Opéra national du Rhin in Straßburg: „Les Huguenots“ von Giacomo Meyerbeer (Vorstellung: 20. 3. 2012)
Als Marguerite de Valois bot Laura Aikin eine überzeugende Leistung (Foto: Alain Kaiser)
Die in Kooperation mit dem Théâtre La Monnaie in Brüssel geschaffene Produktion der fünfaktigen Oper „Les Huguenots“ von Giacomo Meyerbeer, die von internationalen Fachjournalisten zur besten Opernproduktion des vergangenen Jahres gekürt wurde, wird seit 14. März 2012 mit großem Erfolg an der Opéra national du Rhin in Straßburg gezeigt – und zwar mit französischen und deutschen Übertiteln! Die Uraufführung des monumentalen Werks, das zur Zeit der Bartholomäusnacht im August 1572 spielt und mehr als vier Stunden dauert, fand 1836 in Paris statt. Die Handlung, deren Text von Eugène Scribe und Émile Deschamps nach Prosper Mérimées Roman La chronique du règne de Charles IX verfasst wurde, kann man in der am 16. Juni 2011 von der Online-Redaktion des „Neuen Merker“ veröffentlichten Rezension der Brüsseler Aufführung nachlesen.
Die packende und ästhetische Inszenierung von Olivier Py erreichte auch an der Opéra du Rhin eine atmosphärische Dichte, die das Publikum von Akt zu Akt mehr in den Bann zog. Sie bestach sowohl durch die exzellente Personenführung des Regisseurs wie auch durch ihre vielen dramatischen und erotischen Szenen. Manche Zuschauer mag gestört haben, dass als Waffen stets hölzerne Kreuze verwendet wurden, doch es faszinierte, mit welcher Konsequenz in dieser Inszenierung gezeigt wird, wie das Kreuz den Menschen immer wieder Leid, Vernichtung und Tod bringt. Interessant auch die Idee, in stummer Rolle die intrigante und berüchtigte Giftmischerin Katharina von Medici, die Mutter des Königs, in die Handlung einzubauen, die mit einem Vertreter der Kurie die Mordnacht einfädelt. Dadurch erhält die entsetzliche Tragödie der Hugenotten noch einen zusätzlichen beklemmenden Effekt.
Für die mittelalterliche Atmosphäre sorgten das metallene Bühnenbild, das sich durch die Drehbühne effektvoll verwandeln ließ, und die dazu gut passenden Kostüme von Pierre-André Weitz. Für die teils grellen Lichteffekte, die anfangs auf eher unangenehme Art das Publikum blendeten, zeichnete Bertrand Killy verantwortlich.
Das Sängerensemble war bis zur kleinsten Rolle exzellent besetzt. An erster Stelle muss Gregory Kunde genannt werden, der die schwierige Partie des Hugenotten Raoul de Nangis auf beeindruckende Weise bewältigte. Bis zur letzten Szene verlor seine helle Tenorstimme nichts an ihrer Leuchtkraft! Auch darstellerisch bot er eine ausgefeilte Leistung, wie zum Beispiel in der von Erotik knisternden Liebesszene mit Marguerite de Valois und im Schlussakt, in dem er seine Zerrissenheit zwischen Pflicht und Liebe eindrucksvoll darstellte.
Ebenso großartig – stimmlich wie schauspielerisch – die Sopranistin Laura Aikin als Marguerite de Valois. Wunderbar gesungen war ihre Arie O beau pays de la Touraine (O schönes Land Touraine) und ihr Duett mit Raoul Beauté divine (Himmlisch Schöne). Für ihre erotische Darstellung der Liebesszene mit dem Hugenotten erhielt sie zu Recht Szenenbeifall. Nicht minder eindrucksvoll die Leistung der Sopranistin Mireille Delunsch als Valentine, die besonders im letzten Akt berührt, als sie sich aus Liebe zu Raoul zum Protestantismus bekehrt und dadurch ihm in den Tod folgt. Erschütternd, wie sie mit zum Himmel gereckten Kreuz erschossen wird. Beeindruckend auch die knabenhaft wirkende Mezzosopranistin Karine Deshayes als Page Urbain, die nicht nur in der Briefszene mit komödiantischem Spiel zu gefallen wusste, sondern auch stimmlich alle Anforderungen ihrer Rolle glänzend bewältigte. Köstlich ihre Kavatine Nobles Seigneurs (Edle Herren).
Den Grafen von Saint-Bris stellte Philippe Rouillon dar, der mit markiger Bassstimme seinen leidenschaftlichen Hass auf die Hugenotten so grauenerregend ausdrückte, dass es einem kalt über den Rücken lief. Als Comte de Nevers und Ehemann von Valentine hatte der Bariton Marc Barrard im vierten Akt seine stärkste Szene, als er sich gegen die anderen katholischen Adeligen stellt und sich weigert, am Massaker an den Hugenotten teilzunehmen. Marcel, den bis in den Tod treuen Diener Raouls, stattete der Bass Wojtek Smilek mit sonorer Stimme – glänzend das Hugenottenlied Piff-Paff – und Bühnenpräsenz aus.
Es sei nochmals erwähnt, dass auch die vielen kleineren Rollen sehr gut besetzt waren und zum Erfolg der Aufführung genauso beitrugen wie der exzellente Chor der Opéra national du Rhin, der durch sein enormes Stimmvolumen beeindruckte (Leitung: Michel Capperon).
Das Orchestre philharmonique de Strasbourg wurde von Daniele Callegari geleitet, der mit großem körperlichen Einsatz dirigierte und die atmosphärisch wirkungsvolle, packende Partitur des Komponisten, die den glühenden religiösen Fanatismus genauso brillant illustriert wie die ausgelassene weltliche Lebensfreude, in allen Facetten zur Wirkung brachte und so für einen musikalisch großen Opernabend sorgte. Das begeisterte Publikum feierte alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall, zahlreichen Bravi-Rufen und rhythmischem Applaus.
Udo Pacolt, Wien – München
PS: Die „Hugenotten“ werden in Straßburg noch am 24. und 28. März gespielt, ehe die Produktion nach Mühlhausen übersiedelt, wo sie am 13. und 15. April auf dem Programm steht.