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STUTTGART / Ballett: „ALLES CRANKO“ – mit extra viel Hingabe

Stuttgarter Ballett

„ALLES CRANKO!“ 26.6.2015 – mit extra viel Hingabe

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Mit extra duftiger Note: Elisa Badenes und Daniel Camargo im Pas de deux „Aus Holbergs Zeit“. Copyright: Stuttgarter Ballett

 Es schien als wollten sich die Stuttgarter Tänzer am Todestag John Crankos (42. Wiederkehr) besonders ins Zeug legen, um ihres verehrten Gründervaters mit besonders viel Animo und Intensität würdevollst zu gedenken.

Einer hatte für diesen Abend gar ein Rollendebut erarbeitet, das insofern ein besonderes war, als der Corps de ballet-Tänzer Adam Russell-Jones  damit erstmals solistisch ins Blickfeld rückte (mal abgesehen von seiner Nebenrolle in „Endstation Sehnsucht“ eine Woche zuvor, die allerdings nicht so viel Beurteilungs-Potenzial bietet). Der Brite war jedoch bereits mehrfach in der Gruppe durch besondere Präzision und leichte Bewegungs-Effektivität aufgefallen, so auch an diesem Abend wieder im eröffnenden „KONZERT FÜR FLÖTE UND HARFE“, wo die Männer mit der sonst den Frauen überlassenen Bravour des sogenannten „Weißen Balletts“ konfrontiert sind und erneut bemerkenswert kongruent und kontinuierlich mit Mozarts reichhaltiger und paradiesisch anmutender Musik Schritt halten konnten.

Es gab also guten Grund Russell-Jones testweise mit einer größeren Herausforderung zu betrauen. Das „E“ in „INITIALEN R.B.M.E.“ ist durch Widmungsträger Egon Madsen zusätzlich vorbelastet, in erster Linie müssen jedoch die technischen Vorraussetzungen stimmen, und da behauptete sich der noch nicht lange aus der Schule zur Stuttgarter Compagnie gehörende Tänzer als wahrer Perfektionist. Die Kette von Kombinationen verschiedenster Sprung-Varianten zeichnete sich bei ihm durch eine auffallend lockere Agilität aus, die Beine  klappten zündend gleichmäßig wie eine Schere auseinander und wieder zusammen. Begleitet wurde diese unbeschwert sichere Präsentation durch eine natürliche und die gute Laune dieses Abschnitts widerspiegelnde Mimik. Jetzt wären nur noch die Zwischentöne des Humors zu finden, freizulegen und im Tanz mitschwingen zu lassen. Ein sehr erfreulicher Einstand und damit die Option für einen Aufstieg in Andersons starke, in letzter Zeit allerdings einige herbe Verluste erlittene Herren-Mannschaft.

Wie schon erwähnt stand die Aufführung im Zeichen verstärkten Einsatzes, wobei zwei Erste Solisten mal wieder speziell herausragten: Elisa Badenes und Daniel Camargo. Der Pas de deux „AUS HOLBERGS ZEIT“ war ihr neuestes Werk, dem sie mit einem Höchstmaß an Elastizität bei der Verknüpfung schwierigster Anforderungen eine extra duftige Note verliehen und so Griegs atmosphärische Streicherklänge noch mehr als sonst vom Boden abheben ließen. Elisa Badenes wiederholte außerdem im erst genannten Stück an der Seite des kaum weniger leichtfüßigen Alexander Jones, der Stuttgart leider mit dem Saisonwechsel Richtung Zürich verlassen wird, ihre Demonstration einer faszinierend quecksilbrig virtuosen Beinarbeit. Camargo wiederum stürzte sich mit überrumpelnder draufgängerischer  Vehemenz in die Initiale „R“, dass die mehrfachen unendlich langen Drehkaskaden ein fast beängstigendes Sturm- und Drang-Tempo erreichten. Da ging einer wirklich aufs Ganze.

Das „OPUS 1“ (mit von Weberns Passacaglia als ausdrucksgewaltiger Basis) ergänzte mit Anna Osadcenko und Jason Reilly in einer ihrerseits expressiven und seinerseits berührenden Interpretation dieses allein schon musikalisch gesehen sehenswerte Cranko-Programm. Auch die dafür bewährten Zuständigen zeigten sich geschlossen in Geberlaune, so dass einem stürmischen Erfolg nichts im Wege stand.

 Udo Klebes

 

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