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STUTTGART: EUGEN ONEGIN. Musikalischer Triumph über bildlich Abstruses

06.03.2014 | KRITIKEN, Oper

Stuttgart: „EUGEN ONEGIN“ 6.3.2014(WA 7.2.)Musikalischer Triumph über bildlich Abstruses

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Erfolgreicher Kampf gegen Regie-Untaten – Rebecca von Lipinski (Tatjana) mit Heinz Göhrig (Monsieur Triquet). Copyright: A.T.Schaefer

 Warum die Stuttgarter Oper ausgerechnet Waltraud Lehners indiskutablen Umgang mit Tschaikowskys verbreitetestem Vokalwerk aus dem Jahr 2008 noch einmal hat aufleben lassen, ist nicht nachvollziehbar. Deshalb sei über die so konsequent stimmungstötende, jegliche mitkomponierten Vorgaben ignorierende Inszenierung, deren Widersprüche  angesichts der heutzutage mit zu lesenden Übertitel noch erschreckender hervortreten, besser der Mantel des Schweigens gebreitet.

Musikalische Gründe vermochten dennoch auch dieses Ärgernis überstehen lassen, denn Rollendebutantin Rebecca von Lipinski hat die nach ihren bisherigen Leistungen in sie gesetzten Erwartungen nicht nur in vokaler Hinsicht erfüllt, es vielmehr ein Stück weit geschafft mit unbeirrbarem Instinkt die szenisch auf der Strecke gebliebene Poesie einzufangen und so immer wieder mit Erfolg gegen das abstruse Konzept eines übergestülpten Sozialdramas nach der kommunistischen Wende anzukämpfen. In den träumerisch ausschwingenden Lyrismen der Tatjana entfaltet sich der in jeder Lage gut sitzende Sopran mit einer leuchtenden Klarheit. Erst in der Zuspitzung des inneren Kampfes in der Schlussszene werden in dramatischen Forte-Höhen ihre momentanen Grenzen erreicht, doch bleibt ihr Einsatz durch eine kluge Disposition ihrer Mittel in Verbindung mit maximaler Ausdruckseffizienz  immer im Bereich einer hier legitimen metallischen Härte.

Premieren-Interpret Shigeo Ishino hätte als Onegin diesbezüglich von ihr lernen können, denn mit seinem markigen, raumfüllenden Bariton setzt er auf eine teils brachiale Kraft, die sich dann in zunehmend von Heiserkeit beeinträchtigten Höhen niederschlägt und zudem über viele Zwischentöne hinweg wischt, die diesem durchaus differenzierten Charakter gut anstehen würden.

Stanley Jackson ließ sich ansagen und musste mit seinem apart timbrierten lyrischen Tenor als Lenski in der ersten Ballszene eine mehr Breite und Substanz verlangende Emphase leider schuldig bleiben. Dass er als Figur nicht so überzeugen konnte, geht auf das Konto der Inszenierung. Auch Lindsay Ammanns Olga hatte darunter zu leiden, reussierte aber mit ihrer dunklen Stimmfärbung zumindest teilweise im Ansingen gegen die Szene.

Neben den auffallend klangvollen Stimmen in den Nebenpartien, dem hell leuchtenden Mezzo von Helene Schneiderman als Larina und dem pastosen Alt von Renée Morloc als Filipjewna, setzte Liang Li seinem verordneten Outfit zum Trotz als Gremin mit resonanzreichem, warmem Bass mit balsamischem Legato und mühelos entfaltetem rundem Strömen der Gesangslinie einen Arien-Glanzpunkt. Auch Heinz Göhrigs Monsieur Triquet ist über alle zuwiderlaufende Rollenzeichnung hinweg eine immer vollgültige tenorale Stütze des Ensembles.

Dasselbe gilt für den Staatsopernchor, der hinreichend vokalen Klangreichtum über szenische Unbill siegen lässt. Und nicht zuletzt für den ersten Kapellmeister Simon Hewett, der mit dem Staatsorchester Stuttgart in den poetischen Kosmos von Tschaikowskys lyrischen Szenen mit aufhorchen lassender kammermusikalischer Transparenz sowie spannungsfördernder Stringenz in den sich steigernden Auseinandersetzungen eintaucht und es, z.B. auch in den hier jeglichen Tanz verweigernden Ballszenen schafft, die Aufmerksamkeit weg von der Szene auf das akustische Geschehen zu lenken. 

Udo Klebes

 

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