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SOLOTHURN/ Schweiz/Stadttheater: LE CHALET SUISSE („Le Chalet“ (A. Adam)/ „Betly“ (G. Donizetti)

28.12.2023 | Oper international

Le Chalet Suisse • Theater Orchester Biel Solothurn • Stadttheater Solothurn • Vorstellung:

27.12.2023

(13. Vorstellung • Premiere am 15.09.2023)

«Vivant l’amour, le vin et les combats»

Zu Jahresbeginn sind die letzten Vorstellungen des Doppelabends «Le Chalet Suisse» zu erleben. «Le Chalet Suisse», «Le chalet» von Adolphe Adam und «Betly» von Gaëtano Donizetti, bietet einen höchst unterhaltsamen Ausflug in die Musik‐ und Theatergeschichte (der geneigte Leser konsultiere dazu: https://onlinemerker.com/solothurn-stadtheater-le-chalet-suisse-theater-orchester-biel-solothurn-stadttheater-solothurn-4-vorstellung/), eine höchst intelligente Inszenierung und grandios musizierte Opéra comique und Belcanto.

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Foto © Konstantin Nazlamov

Andrea Bernard lässt sich für seine Inszenierung vom Stammbaum der Libretti, als des Basierens von «Betly» auf «Le Chalet» und von «Le Chalet» auf «Jery und Bätely», inspirieren. So erzählt er «Le Chalet» als Probe von «Betly» und «Betly» entsprechend als Aufführung des Geprobten. Damit zitiert er Donizettis «Le convenienze teatrali» und entwickelt es, wenn man so möchte, weiter. Der entscheidende Kniff ist, dass in «Le Chalet» ein Modell von Betlys Haus und entsprechende Figuren zu sehen sind und diese dann nach der Pause, wenn also «Betly» gespielt wird, zum Leben erwachen (Bühnenbild: Alberto Beltrame). Da ist Betlys Haus das Bühnenbild, in dem die umgeworfenen Figurinen (und das zerknüllte Theaterplakat) liegen: sie erheben sich und fragen, entsprechend zum Bühnenhimmel gerichtet den Regisseur, wie es weitergeht. Als keine Antwort kommt, nehmen sie das Spiel selbst in die Hand und entfernen erstmal das zerknüllte Plakat von der Bühne. Später taucht der Regisseur dann doch noch kurz auf. Bernard zeichnet die Figuren gleichermassen akribisch wie liebenswürdig und stellt damit hohe Anforderungen an die schauspielerischen Fähigkeiten der Solisten und Kollektive. Besondere Aufmerksamkeit widmet er Betly, die in «Le Chalet» noch die zickige Diva ist, die alle möglichen (und unmöglichen) Forderungen stellt. Der Forderung nach einem Cheminée antwortet der Regisseur mit einer Schachtel Streichhölzer. Ihre Forderung nach einer weiteren Arie, sie sei ja schliesslich die Protagonistin, lässt Bernard Daniel beantworten: Nein, er sei der Protagonist und die Oper heisse ja nicht «Betly». Aber es kommt, wie es kommen muss: Der arme Regisseur, hier von Max dargestellt und der Statisterie TOBS unterstützt, muss so einiges erdulden. Die Diva erhält ihren Willen, die aufgeführte Oper heisst jetzt «Betly». Das Plakat mit dem falschen Titel hatte sie, während der Proben, in einem Wutanfall zerknüllt und ins Modell des Hauses geworfen. (das wird ja dann zu Beginn von «Betly» von der Bühne entfernt.) Die frischen, farbenfrohen Kostüme hat Elena Beccaro entworfen, Mario Bösemann das Licht gestaltet. Die Aufführung von «Betly» ist dann eher zurückhaltend inszeniert, denn hier, bei Belcantisten Donizetti, sehen die Solisten im Vordergrund.

Die Tatsache, dass beide Opern nur jeweils drei Rollen umfassen und die Intimität der Stadttheater von Biel (260 Plätze) und Solothurn (280 Plätze), machen die Aufführung zu einem Theatererlebnis von in «grossen» Häusern nicht erreichbarer Intensität. Die Rolle des Max erfordert in diesem Inszenierungskonzept neben den gesanglichen auch ganz enorme pantomimische Fähigkeiten, denn darauf beruht die Aufwertung zum Regisseur in «Le Chalet» (so bleibt der musikalische Fluss gewahrt und die Dialoge nicht übermässig lang). Michele Govi, der als Max dieses Konzept mittragen muss, tut dies in schlicht grandioser Weise. Sein warmer, farbenreicher Bariton ist perfekt geführt und begeistert gleichermassen in Momenten wo Donizetti mit «melodie lunghe» auf die Vaterrollen Verdischer Prägung vorausweist, wie in den Momenten, wo die Melodien pathetischer («Vivant l’amour, le vin et les combats») werden. Seine pantomimischen Fähigkeiten kommen entsprechend in Adams «Le Chalet» zur Geltung und sind enorm: Es ist eine Klasse für sich zu erleben, wie er wortlos kommuniziert. Setzt er nur noch die Mundwinkel ein, kann man sich – als Kompliment verstanden – an Mr. Bean erinnert fühlen. Pierre-Antoine Chaumien hat sich als Daniele ansagen lassen: Da die Ansage leistungssteigernder Natur war, kann trotzdem berichtet werden. Chaumiens Stärke sind sein angenehm kräftiger, agiler und absolut höhensicherer Tenor und die grosse Musikalität seines Singens, besonders der Verzierungen in «Betly». Hier braucht er sich vor den Kollegen mit «grossem» Namen und vorwiegend deutlich helleren und jugendlicheren Stimmen kein bisschen zu verstecken. Szenisch gelingt ihm besonders gut das Casting im ersten Akt, wo er trotz Schnauzer, Aktenmappe und Wildleder-Blouson seine Kollegen aussticht. Den Abend krönen Roxane Choux und ihr Sopran mit traumhaften Koloraturen wie sie die Belcantisten erfordern und einer Vollmundigkeit, die mit Freuden an die Heroinen des jungen Verdi erinnert. Besonders eindrücklich ist ihre Versatilität im Szenischen: eben noch die Diva ist sie dann die propere Maid aus dem Appenzell.

Besser geht kaum!

Weitere Aufführungen:

Biel (Stadttheater): So. 14.01.24, 17:00.

Winterthur (Theater am Stadtgarten): Do. 18.01.24, 19:00; Sa. 20.01.24, 19:00; So. 21.01.24, 14:30.

Zug (Theater Casino): Fr. 01.03.24, 20:00.

 

29.12.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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