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STUTTGART: DIE KAMELIENDAME

Mit vielem Rollen-Nachwuchs


Jugendlich unbeschwertes Glück:   Miriam Kacerova und Marti Fernandez Paixa. Copyright: Stuttgarter Ballett

 

Stuttgarter Ballett: „DIE KAMELIENDAME“ 24.1.2019 – mit vielem Rollen-Nachwuchs

Nach der Wiederaufnahme mit reifen und erfahrenen Protagonisten gehörte John Neumeiers mit Rückblenden dramaturgisch fein geknüpfte Adaption des berühmten Dumas-Stoffes für die Ballettbühne an diesem Abend in allen Rollen der nachgewachsenen Tänzer-Generation.

Das neue Hauptpaar ging die Herausforderung langsam, sehr sorgsam auf die vielen kleinen gestischen und mimischen Details des 1.Aktes bedacht an und steigert sich je mehr der Tanz choreographisch bedingt Besitz von ihnen ergreift und an Fahrt und Zuspitzung gewinnt. So erwecken die erste Begegnung des Paares und der erste Pas de deux den Eindruck des noch buchstabierten Aneinanderreihens, die Poesie der Musik von Chopin findet noch keine durchgehende Entsprechung. Dabei begingen beide, Miriam Kacerova und Marti Fernandez Paixa, nicht den Fehler zu outrieren, sie ließen ihre natürliche Ausstrahlung wirken und konnten dabei beide auf ein generelles Bühnen-Charisma bauen, mit dem schon ein Teil des Ganzen gewonnen ist. Im nächsten Pas de deux auf dem Land kommt ihr gemeinsames Glück leicht zum Tragen, ohne den Unglück ahnenden Ernst ihrer Vorgänger. Eine tiefere Emotionalität bricht sich mit dem einschreitenden Monsieur Duval Bahn, in dem auf wesentliche Schritte und Gesten beschränkten Pas de deux herrscht eine unterschwellige Spannung, eine Intensität des körperlichen Kommunizierens, an dem die technisch so unauffällige, fraulich weiche Kacerova und der charakterstarke, Strenge und Güte vereinende Roman Novitzky gleichermaßen Anteil haben. Paixa gibt seinem Zorn über ihren überstürzten Abschied mit viel Sprung-Attacke hinreichend Ausdruck, im letzten Pas de deux mit der noch einmal zurück kehrenden Marguerite legten beide auf Augenhöhe miteinander noch einen Zahn zu, doch ihre Körper waren noch nicht so verschweißt, um das völlige Loslassen und damit die mitreißende Kraft des Entfesseltseins zu erreichen. In hoffentlich einigen weiteren Auftritten wird es ihnen sicher auch gelingen, denn die Chemie stimmte spürbar, gerade auch in beider Sinn für den Verzicht auf Affektiertheiten.


Tragisch umwehtes Glück: Miriam Kacerova und Marti Fernandez Paixa. Copyright: Stuttgarter Ballett

Bis zuletzt zeigt Kacerova Lebenswillen, ihr Zusammenbruch kommt urplötzlich. Ihr Spiegelbild Manon hatte es ihr prophezeit, von Ami Morita leicht umdüstert und mit aparter Größe getanzt. An ihrer Seite machte Gruppentänzer Clemens Fröhlich als Des Grieux in seiner ersten Solorolle gute, in klarem Stil und konzentrierter Gestaltung überzeugende Figur. Der noch aus seiner Ballettschulzeit als Jung-Edward in Bintleys Historienballett in guter Erinnerung gebliebene Tänzer ist nach einem Zwischenengagement in Amsterdam wieder in seine Ballett-Heimat zurückgekehrt und wie zu sehen auf dem Weg nach oben.

Spielerisch elegant empfahl sich Daniele Silingardi als Gaston, stets begleitet von Prudence, der Daiana Ruiz eine starke künstlerische Potenz als souveränes Gesamtpaket verleiht und dabei mal nicht die sonst dominierende komödiantische Schiene bedient. Blasser als gewohnt, wenn auch virtuos auf Spitze, bleibt Aurora De Mori als Olympia. Auch dezenter als meist ist Shaked Hellers wenig spielastischer, aber mit federnden Sprüngen ausgestatteter Graf  N. Fraser Roach ist ein recht arroganter Herzog, Angelika Bulfinsky eine als einzige bis in die kleinste Wendung rollenerprobte Kammerfrau Nanina.   

Das Corps de ballet hat an Lockerheit und szenischer Identifikation zugelegt. Noch nachzutragen ist die Entdeckung von George Bailey unter den Statisten. Der langjährige und dann klanglos in den Ruhestand gegangene Ballett-Korrepetitor versieht als bestens in die Choreographie eingeweihter Auktionshelfer zuverlässigste Dienste.

Die vier Pianisten der WA-Premiere vor einer Woche waren wieder ebenso stimmungsreich am Werk wie es das Staatsorchester Stuttgart unter James Tuggle  souverän begleitete

Udo Klebes

 

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