Stuttgarter Ballett: „DON QUIJOTE“ 21. + 26.12.2012. nachm. – Vertrauende Liebe
Strahlend sympathisches Paar – Hyo-Jung Kang (Kitri) und Alexander Jones (Basilio)
Ihr gemeinsames Debut als Romeo und Julia im Frühjahr 2011 und ihr darauf begründeter Aufstieg zu Ersten Solisten hat eine besondere Verbindung zwischen ihnen geschaffen. Dieses Vertrautsein war auch jetzt zu spüren, als Hyo-Jung Kang und Alexander Jones wiederum zusammen Premiere als Kitri und Basilio in Maximiliano Guerras repertoire-tauglicher und szenisch moderat entschlackter und abstrahierter Choreographie feierten. Das liebevolle gegenseitige Aufeinander-Eingehen in schwierigen Momenten oder manchmal nur gewissen Gesten und Blicken verleiht ihrem Zusammenwirken auch diesmal eine wohltuende Harmonie zumal bei beiden in keinem Moment der Anschein von besonderer Nervosität oder Verkrampfung wahrzunehmen war. Der Gerechtigkeit halber muss zwar gesagt werden, dass die Koreanerin die virtuosen Herausforderungen leichter und gelöster meisterte als ihr Partner, was wiederum die Leistung des Briten keineswegs mindern soll. Nur soviel: dort wo sie allen spitzentechnischen Vertracktheiten ohne geringste Mühe wie selbstverständlich und traumwandlerisch sicher begegnete, geriet er im Gegensatz zu seiner schlanken, weichen und effektiven Dreh-Dynamik speziell bei der erforderlichen Sprung-Brillanz an die derzeitige Grenze seiner Möglichkeiten. Neben ihrer federleichten Vereinnahmung der Bühne und seiner bemerkenswert kraftvollen Bewältigung der teils einarmigen Hebungen gewinnen beide durch ihre nie anbiedernde Art, Lieben und Schmollen, Eifersüchteln und Necken unaufgesetzt und spontan zum Ausdruck zu bringen sowie besonders gut Gelungenes unmittelbar auszustrahlen, sofortige Sympathien. Die Liebe und Dankbarkeit, die aus ihren Gesichtern spricht, intensiviert noch das Glück, das diesem Paar von Herzen gegönnt ist. Kitri und Basilio sind wie schon von Kollegen bewiesen wohl temperamentvoller denkbar, beider wohltuende Natürlichkeit machte dies jedoch ganz vergessen.
Der Zweite Weihnachtsfeiertag bedeutete noch für eine Reihe weiterer TänzerInnen Debut-Anspannung. Bei Rachele Buriassi, die sich bereits zu Beginn der Spielzeit als kesse Kitri behauptet hatte, ist die kurze, aber mit herausfordernden Balancen gespickte Aufgabe der Königin der Dryaden im zweiten Akt eine absolut sichere Bank zwischen der von passend verlockender Lebensfreude erfüllten Straßentänzerin Mercedes. Roman Novitzky fehlt für den Torero wie den allermeisten die ideale äußere Erscheinung, dafür aber nicht die ununterbrochene Strenge an Haltung und begleitend stolzer Ausstrahlung.
Miriam Kacerova bewies als Kitris Freundin Eva soviel Standsicherheit, dass sie durchaus in der Warteschleife für die Hauptrolle gesehen werden kann.
Während Brent Parolin die Blasiertheit des reichen Verehrers Camacho trefflich dosiert ausspielte, schoss Louis Stiens bei seinem ersten Sancho Pansa im komödiantischen Übereifer mit mimisch-choreographischer Improvisation zu weit über das Ziel hinaus – da muss künftig gestutzt und geschliffen werden. Den Erfolg beim Publikum vermochte dies kaum einzuschränken.
Bereits am 21.12. kam es zur ausfallbedingt neuen Paar-Kombination von Alicia Amatriain und Jason Reilly. Ihr Einsatz zeugte von ebenso großer Vertrautheit, nur dass seine Wärme und sein Spaß am Basilio auf eine ihrerseits manchmal mechanisch abgerufene Interpretation stieß. Der Fairness halber darf nicht unterschlagen werden, dass ihre anfänglichen kleinen technischen Schwächen im Grand Pas de deux des 3.Aktes wie weggeblasen waren und dieser zum erwünschten Höhepunk wurde, in dem sich beide gegenseitig zu Höchstleistungen aufschaukelten.
An diesem Abend war die Gruppentänzerin Ami Morita mit der Doppelrolle Mercedes/Dryadenkönigin betraut, wobei ihre etwas zurückhaltend stille Art bei gleichzeitig würdiger Eleganz zweiterer weitaus mehr entgegenkommt. Als Zuckerln dieser Vorstellung entpuppten sich erwartungsgemäß die mit kaum noch zu übertreffender Filigranität und Spitzen-Elastizität begeisternde Elisa Badenes als Eva (begleitet von der kaum weniger brillanten Freundin Angelina Zuccarini sowie Daniel Camargo mit seinem mitreißend knackig hingelegten Solo als Zigeunerprinz.
Insgesamt überzeugende Gestaltungen der übrigen Partien in alternativen Besetzungen, sowie der schmissig zupackende Einsatz des Corps de ballet wie auch des von James Tuggle abwechselnd straff und klangschön geführten Staatsorchesters Stuttgart rundeten diese beiden Wiedergaben ab.
Udo Klebes