
Martina SERAFIN beim „Vissi d´arte“, rechts der Scarpia von Davide Damiano mit der typischen Hintergrundprojektion
St.Margarethen : Oper im Steinbruch
Giacomo Puccini : “TOSCA”
Premiere 8.Juli 2015
Mit Gewitter und Sturm
Keine Frage, da hat der burgenländische Wettergott eine Punktlandung für seine Gewitterfront hingelegt. Und erst als mit Sicherheit niemand mehr auf einen Vorstellungsbeginn gewettet hätte, da kam die Durchsage vom Regenloch und das Spektakel sähe einem Beginn entgegen. Es wäre auch schade gewesen, wenn der neue Veranstalter nicht hätte zeigen dürfen, was da das ideenreiche Hollywood mit seinem Regisseur ROBERT DORNHELM wieder an Schaukünsten in den Steinbruch gewuchtet hat und was vor allem die artifiziell topfite Ausstatterin AMRA BERGMANN wirklich Sehenswertes auf die Bühne gestellt hat.
Er steht schon prägend in seiner Auffälligkeit für die Gegend da, jener weiße, hochgewachsene sogenannte Tosca-Engel mit dem vogelartigen Gefieder, unter welchem er die gesamte riesige Bühne wie eine Gluckhenne umfängt und trotz seiner Größe einen blitzschnellen Szenenwechsel durch seine Projektionen auf die Innenwände dieses beweglichen Federmantels ermöglicht.
Der athletische Engel selbst sieht halt eher aus wie eine Heldenfigur aus faschistischen Zeiten, so als wäre er von Arno Breker entworfen oder eine entsprungene Zierde mussolinischer Bauten. Eher also eine Figur aus dem Repertoire von Diktaturen und daher eigentlich dem Regime zugehörig, dem Scarpia dient. Ein Scarpia-Engel sozusagen, auch wenn er weder ihm noch der unfreiwillig heroischen Sängerin Glück brachte.

Amra BERGMANN mit dem Modell des „Tosca-Engels“
Wie schon in den Regien zuvor projiziert Dornhelm Geschehnisse von der Bühne in Großprojektionen zwischen die gezeigten Rauminhalte im Hintergrund, die einmal eine riesige Kuppel zeigen, die am Ende des ersten Aktes ungemein wirkungsvoll heruntergeklappt wird, im zweiten Akt dann die Ausstattung des Palazzo Farnese in protziger Renaissance vortäuscht.
Nur im letzten Bild blitzen keine Sterne, denn Treppen und Brücken im inneren der Engelsburg, belebt durch die Anwesenheit von Wachsoldaten und Gefangenen immaginieren eine Gefängnisatmosphäre, wie wir sie etwa aus Bildern von Piranesi kennen.
Das ist aber auch schon alles an regielichen Experimenten, welches die Quote von St.Margarethen verträgt, dieses zugegebener Maßen gefällig bebilderte Geschehen mit pompösen kirchlichem Aufmarsch aus Anlass des Te Deums ebenso wie die zarte Stimmung am Ufer des Tibers mit dem Hirten und die gar nicht so simulierte Hinrichtung auf der Engelsburg, bei welcher die Läufe der Gewehre in den Zuschauerbereich gerichtet sind. Tosca darf sich sogar vom daneben liegenden Felsen in die Tiefe stürzen, nein nicht die richtige sondern ein Double, anzunehmender Weise in Puppenform!
Vorher wird Scarpia noch höchst attraktiv von Martina Serafin, um endlich auch auf die Darsteller zu sprechen zu kommen, erdolcht, nach dem Motto sicher ist sicher, nämlich mit einem Stich in den Rücken (von vorne! Ja das reichte bei ihrer Größe), dann ins Herz und zu guter Letzt gefolgt von einem Bauchstich). Äußerste attraktiv in Ihrem roten Kostüm – zuletzt auf der Engelsburg gar ohne dem Jäckchen, so dass die freien Schultern im Widerspruch zu der eisigen Kälte nach dem frühabendlichen Wettersturz standen – kam, trotz Verstärkeranlagen, ihr jugendlich-dramatischer Sopran gut zur Geltung, schaffte sie auch ein berührendes Gebet und ein problemlos angesetztes und lang angehaltenes Messer-C im letzten Bild. Vom ersten “Mario, Mario…” bis zur Hilflosigkeit und dem Zusammenbruch an der Leiche Cavarasdossis bis zum “Avanti an dio” eine ungemein emphatische Tosca.
Neben der Österreicherin mit dem italienischen Namen zwei echte Italiener an ihrer Seite:
Als der verliebte Cavaradossi mit Andrea Caré ein wortdeutlicher und gut phrasierender Zwischenfachtenor, kein Wunder, ist er doch nach eigener Aussage einer der letzten Studenten von Luciano Pavarotti gewesen. Im Spiel sympatisch als Liebhaber, fehlt im vielleicht noch jener applaustreibende Glanz seines Lehrers. Und als der Schurke, der mit aller möglichen Dämonie und Verstellung, aber auch mit sanften Tönen sein Ziel bei Tosca zu erreichen versucht, den gibt Davide Damiano mit volltönendem Bariton. In Wien sammelte er schon vor zwanzig Jahren Erfahrung in dieser Oper als Ensemblemitglied der Staatsoper. Damals gab er neben vielen anderen Kleinpartien den Angelotti.
Als Comprimarii sah man als unverkennbar agierenden und singenden Angelotti Clemens Unterreiner, den beim Angelus überagierenden Mesner von Leonardo Galeazzi und für den Auftritt des Hirten von Bernhard Sengstschmid verwandelte sich die Szene sogar zum Tiberufer.
Mit Michael Güttler kommen wir zum orchestralen Teil, zusammen mit dem Orchester des Prager Nationaltheaters brachte er hörbar Puccinis Dramatik und seine verführbare Melodik gut ein, aber gleichzeitig muß man immer wieder darauf hinweisen, dass das akustische Ergebnis viel zu stark hinter dem optischen nachhinkt, um eine eindeutige Wertung des Gehörten, sowohl was den orchestralen Teil als auch die Gesangsstimmen anlangt, vornehmen zu können. Gerade solche Orchestervorspiele wie das zum 3.Akt bilden für diejenigen, die das Stück aus geschlossenen Räumen und ohne Verstärkung kennen, lediglich ein notwendiges Surrogat, um die Lücke im Ablauf zu füllen.
Auch die Möglichkeit in fast allen großen Häusern den übersetzten Text mitlesen zu können, führt zu ungemeiner Verstärkung der Aufmerksamkeit wegen des Wissens um den Inhalt des Gesangstextes. Man fördert dann auch die Bereitschaft zum interessierten Zuhören seitens einer informierten Hörerschaft. Die angebotene Erläuterung durch das Einblenden von Videoeinspielungen befriedigt bestenfalls die Sucht nach Optischem, nicht aber die Verständlichkeit gesungener Inhalte.
Der größte Teil des Publikums harrte bis zum grausamen Ende unter grausamen Wetterbedingungen durch, obwohl die nicht mehr umzubringende Einlage eines Feuerwerks schon längst nach dem ersten Akt verschossen war. Und war das Publikum während der Vorstellung – die Serafin erhielt gerade einmal so um die 15 Sekunden Applaus nach ihrer Arie – nicht gerade applausfreudig, so war nach Ende des Abends immerhin einiges an Jubel zu erzielen. Und natürlich ganz ohne Buhs, das gibts ja im Steinbruch nicht.
P.S.: Am grausig kalten Schluß dieses Abends waren jedenfalls von jenen Promiadabeis, die sich so chic vor den Kameras zu Beginn in der sogenannten Opernlounge zeigten, nur mehr einige wenige vorhanden. Die für jene Herrschaften meist zur Verfügung gestellten ersten Reihen waren im letzten Akt nahezu leergefegt. Immerhin war unter dem Häuflein der Durchhalter auch eine echte Ministerin unserer Bundesregierung auszunehmen, ein unverfrorener Opernfan sozusagen. Sie könnte ja einer ihrer Kolleginnen erzählen, wie es sich anfühlt, bei einem solchen Wetter in Zelten auszuharren.
Peter Skorepa
OnlineMERKER
Fotos : Armin Bardell/Arenaria
PS.: Nächste Saison ist Passionsspieljahr, da gibt auf der kleinen Ruffini-Bühne dafür den LIEBESTRANK von Gaetano Donizetti