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Sena Jurinac singt Schumann: Liederkreis Op. 39, Frauenliebe und Leben Op. 42, Profil Edition Günter Hänssler CD – Epochal

17.07.2017 | Allgemein, cd

0881488170429Sena Jurinac singt Schumann: Liederkreis Op. 39, Frauenliebe und Leben Op. 42, Profil Edition Günter Hänssler CD – Epochal

Eine der schönsten Liedplatten aller Zeiten hat nun das Label Profil/Hänssler digital aufbereitet in bester Klangqualität auf den Markt gebracht. Die in musikalischen Dingen besonders schlauen Franzosen haben dieses Juwel der Interpretation frühromantischer Zyklen längst als „Les Indispensables de Diapason“ in den Olymp der bemerkenswertesten Klassikeinspielungen überhaupt erhoben. Der in Frankreich erschienene Tonträger war noch mit Arien von Mozart (Idomeneo), Smetana (Die verkaufte Braut), Tschaikovsky (Jeanne d‘Arc) und Verdi (Maskenball, Macht des Schicksals) angereichert. 

Entstanden ist diese glorreiche monaurale Studioaufnahme im Juni 1954 im Konzerthaus in Wien und wurde zuerst vom Label Westminster herausgebracht. Franz Holetschek begleitet am Klavier eine Sena Jurinac nicht nur in vokaler Bestform, sondern auch als Liedgestalterin Maßstäbe setzend. Wer das Glück gehabt hat, Sena Jurinac noch live auf der Opernbühne erlebt haben zu dürfen (ich hörte sie in Wien unvergessen als Komponist, Marschallin, Marina, Elvira, Lady Billows – Albert Herring von Britten – und Küsterin), weiß um die Wirkung von Timbre, Klangfinesse, Gestaltungskraft, dramatischen Ausdruck und Hingabe an die Kunst von Sena Jurinac. Jürgen Kesting dachte bei der Stimme von Jurinac an das Rot eines dunklen, schweren Weins vor dem Licht einer Kerze. Aber auch die Unbedingtheit und Ehrlichkeit ihres Gesangs, ihre schöne Bühnenerscheinung und ihre Kollegialität waren vorbildlich.

Schon beim ersten „Aus der Heimat hinter den Blitzen rot“ aus dem Lied „In der Fremde“ aus dem Liederkreis Op. 39 leuchten all jene Eigenschaften hervor, die Schumannschen Liedgesang zum Ereignis werden lassen: Eine (scheinbar) vollkommene Natürlichkeit im Vortrag, ein aus unerforschlichen Tiefen wehender melancholischer Schleier, die vollkommene Verschmelzung von Wort und Ton, dichte und intensive Emotionen, die den Hörer direkt an der Gurgel packen. Äußerst klug und sparsam gesetzte Höhepunkte in den kleinen Mikrozellen der lyrischen Vorlagen von Joseph von Eichendorff paart Jurinac mit einem herrlichen Legato und einer fraulich-verletzlichen Offenheit (man könnte vermeinen, jemand beim Schreiben des Tagebuchs über die Schulter zu blicken). In der „Mondnacht“  lässt Jurinac wirklich der Seele Flügel ausspannen und mit feenhaftem Vortrag in Märchengefilde zu entführen. Aber auch die still glühende Emphase in Liedern wie die „Schöne Fremde“ zeugt von einer großen Differenzierungskunst sowie einer schlafwandlerischen Aneignung des poetischen Gehalts.

In „Nun hast du mir den ersten Schmerz getan“ aus die „Frauenliebe und Leben“ Op 42, wendet sich die Sängerin in einem einzigen Aufschrei der Liebe an den Geliebten, den der Tod ihr tragischerweise entrissen hat. Der gesamte Zyklus bis zum finalen nur noch dem Klavier überantworteten Trauermarsch spannt einen intimen Erinnerungsbogen eines ganzen Gefühlslebens. Sena Jurinac vermag auch hier alle Nuancen der Musik von Robert Schumann zwischen Freud und Lied, Himmel und Abgrund, dieses stets Doppelbödige unserer Existenz, unvergleichlich in überreiche Farben zu kleiden. Dabei bewahrt Jurinac stets einen mädchenhaften Ton, nie naiv, sondern die universelle Aussage mit einem unmittelbaren Empfinden eines einfachen Menschenkinds eins werden zu lassen. 

Schöner und sinniger hat keine Sängerin je Lieder gesungen, für mich (sehr persönlich) unter allen weiblichen Interpretinnen nur noch mit Lotte Lehmanns Winterreise (1940-41 mit Paul Ulanowsky) und Elisabeth Schwarzkopfs Letzte Lieder von R. Strauss (Georges Szell) vergleichbar.

Der Produzent hat als Basis für die CD eine originale Mono-LP Pressung aus den Vereinigten Staaten verwendet. Die Tontechnik ist überragend, direkt, alle Qualitäten dieser zauberischen und unvergleichlichen Stimme für ewig festhaltend. Allerdings irrt der Redakteur (Dieter Fuoß), wenn er meint, das es sich bei der vorliegenden Aufnahme um die einzige Klavierlied-Produktion von Sena Jurinac handelt. Sie hat 1976 mit Georg Fischer am Klavier Lieder von Brahms als Co-Produktion BASF mit dem ORF Studio Salzburg eingespielt. Ich habe mir diese LP damals mit dem Lohn fürs Rasenmähen kaufen können. Besonders die „Zigeunerlieder“ hatten es mir damals unglaublich angetan. Nach wie vor eine besondere Zierde meiner Diskothek.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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