Stuttgarter Ballett
„DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG“ 30.9. 2013 – Cranko in Gold
Herrlich komisch aufeinander eingespielt: Sue Jin Kang (Katharina) und Filip Barankiewicz (Petrucchio). Copyright: Stuttgarter Ballett
In rund zehn Jahren haben Sue Jin Kang und Filip Barankiewicz Katharina und Petrucchio in zahlreichen Aufführungen nicht nur in Stuttgart, auch auf Gastspielen in aller Welt getanzt und zählen für viele Tanzliebhaber als die schlichtweg ideale Besetzung dieses so herrlich mit den gleichen Mitteln kämpfenden und zuletzt beispielhaft vorangehenden Paares. Wer die beiden auch an diesem Abend im Rahmen einer neuen Aufführungsserie erlebt hat, mag sich nur das eine zu wünschen: sich endlich auf einen DVD Mitschnitt mit Goldrahmen für die Ewigkeit freuen zu dürfen.
Die beiden Ersten Solisten werfen sich gegenseitig die unzählbaren Bälle an Situationskomik und tiefgehender Läuterung zu, vertrauen sich in jedem noch so heiklen technischen Moment bedingungslos und blind, und erfassen dabei die Charaktere in ihrem weiter fortgeschrittenen Reifeprozess, unterstützt von ihrer warmen herzhaften Ausstrahlung, in einer Natürlichkeit, einer in jedem Moment goldrichtigen Dosierung von Lust und Empfindung, der sich wohl kaum jemand zu entziehen vermag. Daraus resultiert auch eine stets neu belebte Spontaneität, der wiederum viele neue Nuancierungen und Details in der Gemeinsamkeit entspringen, die Crankos choreographische Größe auszeichnet. Bei einer so totalen tänzerisch-spielerischen Verschweißung bedeutet ein gegen Ende nicht zu übersehendes konditionelles Schwächeln keine Einschränkung. Es darf ganz ehrlich gesagt werden, dass altersbedingt an die Stelle einer technisch nicht mehr ganz mühelosen (Kang) und einer nicht mehr ganz so spektakulären Form (Barankiewicz) eine umso wertvollere, ausgereifte und noch tiefer in Shakespeares und Crankos Geist eindringende Rollenauslebung getreten ist.
Zur höchsten Lust geriet die Aufführung auch dank eines Umfeldes, das keine Schwachpunkte aufzuweisen hatte. So wie Hyo-Jung Kang und Marijn Rademaker Bianca und Lucentio mit viel jugendlicher Frische und Witz in technisch gelöster Form mit einem traumhaft fließend ausbalancierten Pas de deux als Höhepunkt beleben, ist jede Spur einer beim zweiten Paar schon erlebten Fadesse verflogen.
Mit einer noch köstlicheren, feineren Schusselkomik und dabei doch menschlich durchscheinenden bemitleidenswerten Jämmerlichkeit wie bei Arman Zazyan ist der verschnupfte Geck Gremio nicht denkbar – ein Tölpel, den man gerne ins Herz schliesst.
Und dennoch hat Damiano Pettenella daneben als eitler Hortensio mit trockener Humorigkeit keinesfalls das Nachsehen. Zwei ganz große komödiantische Talente, die ihre Liebesrivalität zu reichlich Spaß untereinander nutzen.
Oihane Herrero und Daisy Long (Freudenmächen), Rolando d’Alesio (Baptista) und Matteo Crockard-Villa (Wirt+Priester) komplettierten die Vorstellung ebenso zum Vergnügen wie Wolfgang Heinz, der dem Staatsorchester Stuttgart sowohl sprühende Laune als auch strömende Emotionalität zu entlocken vermag.
Heiter gelöste Stimmung während des Abends endete zuletzt in rauschendem Beifall.
Udo Klebes