Stuttgarter Ballett „DON QUIJOTE“ 25.9.2012 – Künstlichkeit contra komödiantische Lust
Reife und technisch gesetzte Liebe: Alicia Amatriain (Kitri) und Filip Barankiewicz (Basilio). Copyright: Stuttgarter Ballett
Die erste Alternativ-Besetzung in Maximiliano Guerras choreographischer Version, die die strukturellen Schwächen des Stückes nur wenig kaschiert, hatte es nach dem jungen Traumpaar der Premiere schwer, obwohl sie mehr künstlerische Erfahrung und Reife mitbringt. Für den mittellosen Barbier Basilio und das kesse Gastwirtstöchterlein Kitri sind solche Attribute indes nicht nur von Vorteil. Die Unbekümmertheit und Frische des gewandt zu seinem Glück findenden Paares entspringt letztlich einem Lebensgefühl, wie es nur jung Verliebte aufbringen und ganz natürlich über die Rampe zu bringen vermögen. Diesen Eigenschaften haben Alicia Amatriain, die damit ihr spätes Rollendebut gab, und Filip Barankiewicz, der in dieser Rolle bereits vor 12 Jahren noch als Halbsolist Furore machte, eine gewisse Gewieftheit im Partnerhandling und eine in sich ruhende Darstellung entgegenzusetzen. Leider will dabei der Funke nur selten überspringen, weil hier zwei unterschiedliche Temperamente aufeinander treffen. Bei der blonden Spanierin ist es die zu glatte Bedienung der historischen Rollenklischees von Kitri, ein immer wieder zu bewusst und gewollt durchbrechendes künstlich erzeugtes Spiel mit gestellter Mimik und Haltung, auf das ihr polnischer Partner mit entsprechend weniger Herzhaftigkeit reagiert, als sie sonst so oft bei ihm zum Tragen kommt. Seine augenzwinkernde Lust an der Komödie trifft hier auf ihre betont gespielte Ausstellung eines Rollencharakters. Offensichtlich bestimmen diese Gegebenheiten den Grad des Erfolges beim Publikum, denn trotz technisch gestandener Leistungen stießen sie auf ein deutlich schwächeres Echo als die jungen Kollegen bei der Premiere. Bei Alicia Amatriain überraschte hinsichtlich ihrer nicht idealen Spitzentechnik für klassische Bravour eine erfreulich gute Abendform, die sie alle Schwierigkeiten bis hin zu konstant durchgezogenen Fouettés ohne gröbere Einschränkungen fließend meistern ließ. Nach einer kurzen Aufwärmphase brach bei Filip Barankiewicz wieder jener stürmische Impetus durch, mit der er auf so spezielle Art die Bühne für sich erobert. Mag auch manches nicht mehr ganz so leicht wie früher erscheinen und die investierte Kraft vor allem bei den Hebungen spürbar werden, so verblüfft er dennoch ungebrochen in der Aufgeladenheit seiner rasant gesteigerten und blitzsauberen Pirouetten und hohen Sprünge. Dies alles kulminierte wiederum im großen Pas de deux des dritten Aktes, einem der extremen Nervenkitzel des klassischen Balletts.
Um die beiden herum stellte sich Damiano Pettenella erstmals als Torero vor – mit viel Energie und einer Prise Machoismus, aber dennoch ohne die gewisse faszinierende Wirkung. Dieser Part fordert viel, da hat es Myriam Simon als Strassentänzerin Mercedes bedeutend einfacher, Rassigkeit und südliche Mentalität geltend zu machen. Dagegen tat sie sich an diesem Abend mit den ausgezirkelten Balancen der Dryadenkönigin im zweiten Akt erheblich schwerer. Wie aus einer anderen Welt umgeistert Elizabeth Mason als federleicht Spitzen tupfende Dulcinea den Dichter Cervantes bzw. seine Alter ego-Gestalt Don Quijote. Weitere Kitris dürfen in Magdalena Dziegielewska (die Seltenheit einer Soubrette des Balletts) und Ami Morita ( mit feiner Musikalität) anhand ihrer sehr ansprechende Akzente setzenden Soli gewittert werden. Wenig wusste Roman Novitzky mit dem reichen Camacho anzufangen, so nervte die Rolle mit ihrer etwas überdrehten Mimik mehr als dass sie amüsierte.
Präzise und kraftvoll durchmaß Brent Parolin als Zigeunerprinz die Bühne. Ansonsten vervollständigte das Premieren-Personal die Aufführung.
Udo Klebes