Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

SOFIA/ St. Alexander Nevsky-Kathedrale: BORIS GODUNOV – open air

08.07.2014 | KRITIKEN, Oper

SOFIA: BORIS GODUNOV – open air am 27. Juni 2014

IMG_8329
Martin Zzonev. Foto: Victor Victorov

Nach einem gelungenen „Ring des Nibelungen“ im Sommer des Vorjahres machte die Nationaloper Sofia unter der Leitung von Academ. Plamen Kartaloff Ende Juni bis Anfang Juli wieder von sich reden. Kartaloff selbst inszenierte vor der imposanten St. Alexander Nevsky Kathedrale in Sofia Modest Mussorgskis Boris Godunov 175 Jahre nach dem Geburtstag des Komponisten. Man gedachte mit dieser opulent bebilderten Produktion auch zwei großen bulgarischen Opernsängern mit runden Geburtstagen, Boris Christoff (100 Jahre) und Nicolai Ghiaurov (85 Jahre), aber auch dem erst im Mai verstorbenen Nicola Ghiuselev. Kartaloff zeichnete auch für das Bühnenbild auf dem weiten Platz vor dem Hauptturm der Kathedrale verantwortlich, der zu jedem Zeitpunkt eine von Andrej Hajdinjak stimmungsvoll beleuchtete Kulisse bot. Noch nie wurde hier eine Oper aufgeführt, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen.

Nun eignet sich „Boris Godunov“ allerdings ganz besonders für diesen würde- und weihevollen Ort. Während in einem von Birkenblättern umgebenen Hochstand der Mönch Pimen die Chronik des Geschehens schreibt und mit einem schlichten Glockenschlag die Szenen einläutet, sieht man das verzweifelt nach Zar Boris rufende Volk. Schließlich schreitet dieser würdevoll zu einer bombastischen Krönungszeremonie aus der Kathedrale. Die von Marta Mironska und Stanka Vauda entworfenen prunkvollen Kostüme des Klerus und der Gesellschaft um den Zaren lassen ebenso wie die einfachen Roben der darbenden Bevölkerung nichts an Detailtreue zur Zeit der Oper vermissen. Zentrales Bühnenbild-Element Kartaloffs sind hydraulisch heb- und senkbare hellrote Schienenstränge, die zwingend auf das Portal der Kathedrale führen und so dramaturgisch eine ständige Verbindung des Geschehens zu dem mythisch anmutenden Prunkbau und damit zur Allmacht der orthodoxen Kirche herstellen. Sie zeigen einmal große Landkarten des alten Russischen Reiches, ein anderes Mal Gefangene in Ketten und erleuchten in rötlichem Licht bei den Wahnsinns-Phantasien des Boris. So kehrt er nach seinem eindrucksvoll gestalteten Tod auf dem Zarenthron wie in einer Wiederauferstehung in weißem Büßergewand in die Kathedrale zurück.

Martin Tsonev interpretierte den Boris in der Premiere in einem rein bulgarischen Ensemble mit kräftiger Stimme und großer darstellerischer Intensität. Kostadin Andreev war ein eindrucksvoller falscher Dimitri, Sergey Drobishevsky ein nachdrücklicher Schuiski, Angel Hristov ein stimmstarker Pimen und Petar Buchkov ein wohlklingender und spielfreudiger Varlaam. Hrisimir Damyanov sorgte als Idiot für berührende Momente. Auch die meisten anderen Rollen waren ansprechend besetzt, ebenso wie der von Violeta Dimitrova einstudierte Chor. Der junge Konstantin Chudovski leitete das Orchester der Oper von Sofia mit viel Verve und die Herausforderungen einer solchen erstmaligen open air Aufführung gut meisternd, auch wenn an der akustischen Balance zwischen Orchester und den verstärkten Sängern künftig noch gefeilt werden sollte. Sofia hat sich nicht nur mit dieser Opern-Produktion eindrucksvoll als Europäische Kulturhauptstadt 2019 empfohlen.

(Fotos in der Bildergalerie)

Klaus Billand      

 

Diese Seite drucken