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STUTTGART/ Ballett: DORNRÖSCHEN – Zauber eines Ballettmärchens

STUTTGART / Ballett: „DORNRÖSCHEN“ am 03. und 05.10.2015
– Zauber eines Ballettmärchens

Dornröschen 01
Zauber eines perfekten Märchens: das Stuttgarter Ensemble glänzt bei Auroras Hochzeit auch dank Bühnenbild und Kostüme von Jürgen Rose   Foto: Stuttgarter Ballett

Begonnen hat die neue Spielzeit beim Stuttgarter Ballett zwar durch John Neumeiers „Endstation Sehnsucht“ mit einem Drama, dessen Inhalt und Intensität nur schwer zu ertragen sind. Umso erfreulicher, dass das zweite Stück, das wieder aufgenommen wurde, Marcia Haydées „Dornröschen“, gegensätzlicher kaum sein kann und somit im wohltuenden Kontrast steht.
Die Sommerpause scheint die gesamte Compagnie neu beflügelt zu haben, denn an gleich zwei fast hintereinander liegenden Abenden, zeigte sie das Stück nach dem beliebten Märchen von Charles Perrault in glänzender Manier.

Hyo-Jung Kang
zählt schon zu den erfahrenen Aurora-Darstellerinnen, dennoch erfüllt sie jedes Mal aufs Neue die Rolle mit ansteckender Frische und neuen Akzenten: entzückend als lächelndes, lebensfrohes Mädchen, dezent zurückhaltend als transzendent wirkende Vision, und befreit strahlend zum Schluss als verliebte Braut. Möglich ist dieses Spiel mit dem Ausdruck natürlich nur dank ihrer hervorragenden Technik, die es ihr ermöglichen, selbst mit dem Rosen-Adagio – für andere vielleicht eine schweißtreibende Zitterpartie – nach Belieben zu spielen und mit den werbenden Prinzen (darunter erheiternd als beleidigter Prinz des Südens Martí Fernandez Paixa und mit der richtigen Note beim Rollendebüt als Prinz des Ostens Fabio Adorisio) auf unterschiedliche Weise zu kokettieren. Kang mag somit durch glückliches Zusammenspiel von jugendlichem Erscheinungsbild, Technik, Musikalität und Ausstrahlung derzeit DIE Prinzessin Aurora beim Stuttgarter Ballett sein. Vielleicht ist es auch ihr zu verdanken, dass Daniel Camargo, der an dem Abend an Stelle des verletzten David Moore als Prinz Desiré einsprang, noch mehr Leichtigkeit in der Rolle gewann. Manchmal steht sich der junge Camargo mit seiner überschwänglichen Art nämlich selbst im Weg und zeigt Unsicherheiten an Stellen, die er normal im kleinen Finger hat. Keine Spur davon an dem Abend, an dem er im 3. Akt, wo er nach dem schwierigen ersten Solo, in dem er alle Sprünge und Drehungen genau auf den Punkt getanzt hatte, sich selbst das Lächeln über seine tolle Leistung nicht verbergen konnte. Obwohl er die Rolle normalerweise nicht mit Kang tanzt, glänzte er auch als sicherer Partner und so konnten sich beide gemeinsam bis zum finalen Pas de deux immer mehr steigern.

Mit der Rolle der Fee Carabosse ist Jason Reilly schon bestens vertraut, die vielen schnellen Drehungen wirbelt er somit sehr effektvoll und die hohen Sprünge unterstreichen seine enorme Bühnenpräsenz, die durch den schwarzen Umhang, die langhaarige schwarze Perücke und die furchterregende Begleitschaft noch verstärkt werden. Weder Frau noch Mann oder beides gleichzeitig darstellend, versteht es Reilly genau den Kabuki zu zeigen, den Haydée mit dieser Rolle kreiert hat. Bei so einer Carabosse verlangt es einiges, um als Fliederfee das Gegengewicht zu halten, doch Myriam Simon versteht es durch eine ruhige Ausstrahlung, wie aus der Transzendenz heraus, das Symbol für den Sieg des Guten entsprechend zu verkörpern.
Auroras Hochzeit lässt die Märchenwelt neu aufleben, unter anderem mit Ali Babas spektakulären Soli (mit viel Elan in der neuen Rolle, jedoch besorgniserregend schräg gelandeten Schraubendrehungen Pablo von Sternenfels), seinen Edelsteinen (geführt von Agnes Su beim Rollendebüt als Rubin), dem blauen Vogel (mit tollen Flügel-Armen, dennoch etwas flach wirkenden Constantine Allen), sowie vielen anderen bunten Gestalten, von denen vor allem die sieben Zwerge, dargestellt von sehr jungen Schülern der John Cranko Schule, stets das Publikum begeistern.

Zwei Tage später tanzte sich Daniel Camargo in der Rolle des Prinzen noch mehr frei – manchmal ist die Stuttgarter Bühne für den technisch hochbegabten Brasilianer schlicht und einfach zu klein, wie in einem der Soli aus dem 3. Akt, wo er die Sprünge locker auch in deutlich größerem Kreis drehen könnte und sich deshalb bremsen muss. Sein Desiré ist eher der bodenständige Prinz als der noble Adelige, diese Interpretation ist für die Rolle jedoch eine gelungene Abwechslung. Mit Elisa Badenes hatte Camargo an dem Abend wieder seine gewohnte Aurora zur Seite. Bereits in der Vision im 2. Akt merkt man, dass die beiden bereits ein eingespieltes Team sind. Sehr sicher und stimmig wirken sie stets in den Pas des deux, Badenes kann somit in den Hebefiguren noch mehr strahlen. Die Rolle der Aurora liegt der kleinen Spanierin sehr: ob als verspieltes Mädchen, als leuchtende Vision oder vor Glück überschäumende Braut, Badenes erfüllt die Bühne mit Esprit und viel Charme. Auch bei ihr bewundert man die tadellose Technik, vor allem im Rosen-Adagio, in dem sie durchgehend nahezu unbewegt die Attitude derrière hält.

Dornröschen 02
Unrecht ist geschehen, das Böse lässt sich nicht besänftigen: Robert Robinson als vielfältige Carabosse, Helmar Paulokat als König        Foto: Stuttgarter Ballett

Gelungene Rollendebüts bei den Feen (Agnes Su, Fee des goldenen Weins und Anouk van der Weijde, Fee des Waldes und der Wiesen) sowie bei Ali Baba (Marti Fernandez Paixa, ohne der spektakulären Schraubensprünge, doch zugunsten der Ausstrahlung), eine Carabosse (mit immer mehr Gespür für die Rolle Robert Robinson), die sich nicht besänftigen lässt und weitere Phantasiegestalten, die immer wieder faszinieren – das alles sind weitere Zutaten für ein verzauberndes Ballettmärchen, das durch Jürgen Roses farbprächtig strahlendem Bühnenbild und Kostüme perfekt in Szene gesetzt wurde.

Das Staatsorchester Stuttgart begleitete unter der Leitung von James Tuggle stets sicher durch die langen Tschaikowsky-Stücke. Viel Applaus und Begeisterung für das gesamte Ensemble, das sich an den beiden Abenden von der besten Seite zeigte. 

 Dana Marta
   
           

 

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