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Silke ELLENBECK, Autorin: „Die Romanows haben mich immer interessiert“

Die Autorin Silke Ellenbeck wurde 1974 in Hameln geboren und studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik an der Universität in Hannover. Sie lebt in Bückeburg, ist verheiratet und hat einen Sohn. Seit einiger Zeit hat sie ihr Hobby, das Schreiben, zum Beruf gemacht und arbeitet nun als freischaffende Autorin. Nach der Veröffentlichung von zahlreichen Kurzgeschichten und Gedichten in Anthologien erschien im Jahr 2010 ihr erster historischer Roman „Julian“, der wie ihr zweiter Roman „Verbrannter Eukalyptus“, im 19. Jahrhundert in Australien spielt. Da ihr Steckenpferd die letzte russische Zarenfamilie ist, veröffentlichte sie 2011 unter dem Titel „Mandrifolie“ einen zweiteiligen, historisch fundierten Roman über die Großfürstin Marie, die dritte Tochter von Zar Nikolaus II. von Russland. Im Oktober erscheint beim DeBehr Verlag mit „Ich wollte einmal einen Soldaten heiraten und zwanzig Kinder bekommen“ eine überarbeitete Neuauflage der Biographie. Zur Zeit steht die Autorin kurz vor der Vollendung ihres vierten Buches, eines Romans, der in der heutigen Zeit in ihrer Heimatstadt Bückeburg spielt.

3 - Buchcover

Frau Ellenbeck, Sie haben gerade eine zweite Auflage Ihres historischen Romans über Maria Romanova herausgebracht. Was unterscheidet diese Ausgabe von der vorigen?

Es handelt sich nicht um eine zweite Auflage, sondern um eine komplett überarbeitete Neuauflage bei einem anderen Verlag. Der Unterschied liegt zum einen in den nun von mir in den Text einbezogenen Bildern sowie der weiteren Informationen, die ich hinzugefügt habe. Daneben habe ich auch am Schreibstil, also Marias Erzählweise etwas geändert, Gedankengänge hinzugefügt und mehr. Über die Erstveröffentlichung war ich zu Beginn sehr glücklich, denn in dem Buch stecken sehr viele Jahre Recherche. Dennoch fielen mir nach der Publikation viele Dinge auf, die ich nun behoben habe. Das betrifft die Veröffentlichung in einem Band, die Bilder und ein besseres, fundiertes Lektorat. Diese Kritikpunkte traten von Seiten vieler Leser auf. Wenn man aber eine historisch, fundierte Biographie veröffentlicht, sollte alles stimmig sein.

 

Was fasziniert Sie an den Romanovs und insbesondere an Maria?

Ich stieß mit vierzehn Jahren auf das Buch von Peter Kurth über die falsche Anastasia und war sogleich von der Biographie der Familie so fasziniert, dass ich mich mehr mit ihr beschäftigte. Kurz darauf sah ich im Fernsehen den leider nicht mehr erhältlichen Film „Sühneopfer“ über die Zarenfamilie und ihre letzten Tage. Es gab noch kein Internet. Ich begann Antiquariate gezielt nach Büchern abzusuchen. Viele Titel sind damals schon sehr schwer zu bekommen gewesen. Später kam dann das Sammeln von antiken Ansichtskarten und Fotografien der Zarenfamilie dazu und ich dehnte mein Interesse auch auf Zar Alexander III, seine Frau Marie und ihre Kinder, zu denen Nikolaus II gehört, aus. Mich interessiert auch der Großvater Nikolaus`, Zar Alexander II, allerdings nur aufgrund seiner angestrebten Reformen und der Affäre mit Jekaterina Dolgorukaja. Doch bei allen Büchern, die ich las, Informationen, die ich erhielt und Filmen, die ich sah, war Maria stets im Hintergrund. Dabei war sie ein durchaus hübsches, intelligentes Mädchen, aber sie stand immer im Schatten der beiden älteren und attraktiveren Schwestern, Olga und Tatjana sowie der ewig scherzhaften, jüngeren Schwester Anastasia und dem kranken Bruder Alexei. Ich kenne bisher nur ein Buch, in dem Anastasia und Maria beide gemeinsam mehr Aufmerksamkeit erhalten, wobei jedoch wieder Maria etwas in den Hintergrund tritt. Daher fand ich es spannend mich einmal intensiv mit ihr zu beschäftigen und ich versuchte zu ergründen, warum sie diese Rolle in der Geschichte fristen muss. In der Geschichte finden sich oftmals Töchter und Söhne aus dem Adel, die ständig im Schatten ihrer Geschwister standen, aber das weitaus interessantere Leben führten, wie zum Beispiel die Prinzessin Thyra von Dänemark, eine Schwester der Mutter Zar Nikolaus II von Russland. Sie gerät ins Hintertreffen, da ihre Schwestern Alexandra und Dagmar (die spätere Maria Fjodorowna) einen König, bzw. einen Zaren heirateten. Thyra jedoch hatte als junge Frau eine Affäre mit einem Leutnant der Kavallerie. Aus dieser Liaison entstammte auch ein Kind. Das geht meist in der Geschichte der Familie neben den Schwestern unter und ebenso verhält es sich mit Maria.

 

Für wen haben Sie dieses Buch geschrieben?

Es ist nicht in erster Linie für die Leser gedacht, die schon sehr viel über die Romanows gelesen haben – auch diese sind natürlich herzlich willkommen -, aber es soll auch den bisher nur grob interessierten Leser einladen in die Geschichte einzutauchen. Wenn jemand, wie ich, schon sehr viel über die Romanows gelesen hat, wird er vielleicht interessiert sein, Marias Seite der Geschichte zu erfahren. Doch es wäre auch schön, wenn ich vielleicht jüngere Leser erreichen könnte, die sich für Geschichte interessieren. Daher ist es auch für ein historisches Buch eher „leichtgängig“ geschrieben, damit man sich nicht von Informationen erschlagen fühlt. Bei vielen historischen Biographien musste ich leider feststellen, dass die Hauptperson oft distanziert gegenüber dem Leser wirkt, wenn man nicht in der Ich-Form schreibt. Der Lesestoff vieler Biographien bleibt oft trocken durch seitenlange Aufzählungen von Fakten, die nicht näher auf die Hauptperson eingehen oder diese betreffen.

 

Über Maria ist meines Wissens bisher relativ wenig veröffentlicht worden. Wie haben Sie die Daten und Bilder zusammengetragen?

Für viele Romanow-Interessierte ist meiner Erfahrung nach als erstes die jüngste Tochter, Großfürstin Anastasia, diejenige, die fasziniert, da die Betrügerin Franziska Schanzkowsky behauptete, sie zu sein. Dann ist der Zar als Person bedeutsam, die Zarin, zumeist wegen ihrer Beziehung zu Rasputin, Alexei, der Zarewitsch, weil er Bluter war – bei allem gerät Maria, wie bereits erwähnt, ins Hintertreffen. Ich habe bei den Bildern auf meine eigene Sammlung zurückgegriffen und viel Unterstützung von anderen Sammlern erhalten, die mir Bilder zukommen ließen. Die Informationen stammen aus Büchern, Archivmaterial, Tagebüchern und Briefen der Zarenfamilie. Und ich muss gestehen, dass ich die letzte Zarenfamilie mittlerweile besser kenne als meine Nachbarn.

2 - Maria-Gedenktafel-Ekaterinburg-(c)-Marc-Rohde
Maria-Gedenktafel in Ekaterinenburg. Foto: Marc Rohde

 

Die Gebeine von Maria und ihrem Bruder sind bis heute nicht beigesetzt worden. Warum?

Man fand die Gebeine der beiden erst 2007 und konnte erst im Jahr 2009 zweifelsfrei nach DNA- Tests die Identität nachweisen. Die Gebeine befinden sich im Besitz des russischen Staatsarchivs. Die anderen Familienmitglieder wurden in einem Staatsbegräbnis am 17. Juli 1998 in St. Petersburg beerdigt. Die russisch- orthodoxe Kirche weigert sich bis heute allerdings die Gebeine als die der letzten Zarenfamilie anzuerkennen und so war auch der höchste Kirchenvertreter nicht bei dem Staatsbegräbnis anwesend. Es ist sehr schwierig genau zu sagen, warum man Alexei und Maria noch nicht, wie die anderen Familienmitglieder beerdigt hat, oder sagen wir so- die Familie schlichtweg wieder vereint hat. Es soll Konflikte geben zwischen der russisch- orthodoxen Kirche und der Regierung. Auf meine schriftliche Anfrage im russischen Staatsarchiv wurde mir nur mitgeteilt, dass die Familie als offizielle Märtyrer anerkannt sind, aber eben die Kirche die Gebeine nicht als Relikte anerkennt. Es wurde bereits vor einigen Jahren ein Komitee gebildet in der Regierung. Dieses sollte sich um die sogenannte „Verwendung der Gebeine von Alexei und Maria“ kümmern. Nüchtern betrachtet scheitert es wohl ganz einfach an der Regierung in Russland, obwohl es ein Teil der russischen Geschichte ist.

 

Arbeiten Sie momentan an einem neuen Werk?

Ich schreibe momentan an einer Biographie über Darya Saltykova, genannt Saltychikha, die von 1757 bis 1764 in Russland rund einhundert ihrer Bediensteten tötete- Frauen, Kinder, vornehmlich Männer, in dem sie sie zu Tode quälte, misshandelte. Darya war eine Angehörige der höheren Gesellschaftsschicht in Russland zu der damaligen Zeit und, als man ihre Taten entdeckte, verurteilte Zarin Katharina sie zu lebenslanger Haft in einem Verließ ohne Fenster unter einem Konvent in St. Petersburg. Der Skandal um die Morde erschütterte ganz Russland, denn es begannen bereits zu der Zeit Diskussionen in der Bevölkerung über eine angemessene Behandlung von Bediensteten, die damals noch Leibeigene ihrer Herrschaften waren. Die Recherche zu dieser Biographie ist aber recht schwierig, da es nur sehr knappe Informationen gibt. Daneben vollende ich gerade einen Roman, der in meiner Heimatstadt Bückeburg spielt und im Rotlichtmilieu beheimatet ist, in dem es aber auch um Liebe und Eifersucht geht. Ich würde es als Roman mit Krimi- Tendenzen bezeichnen. Und natürlich schreibe ich für Wettbewerbe und Anthologien Kurzgeschichten und Gedichte. Ich muss hierbei erwähnen, dass ich mich nicht auf ein Genre als Autorin festlegen möchte, sondern gerne in mehreren, also auch unterschiedlichen tätig bin. 

© Marc Rohde September 2015 www.marcrohde.de

 

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