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STUTTGART/ Liederhalle: 6. SINFONIEKONZERT des Staatsorchesters/ Ferro/Dalberto

6. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters im Beethovensaal der Liederhalle KLANGSPIEGEL UND VISIONEN

6. Sinfoniekonzert „Gegen die Schwerkraft“ des Staatsorchesters Stuttgart im Beethovensaal der Liederhalle /STUTTGART

Zum ersten Mal war der in Paris geborene Meisterpianist Michel Dalberto zu Gast in Stuttgart. Er hat als einziger Musiker Schuberts sämtliche Klavierwerke eingespielt und war Jury-Vorsitzender des renommierten Clara-Haskil-Wettbewerbs. Zu Beginn musizierte er zusammen mit dem gut disponierten Staatsorchester Stuttgart unter der präzisen Leitung von Gabriele Ferro das undatierte Klavierkonzert in D-Dur von Niccolo Jommelli, der einst von Herzog Carl Eugen an der Stuttgarter Hofoper protegiert wurde. Bewegende Kontrapunktik und differenzierte Klanglichkeit beherrschten das dynamisch fein nuancierte Spiel von Michel Dalberto, der die perlende Geläufigkeit des „Galanten Stils“ voll beherrschte. Gerade beim Schlussmenuett blitzten die alten höfischen Tänze reizvoll auf. Eine Überraschung war ferner das Konzertstück für Pianoforte und Orchester d-Moll op. 31A, BV 236 aus dem Jahre 1890 von Ferrucio Busoni. Polyphonie verbindet hier die Mozartsche Melodie und die Ausdruckskraft Bachscher Linearität. Dies ist auch bei diesem eher sperrigen Frühwerk spürbar, dessen romantische Stimmungen an den Expressionismus eines „Doktor Faustus“ denken lassen. Formen und Klangfarben konnten sich bei der subtilen Wiedergabe von Michel Dalberto bestens entfalten. Neben dem Ideal der Klassizität gewann der Zauber der Tonskala immer neue Ausdrucksmöglichkeiten. Die Verbreiterung dieser Skala basiert bei Busoni auf einer Teilung des Ganztonabstandes in Drittel- oder sogar Sechsteltöne statt der gängigen Halbtonstufung. Michel Dalberto unterstrich bei seiner ausgefeilten und gelungenen Wiedergabe aber auch das Ideal einer neuen Klassik. Wie sattelfest Busoni in allen Künsten des Kontrapunkts war, ließ Dalberto deutlich werden. Anklänge an die verschiedensten Stile von der Gregorianik bis zu Mahler schimmerten hier durch. Selbst der Einfluss von Johannes Brahms blieb bei der Wiedergabe stets spürbar. Mit dem Bläserthema aus Busonis Oper „Sigune“ ließ Michel Dalberto das Fugato wild heranstürmen, wobei die Choralklänge und chromatischen Wendungen der Bläser die Zuhörer betörten. Mit konzertierendem Feinschliff unterstrich Dalberto diese aufregenden Entwicklungen im Orchester. An Brahms erinnerte auch die Schluss-Stretta mit der strahlenden D-Dur-Entwicklung. Als Zugabe musizierte Dalberto noch ein feinnerviges Choralvorspiel von Johann Sebastian Bach in einer dezenten Bearbeitung von Ferrucio Busoni.

Sehr breit und dynamisch ausladend spielte das fulminante Staatsorchester Stuttgart unter der forschen Leitung von Gabriele Ferro die Tondichtung „Tod und Verklärung“ op. 24 von Richard Strauss. Wie sehr ein Mensch hier ganz real vom Fieber geschüttelt wird, war dabei in packender Weise nachvollziehbar. Die zarte Flötenfigur über den Harfenakkorden ließ den Kranken von der Jugend träumen. Immer klarer wurde das schwebende Erinnerungsbild von der Violine nachgezeichnet, dann fuhr wie ein Blitz jäh ein schneidender Schmerz dazwischen. Mystische Erlösungsklänge wurden vom Staatsorchester unter Ferro am besten getroffen. Das Tonsymbol des Mannes im Lebenskampf erklang immer straffer und heftiger. Dumpf und geisterhaft tönte das Tamtam schließlich in die atemlose Leere. Ferro arbeitete aber auch den hymnischen Strom in hervorragender Weise heraus. Dieser zweite Dur-Teil mit der Wiederkehr des zweiten Themas und einer breit angelegten Coda verbreitete eine elektrisierende Wirkungskraft. Außerdem blieb das bang pulsierende Synkopenmotiv aufgrund der minuziösen Wiedergabe Gabriele Ferros stark im Gedächtnis. Vor allem der leidenschaftlich vorwärtstreibende Aufbau dieser Komposition bis hin zum ermatteten Zurücksinken wurde ausgezeichnet erfasst. Im leidenschaftlichen Furioso des Todeskampfes meldete sich nochmals der pochende Synkopenrhythmus bis zur Erlöschung im Pianissimo. Zuletzt begeisterte dann noch der legendäre „Tanz der sieben Schleier“ aus der Oper „Salome“ op. 54 aus dem Jahre 1905 von Richard Strauss. Der leidenschaftliche Opernmagier Ferro lebte hier ganz und gar auf. Man begriff, warum der schockierte Kaiser Wilhelm II. zu entdecken meinte, welche „Schlange“ er mit Strauss an seinem Busen genährt habe. Die unerhörte Modernität dieses Meisterwerks schimmerte in aufregend-blendender Weise durch. Diese Folge aus langsamem Walzer und ekstatischem Nachtanz riss das Publikum in rauschhafter Weise mit. Salomes unerbittliche Worte „Gib mir den Kopf des Joachanaan“ waren immer wieder erschreckend spürbar. Und die Motive der Prinzessin und des Propheten schienen zu explodieren. Das breit strömende Melos und die orgiastischen Effekte blitzten grell auf.

 Alexander Walther

 

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