiß er als Orchesterleiter geschickt zu nutzen. Loderndes Brio beherrscht sein Dirigat vom ersten Moment an – so auch bei der Ouvertüre, die sich aus einem einzigen Thema kunstvoll entwickelt. Das lyrische Moment kommt trotz der bewegten Dramatik in der harmonischen Entwicklung bei dieser Wiedergabe nicht zu kurz, was sich insbesondere bei den leidenschaftlichen Gesängen von Luisa und Rodolfo zeigt. Scharfe Charakteristik erfasst den Conte di Walter ebenso wie seinen hinterhältigen Sekretär Wurm, wenngleich hier manche Details auch noch deutlicher hätten herausgearbeitet werden können. Dies gilt insbesondere für das von unheimlicher Wildheit beherrschte Duett der beiden im zweiten Akt. Einer der Höhepunkte der Aufführung ist rein musikalisch auf jeden Fall die zu Herzen gehende Duo-Szene zwischen Luisa und ihrem Vater. Reizvoll hat der Dirigent Marco Comin das c-Moll-Motiv der Ouvertüre mit dem B-Dur-Motiv des Liebesduetts von Luisa und Rodolfo verknüpft. Der prägnante Rhythmus des gehetzten Kopfmotivs findet im Liebesduett der beiden „T’amo d’amor ch’esprimere“ tatsächlich seine volle Entsprechung. Äusserst schroff unterstreicht Comin das c-Moll-Ende der Oper nach dem Tod der Liebenden. Parlando-Zauber beherrscht auch Rodolfos Arie im Finale des zweiten Aktes. Vor allem die klare melodisch-rhythmische Struktur von Verdis Musik kommt bei Marco Comins Dirigat nicht zu kurz. Begleitende Gefühle, Untertöne, Stimmungen und Spannungen behaupten sich so immer wieder sehr facettenreich. Dies kommt dem dynamischen Klangstrom zugute und damit der Tiefschichtigkeit des psychischen Lebens. Verdis musikalischer Realismus mit seinen Leitmotiven blitzt in nuancenreicher Weise hervor. In weiteren Rollen gefallen Josefin Feiler als Laura und Ivan Yonkov als Bauer. Artikulation und Gliederung der Musik besitzen deutliche Konturen. Magdalena Fuchsberger hat bei ihrer szenischen Einstudierung der Wiederaufnahme die Video-Installationen von Judith Konnerth geschickt eingebunden. So sieht man Luisa schemenhaft hinter einer riesigen Trennwand. Der verhängnisvolle Brief wird wiederholt auf der großen Bühnenwand sichtbar (Mitarbeit Bühne: Christof Piaskowski; Dramaturgie: Angela Beuerle, Albrecht Puhlmann). Die triebhafte Hast des Rezitativs und die deklamatorische Nervosität wachsen jedenfalls gut zusammen. Unbewusste Regungen und Vielschichtigkeit der Lebensstimmungen werden dabei konsequent umgesetzt. 

 Alexander Walther    

 

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