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SCHWEIZ/DAVOS: AUSSTELLUNG „KIRCHNERS SAMMLER, MÄZENE, MUSEUM „

27.03.2013 | Ausstellungen, KRITIKEN

Schweiz/ Davos: Ausstellung: „Kirchners Sammler, Mäzene, Museum“ 27.03.2013

von Ursula Wiegand

Diese Ausstellung ist eine sehenswerte Danksagung.
Ein Dank an den großen deutschen Künstler Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) und posthum ein Dank von ihm an Davos. Körperlich und seelisch ruiniert vom Ersten Weltkrieg fand er dort Zuflucht.

Ab 1917 lebte und arbeitete er in Davos, ab 1923 im nahen Dorf  Frauenkirch-Wildboden. Als die Nazis seine Werke als entartete Kunst verunglimpften, fiel Kirchner in (erneute) Depressionen und setzte schließlich seinem Leben mit zwei Pistolenschüssen ein Ende.


Davos, Kirchner Museum von Gigon / Guyer. Foto: Ursula Wiegand

Es war das Finale eines Hochsensiblen und Hochbegabten, dessen immenses Schaffen (trotz Alkoholmissbrauch und Drogensucht) erst allmählich die gebührende Anerkennung fand. Insbesondere in seiner Wahlheimat, wo man ab 1982 seine zahlreichen Werke zunächst in der Post von Davos Platz ausstellte.

Ende 1992 erhielten sie mit dem Kirchner Museum Davos ihr eigenes Domizil, einen modernen Bau, konzipiert vom Zürcher Architektenduo Annette Gigon / Mike Guyer. Für beide war es ihr erstes Großprojekt und wurde beispielgebend für weitere Museumsbauten.


Davos, Kirchner Museum, Blick aus der Eingangshalle nach draußen. Foto: Ursula Wiegand

Die verschachtelten Gebäudeteile mit ihren Glasfronten sind sofort ein Blickfang. Drinnen dann schlichte Betonwände und eine angenehm natürliche Raumbelichtung, damals ein Novum. Aus der Eingangshalle schauen die Besucher nach draußen.

Kirchner hielt die Jahreszeiten in seinen Bildern mit kräftigen Strichen fest, hat Davos in gedämpften Winter- und leuchtenden Sommerfarben gemalt. Bewundernd betrachten sie die Besucher.


Besucher vor Kirchners Davos-Bildern. Foto: Ursula Wiegand

Die jetzige Ausstellung dankt auch denjenigen, die frühzeitig Kirchners außergewöhnliche Begabung erkannten, seine Werke sammelten und ihn finanziell unterstützten.

Kirchner hatte zunächst Architektur studiert und in Dresden Kommilitonen gefunden, die genau wie er den Aufbruch wagten: Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl. Diese Vier gründeten 1905 die Künstlergruppe „Die Brücke“, der sich bald Erich Nolde und Max Pechstein anschlossen. Sie bauten dem Expressionismus eine Brücke und sind – gemeinsam mit weiteren Weggenossen Kirchners – ebenfalls in dieser Ausstellung vertreten.


Karl Schmidt-Rottluff, Lupinen in Vase, 1921. Foto: Ursula Wiegand

Dass sie wohl auch nach Auflösung der „Brücke“ (1913) einander inspiriert haben, ist unverkennbar. Karl Schmidt-Rottluffs „Lupinen in Vase“ von 1921  zeigen ähnliche und ähnlich starke Farben wie das von Kirchner einige Jahre zuvor gemalte Triptychon Alpleben oder das spätere sommerliche Davos. Vielleicht bildet diese Farbenpracht auch ein lebensbejahendes Contra gegen die vorherigen Schrecken des Krieges.


Kirchner, Alpleben, Triptychon, 1917-19. Foto: Ursula Wiegand

Kirchners berühmte Berliner Straßenszenen, die er nach der Übersiedlung in die lebhafte deutsche Hauptstadt (1911) malte, sind hier nicht zu sehen, stattdessen aber zahlreiche Akte, von Beginn an ein Markenzeichen dieses Malers mit dem Faible für Frauen.


Kirchner, drei Akte, 1915-1925. Foto: Ursula Wiegand

Seine Lebensgefährtin Erna Schilling (1884-1945), die er 1912 kennengelernt hatte, hielt dennoch zeitlebens zu ihm. Kirchners Porträts zeigen sie mit herben Zügen und ohne eine Spur von Lächeln.


Kirchner, Kopf Erna, 1917. Foto: Ursula Wiegand

Kirchner, auch handwerklich geschult, zimmerte und schnitzte für sie ein solides Bett aus Schweizer Arven- und Föhrenholz. Wie die Datierung verrät, hat er insgesamt drei Jahre dafür gebraucht.


Kirchner, Bett für Erna, 1916-19. Foto: Ursula Wiegand

Zwei Personen hatten in diesem Bett kaum Platz, und eine Skulptur zeigt Ernst und Erna fast so ähnlich wie Bruder und Schwester. Ganz anders muss das beim Ehepaar Hembus gewesen sein, das Kirchner, als großes, vor Verlangen sprühendes Liebespaar in Szene setzte.


Kirchner, Grosses Liebespaar, Ehepaar Hembus, 1930. Foto: Ursula Wiegand

Kirchner selbst hatte als Mann von fünfzig angeblich noch Affären. Sein Selbstbildnis aus dieser Zeit trägt jedenfalls eine nackte Schöne im Auge.


Kirchner, Profilkopf Selbstbildnis, 1930. Foto: Ursula Wiegand

Es ist ein Holzschnitt, und auch darin war Kirchner ein Meister. In dieser Technik hat er höchst adäquat Schweizer Bauerngesichter verewigt, Männer mit vom Wetter gegerbten Zügen und teils kräftig wuchernden Bärten.


Kirchner, Bauernkopf Andreas, 1921. Foto: Ursula Wiegand

Kirchner, allem Neuen aufgeschlossen, wandte sich auch der Fotografie zu. So hat er die drei alten Frauen zuerst abgelichtet, ehe er sie anschließend in Öl malte.

Vielleicht hat er auch den Lehrer Florian Bätschi und seine Schüler fotografiert, bevor er dieses Auftragswerk als farbig gefasstes Holzrelief für die betreffende Schule schnitzte. Es sind realistische Porträts mit Witz und gewissem Hintersinn, geeignet zum Schmunzeln und insofern fast ein Unikat.


Kirchner, Lehrer Florian Bätschi mit Schulkindern, 1936. Foto: Ursula Wiegand

Zu Kirchners letzten Bildern gehören zudem die Bogenschützen, eine der flächig-abstrakten Darstellungen seiner späten Jahre. Hat er selbst sein Ziel verfehlt? Keineswegs, wie seine Werke beweisen. Auch Davos hat mit seinem Museumsbau ins Schwarze getroffen.


Kirchner, Bogenschützen, 1935-37. Foto: Ursula Wiegand

Infos: Ausstellungsdauer noch bis 21. Juni 2013.
Öffnungszeiten Dienstag – Sonntag von 10-18 Uhr, ab 23. April nur von 14-18 Uhr. Montags geschlossen. Eintritt Erwachsene 12 Franken, Kinder und Studenten
5 Franken. Öffentliche Führung dienstags um 18.30 Uhr (15 Franken inkl. Eintritt). Anmeldung für private Führungen unter 0041-81-4106300.

(Ursula Wiegand)

 

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