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STUTTGART: DER FREISCHÜTZ

Frischer Wind in romantischem Rahmen

19.05.2018 | Allgemein, Oper


Lauryna Bendziunaite (Ännchen) und Mandy Fredrich (Agathe). Copyright: Martin Sigmund

 

Stuttgart

„DER FREISCHÜTZ“ 18.5.2018 – frischer Wind in romantischem Rahmen

Auch die im Herbst beginnende Direktion von Viktor Schoner wird nicht auf die älteste noch bestehende Inszenierung der Stuttgarter Oper verzichten, so dass dieser 164. Vorstellung in gut 37 Jahren seit der Premiere im Oktober 1980 zum Glück noch weitere beschieden sein werden. Ein mit erfreulich vielen jungen Besuchern, auch Kindern, besetztes Opernhaus verfolgte an diesem Abend mit spür- und hörbarer Faszination die kraftvolle Bildersprache Achim Freyers, die das Stück in seiner angestammten (Natur-)Umgebung belässt, sie nur mit expressiven alptraumhaften Erscheinungen, einer zeichenhaften Gestik und ironischen Anzeichen erweitert hat. Was einst heftig umstritten war, wird heute gegenüber so mancher Sinn entleerenden Verfremdung wohltuend empfunden und bestaunt. In diesem Zusammenhang ein großes Lob an Nina Dudek, die bei der szenischen Leitung dieser Wiederaufnahme-Serie auf die Wahrung aller Regie-Details bis hin zu den Komparsen geachtet hat.

Musikalisch lag diese Neueinstudierung in den Händen von Daniele Rustioni, Chefdirigent der Oper von Lyon, gefragter Gast an den bedeutendsten Häusern und Stuttgart bislang durch äußerst beglückende Verdi-Dirigate verbunden. Umso größer war nun die Spannung auf seinen Umgang mit deutschem Repertoire, ja der deutschen romantischen Oper schlechthin. Der Enthusiasmus, mit dem er sich den Werken seiner Muttersprache hier gewidmet hat, macht sich auch bei Weber in einer lebendigen Gangart, in einer sowohl auf prachtvoll herausgearbeitete Details, warm seidige Streicher und einen federnden Rhythmus bedachten Wiedergabe bemerkbar. Mit dem komprimiert an einem Strang ziehenden und erlesen in den Soli wie kompakt in den Tutti agierenden Staatsorchester Stuttgart realisierte er eine Interpretation, die eine ideale Mitte zwischen insgesamt zügigen Tempi und dennoch ohne Hasten ausmusizierten Ruhepunkten aufweist. Die Hörner seien hier ebenso hervor gehoben wie das betörend weich und duftige Cello-Solo in Agathes Kavatine. Auf diesen Dirigenten sollte auch die neue Direktion nicht verzichten und ihn neben einem geplanten Symphoniekonzert auch weiterhin für die Oper gewinnen.

Der Staatsopernchor machte seinem Ruf und seiner mehrfachen Auszeichnung auch diesmal wieder alle Ehre. Ein fein abgestimmter Zusammenklang aller Stimmen wie auch deren Auffächerung bildete die Basis für die beiden die Oper umrahmenden Ensemble-Szenen, wobei der Jägerchor mit der köstlichen Präsentation unterschiedlichster Typen erneut zum Höhepunkt wurde. (Einstudierung: Johannes Knecht).

Im größtenteils neuen Sänger-Ensemble gab es mit dieser Serie gleich mehrere Rollendebutanten. Mandy Fredrich ließ sich zwar ebenso wie die Interpreten von Max und Ännchen mit einer noch nicht ausgestandenen Erkältung ansagen, aber letztlich am allerwenigsten eine Beeinträchtigung hören. Gerade ob solcher Umstände ist die Leichtigkeit ihrer Stimmführung, ihr klarer Stimmansatz in allen Lagen, generelle Eigenschaften ihres hellen, etwas neutralen Soprans, besonders zu bewundern. Ihre beiden Solo-Nummern entfalteten eine dichte Stimmung. Lauryna Bendziunaite präsentierte sich wieder als selbstbewusstes Ännchen und glänzte vor allem mit strahlend durchschlagenden Höhen, während es um die tieferen Bereiche nicht so gut bestellt war.

Daniel Kluge ist das beachtliche Beispiel, wie auch mit entsprechenden charaktertenoralen Mitteln lyrisches Legato und eine jugendlich dramatische Tonqualität erarbeitet werden kann. So schaffte er es sein eher etwas herbes Timbre beim „Gang durch Wälder und Auen“ weitgehend zurück zu drängen und auch in den kraftvolleren Momenten eine entsprechende Tonfülle zu erzielen. Im Spiel trifft er den verzagten, aber auch aufbrausenden Jägerburschen überaus glaubhaft. Simon Bailey Kaspar ist aufgrund seiner Körpergröße äußerst präsent und bewältigt den Part mit prägnanter Artikulation technisch gesehen respektabel, doch fehlt ihm mit sehr hellem, fast tenoralem Timbre und wenig Tiefensubstanz das dunkel Abgründige des mit dem Bösen paktierenden Jägers fast völlig.

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Die bildkräftige Final-Szene. Copyright: Oper Stuttgart/Martin Sigmund

Die Sprechstimme in der hier vor der Ouvertüre gezeigten, für das Verständnis der Handlung aufschlussreichen Szene zwischen dem Eremiten und Agathe entbehrt wohl noch des Würdevollen und Gesetzten einer höheren Instanz, bei seinem markanten finalen Auftritt entfaltet David Steffens seinen Bass dann mit einer erfreulich grundierten Resonanz bei gleichzeitig leichtem Tonansatz. Ashley David Prewett ist ein solider Fürst Ottokar, Karl-Friedrich Dürr der bewährt charakterstarke Kuno und Michael Wilmering aus dem Opernstudio ein idealer Spielbariton als Kilian.

Viel Begeisterung für das gesamte Ensemble und den Dirigenten, die er dankbar auch an die Soli-Musiker des Staatsorchesters weiterreichte.

 Udo Klebes

 

 

 

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