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Stefan Müller: der kleine metternich

12.04.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch metternich 2 v~1

Stefan Müller
der kleine metternich
Eine fürstliche Biografie
160 Seiten, Molden Verlag in Verlagsgruppe Styria. 2023 

Sogar das Buch ist „klein“ gehalten, gebunden zwar, aber im Taschenbuch-Format. Und übersichtlich schmal, wenn man bedenkt, wie voluminös Biographien bedeutender Persönlichkeiten normalerweise einher kommen. Und damit man auch weiß, dass alles hier klein sein soll, wird sogar der Titel klein geschrieben…

Der Molden-Verlag hat ein neues Konzept entwickelt und den Blickwinkel auf Persönlichkeiten von gestern geändert. Betrachtungs- und Schreibweise sind heutig, und dass die einst in der Vergangenheit als „groß“ Erachteten in unseren Augen nicht mehr unbedingt so groß sind, das zeigt die neue Reihe über die „Kleinen“ (casanova, rasputin und doderer sollen angeblich folgen).

Den Auftakt macht Clemens Wenzel Fürst Metternich (1773-1859), zu seiner Zeit lange einer der wahrlich mächtigsten und wichtigsten Männer Europas. Früher hätte man ihm zu einem runden Geburtstag (am 15. Mai jährt sich heuer sein 250.) gehuldigt… Heute macht man sich über ihn lustig, mit Karikaturen statt historischem Bildmaterial, im Schreibstil des Autors Stefan Müller, obwohl nicht nur Journalist, sondern auch Historiker.

Der Metternich, der gezeichnet auf dem Titel in Yogahaltung hockt, die Arme in meditativer Haltung, ironisch-herablassend-mitleidig lächelnd, gezeichnet von Anna Frohmann, die auch für weitere „lustige“ Bildchen des Buches zuständig ist, stimmt den Leser darauf ein, dass diese „Fürstliche Biographie“ ihm möglicherweise Anderes erzählen wird, als er zum Thema schon weiß.

Das passiert nicht ganz, und man muss wissen, ob man sich auf den Ton einlassen will: „Wenn Metternich einem zuzwinkerte mit seinen höflich lächelnden Augen, tat man sich schwer, ihn nicht zu mögen“ – ein solcher Satz wäre keinem „soliden“ Historiker aus der Feder / Schreibmaschine / heute Computer gekommen. Auch nicht, dass es bei Metternich’schen Maximen seines Handelns heißen könnte: „Sei kein Arsch“. Auch nicht, dass Schwiegervater Kaunitz ihn als „Trittbrettfahrer“ und „Migranten aus der deutschen Provinz“ bezeichnet hätte. Und dann der Illustriertenstil: „Eine Kutsche rollt durch Dresden, an stöhnenden Verwundeten vorbei. Metternich blickt mit düsterer Miene aus dem Fenster.“ Man sieht also, wie der Hase läuft.

Es wird zwar in elf Kapiteln großzügig der Lebenslauf mit Schwerpunkten nachgezeichnet, der Autor kennt sich aus. Seine Analyse des Metternich’schen Charakters ist nicht neu, eine praktische Zusammenfassung für alle, die es kurz mögen. Metternich  und Napoleon, Metternich gegen Napoleon ist ein Klassiker, weil der gerissene Diplomat und der skrupellose, aber hoch intelligente Machtmensch, der seine Unberechenbarkeit pflegte und als politisches Mittel einsetzte, sich nichts schuldig blieben. Das Buch wägt nebenbei auf einer Extra-Seite, die beiden neben einander gestellt, Stärken und Schwächen der Kontrahenten ab.

Am Ende sind die in das Buch eingestreuten „gelben“ Seiten, die lexikalisch Sonderthemen behandeln, wohl der stärkste und praktischste Teil des Buches. Hier werden Schwerpunkte gesetzt – natürlich bei den Frauen, die drei Ehefrauen hinein gemixt, sonst die anderen Berühmten, Bagration, Sagan, Lieven (Caroline Murat gehörte auch hierher), bei Freund und Feind, bei seinem Kleidungsstil und seinen Netzwerkkünsten, seinen Prinzipien. Über seine Besitztümer (Häuser, Schlösser, Villen) erfährt man ebenso Zusammenfassendes wie über seine Erfolge und Misserfolge. Unter dem zum Stil des Buches passenden Titel „Glanz, Pomp und Schweinerein“ gelisteten Problem „Wiener Kongress“ (ein Höhepunkt der Metternich’schen Ausgleichspolitik) sind die unglaublichen Zahlen des Ereignisses zusammengetragen.

Dass man ihm das „Metternich’sche System“ (Unterdrückungssystem) seinerzeit übel genommen hat und es heute wieder tut, obwohl er, wie der  Autor meint, inzwischen nicht mehr als „Bad Boy“ gilt (was der Autor wiederum nicht versteht) – dazu kann man nur Metternich zitieren. Damals war es nach den destruktiven Erfahrungen der Französischen Revolution und der chaotischen Napoleon-Ära nötig, und im übrigen habe er sich nie geirrt… eine Überzeugung, die er bis ins Londoner Exil, bis zu seinem Lebensende fest in sich trug.

Alles in allem – in einem kleinen gelben Buch müheloser Zugang zu einer ja doch außergewöhnlichen Persönlichkeit. Leser von gestern werden dennoch  gewohnheitsmäßig zu den weniger flapsigen, aber tiefer schürfenden Biographien von gestern greifen.

Renate Wagner

 

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