Sigrid-Maria Größing
SIE HERRSCHTEN ÜBER EIN WELTREICH:
DIE SPANISCHEN HABSBURGER
192 Seiten, Tyrolia Verlag, 2022
Es war ein doppeltes Ehebündnis, das Kaiser Maximilian I. für seine beiden Kinder mit zwei Nachkommen der „Katholischen Könige“ arrangierte – nicht sein einziges „Tu felix Austria nube“-Geschäft, mit dem er das Herrschaftsgebiet der Habsburger enorm ausdehnte, nachdem er schon durch seine eigene Heirat mit Maria von Burgund die später so genannten „Niederlande“ einbrachte. Zuerst nahm sein Sohn Philipp, „der Schöne“ genannt, die spanische Infantin Juana zur Frau, im Jahr darauf ehelichte deren Bruder, der Thronerbe Juan, die Schwester von Philipp, Margarete.
Maximilian hatte immer das „Glück“, dass männliche Erben wegstarben und die Gattinnen das Erbe in die Familie einbrachten. Von allen Geschwistern von Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon blieb Juana die Erbin der spanischen Besitzungen und der überseeischen Kolonien, die damals gewonnen wurden. Ihr ältester Sohn, Karl, als spanischer König Carlos I., folgte Großvater Maximilian als Kaiser Karl V. im Heiligen Römischen Reichs nach.
Die Habsburgerischen Besitzungen hatten sich inzwischen durch die Doppel-Ehe seines Bruders Ferdinand und seiner Schwester Maria mit den Erben von Böhmen und Ungarn (auch hier schlug der Tod zu Gunsten der Habsburger zu) gewaltig nach Osten erweitert. Karl, der sein Leben lang auf Reisen verbrachte – gleicherweise im deutschen Reich mit den konfessionellen Unruhen (Luther und die Reformation) wie in Nordafrika mit den feindlichen Osmanen beschäftigt -, erkannte, dass dieses Habsburger-Reich zu groß geworden war, um von einem Mann regiert zu werden.
Als er Spanien, die Niederlande, die italienischen Gebiete und die überseeischen Besitzungen an seinen Sohn Philipp übergab (der dann noch Portugal „erbte“) und den Rest der Länder an seinen Bruder Ferdinand, der ihm als Ferdinand I. auch als Kaiser des Heiligen Römischen Reichs nachfolgte, vollzog er die Trennung der Habsburger in einen spanischen und einen österreichischen Teil – eine Familie, die allerdings durch zahllose, immer inzestuöse Heiratsbande stets wieder neu verbunden wurde.
Sigrid-Maria Größing, die schon zahlreiche Werke über die Habsburger verfasst hat, wendet sich in ihrem jüngsten Buch nun den Spanischen Habsburgern zu – sechs Generationen von dem eingeheirateten Philipp dem Schönen über Karl V (Carlos I.), Philipp II., Philipp III., Philipp IV. bis zu dem letzten, Karl II., der dann so schwach und ohne Erben war, dass die spanischen Habsburger erloschen. Seltsamerweise lässt es die Autorin mit diesem Tod bewenden – die Versuche der Österreicher, im Spanischen Erbfolgekrieg dieses Erbe zu „retten“, wären zumindest einer Erwähnung wert gewesen.
Erzählt werden nun nicht nur die Schicksale der einzelnen spanischen Könige die sich alle (wenn auch Philipp II. erst in vierter Ehe) ihre Gattinnen aus dem österreichischen Zweig der Familie holten. Es geht auch – Frauen stehen heute nicht mehr in der zweiten Reihe des Interesses – um jene Infantinnen, die von Madrid nach Wien reisten, um dort als Gattinnen ihrer engsten Verwandten Kaiserinnen zu werden – Maria von Spanien /die Schwester von Philipp II.), die ihren Gatten und Cousin, Kaiser Maximilian II., von seiner Sympathie für den Protestantismus abbringen sollte, was ihr nicht gelang; und Margarita Teresa, die durch die Kinderbildnisse berühmt geblieben ist, die Velasquez von ihr malte, und die ihren Onkel in Wien, Kaiser Leopold I., heiratete. Auch zwei hoch begabte uneheliche Söhne werden mit eigenen Kapiteln bedacht – Don Juan d’Austria, der als Krieger so bedeutenden Sohn von Karl V., und Don Juan Josè d’Austria, der Sohn von Philipp IV., der die Herrschaft seines Halbbruders Karl II., des letzten Spanischen Habsburgers, nicht retten konnte.
Weiters ist die Rede von dem berühmt-berüchtigten, in vielen Details grotesken Spanischen Hofzeremoniell (das auch in Wien übernommen wurde und das erst Kaiser Joseph II. abschüttelte), oder von der bis heute zu besichtigenden, eindrucksvollen Grabstelle der spanischen Habsburger im Schloß Escorial (wo allerdings ein Bild des Pantheons der Könige in dem sonst so reich und sorglich bebilderten Buch fehlt).
Die Autorin erzählt, wie sie es auch in vielen anderen Habsburg-Werken erfolgreich getan hat, mehr Persönliches als Politisches, sie beschuldigt an einer Stelle König Philipp II., er habe seinen Sohn Don Carlos ermorden lassen (Friedrich Schiller hat viel zur Diffamierung dieses Herrschers beigetragen), und sie schildert Karl II., den „Behexten“, wie er genannt wurde, als wahres Kretin. Ausführlich legt sie dar, wie die Spanischen Habsburger durch die Inzest-Ehen in allen Generationen degeneriert sind – zweifellos eine richtige Beobachtung. Und der „Wahnsinn“ von „Johanna der Wahnsinnigen“ als Urmutter von allen, hat sich zweifellos immer wieder bemerkbar gemacht. Aber tatsächlich war es wohl die Inzucht – Philipp II. heiratete in vierter Ehe die Tochter seiner Schwester Maria, also seine Nichte, Philipp III. ehelichte eine Cousine seiner Mutter, Philipp IV. wiederum eine Tochter seiner Schwester, also eine Nichte. Das Ergebnis angesichts so gewaltigen Ahnenschwunds war dann Karl II.
Die Autorin erklärt auch (ohne es weiter auszuführen), wie Spanien nach Karl II. an die benachbarten französischen Bourbonen fallen konnte. Ab der Generation von Philipp III, war es den Franzosen gelungen, sich in die Ehepolitik der Habsburger einzuklinken – sowohl die Mutter wie die Gattin von Ludwig XIV. waren Habsburgerinnen aus Spanien. Das zeigt, dass nicht nur die Habsburger (wie es ihnen so oft gelungen war) durch Heirat „erben“ konnten…
Das Buch ist gut lesbar, schön farbig bebildert, mit einer übersichtlichen Stammtafel zu den Vernetzungen zwischen Madrid und Wien ausgestattet (wenn auch einige Namen fehlen). Was im Titel mit „Sie herrschten über ein Weltreich“ angesprochen wird, kommt eher kursorisch vor. Man hätte sich das Buch angesichts seines Themas umfangreicher vorstellen können.
Renate Wagner