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STUTTGART/ Ballett: „MAYERLING“ – im Zeichen mehrerer weiblicher Debuts

Stuttgarter Ballett: „MAYERLING“ 24.6. – im Zeichen mehrerer weiblicher Debuts

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Rocio Aleman (Gräfin Larisch) mit Magdalena Dziegielewska (Baronin Vetsera). Copyright: Stuttgarter Ballett

Diese Vorstellung von Sir Kenneth MacMillans Gipfelwerk an Pas de deux hatte hinsichtlich einiger neuer Damen-Besetzungen teilweisen Premierencharakter. Dennoch ist zunächst der Hauptrollen-Darsteller Jason Reilly zu würdigen, weil der kanadische Kammertänzer nach einer mehr aufs Technische fokussierten Rollenbewältigung vor drei Jahren nun spürbar tiefer in den gespaltenen Charakter des Kronprinzen Rudolf eingedrungen ist und uns die immer weiter wachsende Verzweiflung über den ihm vorbestimmten Lebensentwurf und den seelischen Verfall jetzt plastischer und nuancierter sichtbar werden läßt. Er geht zwar nicht bis an die Grenzen zum Wahnsinn, erschüttert aber kaum weniger in seiner emotionalen Dichte. Getragen von der auch im Spätstadium der Karriere immer wieder aufs Neue verblüffenden konditionellen Verfassung und ausgeprägt geschickten und flexiblen Einstellung auf nicht weniger als sechs verschiedene Partnerinnen sitzt da jeder Griff, funktioniert die sekundenschnelle Reaktion auf sehr unterschiedliche Bedürfnisse in den Pas de deux wie aus dem ff.

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Jason Reilly (Rudolf) und Agnes Su (Mary). Copyright: Stuttgarter Ballett

Für Agnes Su ist die Mary Vetsera das vierte Hauptrollen-Debut innerhalb dieser Saison. Nachdem sie bereits als Tatjana, Aurora und Katharina auf Anhieb selbstverständliche Souveränität in allen Anforderungen bewiesen hat, zeigt sie sich auch als Todesgenossin Rudolfs von einer so leichten Identifikations-Hingabe. Anfangs noch eher schüchtern und unterwürfig blüht sie schnell zur mittreibenden Kraft verherrlichter Selbstmord-Gedanken auf. Und sie profitiert natürlich von Reillys Top-Zuverlässigkeit speziell in den waghalsigen Flug- und Fallaktionen in den Pas de deux. Eine steile Karriere, die in dieser hoffentlich keine Überforderung zeitigenden Rollenhäufung eher selten ist.

Rocio Aleman ist eine bezaubernd damenhafte, sehr feine wechselhafte mimische Anzeichen setzende Gräfin Larisch mit untadelig klarer Linie, Joana Romaneiro Kirn die erstmals aus dem Corps de ballet heraus solistisch geforderte, schon recht persönlichkeitsstarke Kaiserin Elisabeth, deren technisch nicht sonderlich anspruchsvolle choreographische Anlage indes ideal für aufstrebende Tänzerinnen ist.

Daiana Ruiz lässt als Mizzi das halbseidene Flair vermissen, bleibt in Tanz und Gestaltung wohl akkurat, aber zu fein, zu sauber. Aurora De Mori ist die bildhübsch entzückende, im Pas de deux bemitleidenswert zarte und sich doch so unbeirrt hinein stürzende Prinzessin Stephanie, Vittoria Girelli ihre zuerst geschmeichelte und dann doch beschämte Schwester Louise.

Alexander McGowan, Timoor Afshar, Marti Fernandez Paixa und Noan Alves erreichen als die vier ungarischen Offiziere nicht ganz die stürmische Vehemenz und Ungestümheit der Kollegen. Fabio Adorisio serviert als Bratfisch dessen beide Soli nicht ganz so locker, stattdessen aber mit mehr persönlicher Würze und Charakter-Festigkeit.

Zusammen mit den bewährten Vertretern der Kleinrollen, dem Corps de ballet und dem Staatsorchester Stuttgart unter Wolfgang Heinz rundet sich auch diese Besetzungs-Variante zu einer nachhaltig fesselnden Gesamtleistung.

Udo Klebes

 

 

 

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