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STUTTGART/ Liederhalle: SIEGFRIED/ 3. Akt – konzertant. Großer Wagner, kleiner Brahms…

07.12.2012 | KRITIKEN, Oper

Stuttgart: „SIEGFRIED“ 3.Akt konzertant 5.12. (Liederhalle) – Großer Wagner, kleiner Brahms

Die Stuttgarter Philharmoniker haben das Wagner-Jahr schon vorzeitig mit einem ihrer vielseitig und dramaturgisch sinnfällig gestalteten Konzerte eingeläutet und bewiesen, dass dieser Gigant des Musiktheaters auch ohne szenische Darstellung voll zu seinem Recht kommt – natürlich vorausgesetzt dahinter walten Kräfte, die mehr als nur eine bloße Bewältigung bieten. Es war ja schon bei den bisherigen gelegentlichen konzertanten Opernaufführungen zu erleben, welche Affinität GMD Gabriel Feltz zur Oper, zum Gestalten mit Stimmen hat. Wem es bisher noch nicht aufgefallen ist, dürfte es spätestens an diesem Abend bemerkt haben, dass da ein richtiger Animateur an der Spitze waltet, der die Instrumentalisten mit Feuereifer durch die Stimmungsparameter des dritten „Siegfried“-Aktes lotst und sie zu Höchstleistungen antreibt, um eine Klangkulisse in den Konzertsaal zu zaubern, die das fehlende Bühnenbild lebhaft vor Augen führt. Voller Spannung geraten die Wechsel zwischen stürmischem Vorantreiben und dem Auskosten der hochromantisch angelegten Erweckungsszene, da schmettert und peitscht das Blech, blühen die Holzbläser, allen voran die bis zum Triller sanglich und duftig bleibende Klarinette und baden die Streicher in einem warmen Klangteppich, der Substanz und Linie hat, aber nie zur undurchdringbaren Mauer für die Solisten wird. Übergänge sind sauber ausgearbeitet, die Einsätze kommen präzise. Und das alles angefacht von der spürbaren Lust des Dirigenten, große Oper zu ihrer vollen Wirkung zu bringen. Insofern ist es nur gut zu verstehen, dass Feltz künftig das musikalische Zepter an der Dortmunder Oper schwingen möchte, auch wenn er damit in Stuttgart eine große Lücke hinterlassen wird.

Solistisch wurde mit erfahrenen Wagner-Interpreten in die Vollen gelangt. Stephen Gould ist schlicht und einfach einer der Siegfriede unserer Tage. Glaubhaft in Gestalt und naturburschenhafter Gestik, die auch auf dem Konzertpodium immer wieder mal durchbricht und den konditionellen Anforderungen so gewachsen, dass ihm keiner der hoch liegenden Töne zu unangenehm oder problematisch zu liegen scheint. Die alles überstrahlende, aber nie kraftmeierische klare Höhe, die stabile Mittellage und das mühelose Pendeln zwischen artikulatorischen Feinheiten und großen Bögen, und nicht zuletzt die für einen Amerikaner bemerkenswert genaue und natürlich wirkende deutsche Aussprache machen seinen Rolleneinsatz zur totalen Erfüllung. Dass die von ihm erweckte Brünhilde in allen Belangen diesem Niveau gleich kam, ließ ihre große Szene von immerhin gut 45 Minuten Dauer wie im Fluge von einem Höhepunkt zum nächsten vergehen und zu einem Genuss werden, der einen beider Vereinigung in lachender Liebe und leuchtendem Tod voller Gänsehaut mitfühlen lässt. Es stellt sich zunächst die Frage, ob ein Mezzosopran gerade für diesen insgesamt lyrischeren Teil der Partie richtig besetzt ist. Doch nach einem noch etwas ungewohnt dunkel sonor klingenden „Heil Dir Sonne“ lichtet sich Petra Langs angenehm hell gedeckt timbrierte Stimme zu schwebend leichter Tongebung und mühelosen, wie aus dem Nichts entstehenden Höhenaufschwüngen, deren rund leuchtende Einfaltung von keinerlei Schärfe, Unebenheiten oder Forcieren beeinträchtigt ist. Ergänzt wird ihr makelloser Gesang von jener Einfühlsamkeit, die sozusagen zwischen den Zeilen und Tönen liegt und ihrem Vortrag ein Gesicht gibt.

Neben diesen beiden göttlichen Liebenden erreichte Albert Dohmen als Wanderer, auch wenn das bei solchen Anforderungen immer noch viel ist, lediglich solides Niveau. Der sowohl über gute Tiefen- als auch Höhenreserven verfügende Bariton kann sich nach anfänglich beeinträchtigter Durchsetzung bei der Anrufung Erdas mit guter Diktion und kerniger Dramatik behaupten, ohne jedoch mit Farbe und Ausdruck die Persönlichkeit des Göttervaters zur Geltung zu bringen, der da einen letzten Versuch startet, seine Macht und seinen Egoismus auszuspielen. An Erda prallt ohnehin alles Sinnen ab, und Janina Bächle macht mit ganz schlankem warmem, tiefensattem Mezzo und ganz ruhiger, fast unbeweglicher Linienführung glaubhaft, dass die Ur-Wala zu diesem Zeitpunkt bereits aus der realen Welt geschieden ist.

Nach diesem spontan im Jubel endenden Wagner-Glück war das kleine Vorspiel dieses Abends, die ungewöhnliche kammermusikalische Kombination mit den „Sieben Klavierphantasien op.116“ des Wagner-Antipoden Johannes Brahms bereits so gut wie hinweggefegt, so sehr sich Anna Gourari um eine nachdrückliche Auslegung dieser skizzenhaften Kompositionen bemühte. Historisch gesehen ist diese Gegenüberstellung der beiden Tonsetzer ein wohlmeinender Programm-Ansatz, unter rein musikalischen Gesichtspunkten jedoch eher unglücklich.

 Udo Klebes

 

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