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STUTTGART/ Liederhalle: KAMMERORCHESTER unter Matthias Foremny mit Viktoria Mullova – „Ein humanes Ethos““

STUTTGART/ Liederhalle: KAMMERORCHESTER  –  „EIN HUMANES ETHOS“ – am 6.1.2014

Eindrucksvolles Debut von Matthias Foremny beim Stuttgarter Kammerorchester im Beethovensaal der Liederhalle am 6. Januar 2014/

Unbenannt
Viktoria Mullova. Foto: Henry Fair

 Zu Beginn der Spielzeit 201372014 wurde Matthias Foremny neuer Chefdirigent des Stuttgarter Kammerorchesters. Dieses Konzert war also eine Premiere. Zusammen mit der russischen Stargeigerin Viktoria Mullova gelang ihm im gut besuchten Beethovensaal beim Dreikönigskonzert eine eindringliche Wiedergabe von Ludwig van Beethovens Violonkonzert in D-Dur op. 61. Wie schön, harmonisch und tief dieses Werk ist, machte Viktoria Mullova mit nie nachlassender Intensität deutlich. Diese weihevoll-ernsten Themen wurden durch ein wunderbar humanes Ethos geadelt. Leise, mit bedeutungsvollen Paukenschlägen begann das gesangliche Hauptthema des ersten Allegro ma non troppo-Satzes. Seinen breit strömenden Fluss fing dann ein modulierender Gedanke auf. In warmer und schlichter Lyrik erblühte das edle Seitenthema. Die vielfach in hoher Lage schwebende Violine hüllte die Themen im Sonatenschema in ein friedvoll-entrücktes Leuchten. Mild-verklärend und in erhabener Schlichtheit konnten sich die Motive so glanzvoll entfalten. Noch besser gelang der Solistin das Larghetto, dessen ergreifende Schönheit durch den Unterton einer sanften Ekstase gesteigert wurde. Die kunstvollen Umspielungen der variierten Melodie der Solovioline prägten sich tief ein. Aus dieser gleichsam feierlichen Entrücktheit leitete eine höchst sensible Kadenz hinüber in das Rondo mit seinem fröhlich wippenden Thema. Im Disput mit dem Orchester formten sich prägnante Einwürfe, die für Abwechslung und Überraschung sorgten. Viktoria Mullova aber musizierte hier wirklich mit einer traumwandlerischen Sicherheit. Man begriff, warum sie als „Göttin der Violine“ gilt. Tragische Verwicklungen bekamen einen klangfarblich reizvollen Ausdruck. In launigem Übermut löste sich alles in einer überraschenden schelmischen Passage. Ganz leise verflüchtigte sich dabei das Rondothema, bevor zwei kräftige Akkordschläge den Schlusspunkt setzten.

Ein weiterer Glanzpunkt dieses Konzerts war die sphärenhaft leicht gespielte „Pulcinella“-Suite von Igor Strawinsky. Strawinsky entdeckte rasch, wie sehr er sich geistig und klangsinnlich mit Pergolesis Themen verwandt fühlte und setzte das alles genial um. Der Pulcinella ist ein großer betrunkener Tölpel und jede seiner Bewegungen und jedes Wort ist obszön. Das verdeutlicht Strawinsky in seiner Partitur facettenreich. Und das Stuttgarter Kammerorchester setzte es facettenreich um. „Sie respektieren Pergolesi – ich liebe ihn!“ lautete Strawinskys Resümee. Und genau diesen wichtigen Aspekt arbeitete Matthias Foremny mit dem Stuttgarter Kammerorchester sehr subtil heraus. Schon die zierliche Sinfonia balancierte virtuos auf barocken Konturen, die sich nicht verflüchtigten. Geist und Gehalt des Siciliano-Pastorale gab in erlesen-zarten Klängen die folgende Serenata, während das dreiteilige Scherzino sehr viel über das Wesen spätbarocken Scherzo-Geistes verriet. Die wirbelnde Tarantella und die prickelnde Toccata überschlugen sich in rasanter Geschwindigkeit, bis die Gavotta mit ihrer zierlich-eckigen Grazie wieder in ruhigere Bahnen einlenkte. In beiden Variationen wurde das Bild des Tanzes perfekt ausgeleuchtet. Im Vivo-Satz fanden die Posaunen viel erheiternden Anlass zu witzigem Ulk. Und das Menuetto mit seiner bedächtigen Anmut war der letzte Ruhepunkt vor dem wirbelnden Kehraus des Finales mit seiner lyrischen Linie.

Zum Abschluss spielte das Stuttgarter Kammerorchester, dessen Orchestermusiker sich in den letzten Jahren erstaunlich verjüngt haben, mit großem Temperament die Sinfonie Nr. 35 in D-Dur KV 385, die so genannte „Haffner Sinfonie“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Dieser schrieb das Werk im Jahre 1782 für die Familie des Salzburger Bürgermeisters Siegmund Haffner, der Mozart sechs Jahre zuvor seine „Haffner-Serenade“ zugedacht hatte. Der erste Satz der Sinfonie entwickelte sich bei dieser Wiedergabe sehr stürmisch aus einem einzigen großspurigen Thema. Sogar in den kontrapunktischen Verwicklungen büßte es nicht seinen feierlichen Schwung ein. In lieblicher Anmut sang das Andante daraufhin seine graziöse Melodie und ging tieferer Empfindung zierlich-spielerisch aus dem Wege. Sehr selbstsicher griff das Menuett auf die weiten Sprünge des Themas vom ersten Satz zurück. Gelegentlich hätte man sich sogar noch größere Intensität im punktgenauen Zusammenspiel von Streichern und Bläsern gewünscht. Trotzdem war es eine hervorragende Wiedergabe dieses sinnlich überwältigenden Klangwunders, dessen Presto-Finale mit einer Geschwindigkeit sondersgleichen vorüberhuschte. Das Thema „Ha, wie will ich triumphieren“ des Osmin aus der zeitlich benachbarten Oper „Die Entführung aus dem Serail“ war dabei deutlich zu spüren. Und der knisternde Kehraus tummelte sich ungezwungen in den Bahnen der Sonatenform. Zielbewusst steuerte alles auf den schmetternden Ausgang hin.

 Alexander Walther

 

 

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