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STUTTGART: IL BARBIERE DI SIVIGLIA – Wiederaufnahme

Frischer Wind mit Nachwuchs

11.10.2018 | Allgemein, Oper


Viel Lust am Rollenspiel: Ida Ränzlöv (Rosina) und Jarrett Ott (Figaro): Copyright: Martin Sigmund

Stuttgart: „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“ 10.10.2018 (WA 4.10.2018) – Frischer Wind mit Nachwuchs

Neben der zum Saisonstart wiederaufgenommenen, bilderreichen Achim Freyer-Inszenierung des „Freischütz“ setzt die neue Operndirektion auch weiterhin auf Beat Fähs Produktion des Rossini-Klassikers. Gut 25 Jahre nach der Premiere im Juni 1993 ging an diesem Abend bereits die 125. Vorstellung über die Bühne. Bei der Freigabe des während der 1. Szene durch ein schwarzes Tuch verhängtes, symbolkräftig in Rotschraffierungen und –schattierungen leuchtenden Hauses von Dr. Bartolo (Bühne + Kostüme: Volker Pfüller) geht, wenn schon kein Applaus ausbricht, immer noch ein Raunen des Erstaunens durchs Publikum.

Am Pult stand jetzt der musikalische Direktor des Festivals „Rossini in Wildbad“ Antonino Fogliani und brachte mit flotten, teilweise aberwitzig mitreißenden Tempi gehörig frischen Wind in die betagte, aber dank genauem Spielleitungs- und Assistenzeinsatz (Philine Tezel) in ihren speziell gesetzten szenischen Pointen immer noch gut erhaltene Inszenierung, ohne die Solisten in Atemnöte oder Konfusionen zu bringen. Auch in den vielen hörbar gemachten instrumentalen Begleitfiguren, ob ernster oder ironischer Natur, zeugt Foglianis konzeptionell durchgezogenes Dirigat von reichhaltiger Erfahrung mit den besonderen Anforderungen des Pesareser Meisters. Das Staatsorchester Stuttgart folgte ihm hellwach durch diese spritzige Tour gipfelnd in wirkungsvollen Crescendi.

Von den Solisten ist Ioan Hotea am meisten zu bewundern, weil er kurzfristig für das erkrankte neue Ensemblemitglied Petr Nekoranec eingesprungen ist. Die spürbare Rollenpraxis des rumänischen Tenors dürfte ihm die entscheidenden Dienste geleistet haben, so dass er sich ohne Verlegenheitsmomente oder Hilflosigkeiten in die Regie einfinden konnte. Seine technisch gewandte, nuancierungsreiche und leicht in die Höhen aufsteigende Stimme ist in kraftvollen Spitzentönen der lyrischen Anlage des Grafen Almaviva gar schon etwas entwachsen und lässt eine Facherweiterung in dramatischere Gefilde vermuten.

In der Titelrolle kann ihm der neu ans Haus verpflichtete Jarrett Ott in puncto spielerischer  Lockerheit und vokaler Potenz durchaus das Wasser reichen, auch wenn der gut sitzende Bariton des Amerikaners im Servieren musikalischer Finessen und der Auslotung schneller Rezitative noch nicht so gewandt ist. Ida Ränzlöv hatte ihm da, wiewohl noch im Opernstudio der Staatsoper, an Gestaltungsmut einiges voraus und zeichnete eine natürlich aus sich heraus wirkende Rosina mit einer apart wohl tönenden Mezzostimme, sämig in der Tiefe, gleichmäßig in der Mittellage, klar in der Koloratur und nur in den Höhen noch nicht immer ganz sicher gestützt. Das sehr helle Timbre könnte bereits jetzt ein Signal für eine nicht sehr fern liegende Mutation zum Sopran sein.


Zwei ungleichgewichtige Bässe: Matthew Anchel (Bartolo) und Adam Palka (Basilio). Copyright: Martin Sigmund

Nach ausschließlich gesetzteren und komödiantisch gestandenen Herren wurde Dr.Bartolo jetzt erstmals mit einer Nachwuchskraft, dem ebenfalls neu ins Ensemble gekommenen Matthew Anchel besetzt. In diesem sonst so durchtriebenen Ensemble bot er leider keine gute Wahl, wirkte er nicht nur zu jung, vor allem zu behäbig für eine witzige Ausgestaltung seines Text, und blieb obendrein mit nicht immer ausreichend tragendem, in der Höhe noch sehr begrenzt und eng geführtem Bass der Partie die entscheidenden Akzente schuldig.

Daneben fiel die Qualität des mit Mitte 30 ja auch noch zur jungen Sänger-Generation zählenden, bislang in allen seinen Partien am Haus bewährten Adam Palka umsomehr ins Gewicht. Wie er als Basilio bei vollkommener technischer Sicherheit seinen Bass, zumal in der Verleumdungsarie, genüsslich an- und abschwellen lässt, in den Höhen prachtvoll explodiert und den Text mit dynamischer Raffinesse auf den Punkt bringt, machte im Verein mit seiner Charakterfähigkeit wieder einmal erstaunen.

Catriona Smith bietet als langjährig versierte Singschauspielerin eine köstliche Psycho-Studie der unter Bartolos Fuchtel schreckhaft gewordenen Haushälterin Berta, kulminierend in ihrer lebhaft und detailreich ausgekosteten Arie, an deren Ende sie ihrem geäußerten Tod in Verzweiflung die Tat spielerisch folgen lässt, in dem sie sich in einen quer liegenden Kontrabass-Kasten ( ein Requisit, das sich wie ein roter Faden durch diese Inszenierung zieht) legt und den Deckel über sich zuschlägt.

Die kleine Herren-Formation des Staatsopernchores hatte wohl- und volltönende Kontur, Henrik Czerny als einer von ihnen ergänzte mit Schmackes als Offizier der Wache.

Im Laufe des Abends schaukelte sich die Stimmung im leider bei weitem nicht vollen Haus immer weiter hoch, so dass alle Beteiligten mehr oder weniger begeistert bedankt wurden.

Udo Klebes   

 

 

 

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