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SAVONLINNA/Opernfestspiele: LA TRAVIATA . Neuproduktion

16.07.2013 | KRITIKEN, Oper

Savonlinna: La Traviata – 15.7.2013

Nach ”Samson et Dalila” war ”La Traviata” die zweite Neuproduktion der Opernfestspiele von Savonlinna. Angesichts der Tatsache, dass alle 8 Vorstellungen ausverkauft waren, verbietet sich der skeptische Einwand von allein, ob dieses mehr kammerspielartige Stück ohne große Massenszenen wirklich „burggerecht“ sei. Laut Theaterzettel wurde die Verdi-Oper „in Partnerschaft mit der Polnischen Nationaloper“ gegeben, was nichts anderes bedeutete, als dass man eine im Februar 2010 herausgekommene Produktion des dortigen Künstlerischen Direktors MARIUSZ TRELIŃSKI in den Bühnenbildern BORIS KUDLIČKAs eingekauft hatte. An den überlangen Pausen, selbst zwischen der 2. Szene des 2. Akts und dem Schlussakt, konnte man ablesen, dass diese Übertragung nicht vollständig gelungen war. Mein erster Eindruck von der Eingangsszene „Junger Mann vom Lande erhält zum Abitur einen Besuch im Bordell geschenkt und verliebt sich in die Puffmutter“ war allerdings ein irriger, denn der Regisseur hatte den 1. Akt (sowie die 2. Szene des 2. Akts) lediglich in einen Nachtklub verlegt, was den reizvollen Nebeneffekt hatte, schönen jungen Tänzerinnen bei ihrer Kunst zuzusehen. Schade nur, dass dem Komponisten keine zu ihren Tänzen passende Rap-Musik eingefallen war. Diese Eingangsbemerkungen sollten allerdings nicht zu dem Trugschluss verleiten, dass Treliński das Stück gegen den Strich gebürstet hätte. Dem war nicht so, denn abgesehen von der „Idee“, Violetta zu Beginn des 2. Akts in einem Negligé mit übergeworfenem Bademantel auftreten und Alfredo seine Arie beim Absolvieren einiger Golfschläge singen zu lassen, erzählt der Regisseur keine andere als die bisher gewohnte Geschichte. Es wäre nun zu einfach, diese Produktion als „alten Wein in neuen Schläuchen“ abzuqualifizieren, denn dazu ist Treliński als Regisseur einfach zu gut, und es gelingt ihm, aus Sängern singende Schauspieler zu machen, die das Zusehen, das Mitleiden zu einem Erlebnis werden lassen. Es mag an der Figurenkonstellation gelegen habe, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, der jugendlich wirkende Alfredo litte an einem Mutterkomplex und habe sich deshalb in die reifere Violetta verliebt. Mit anderen Protagonisten wäre ich womöglich zu einer anderen Einschätzung gelangt.

 Angesichts des riesigen Beifalls, der JENNIFER ROWLEY am Schluss entgegenschlug, sollten bei ihr, ihrer Agentur und den sie Engagierenden trotzdem etwaige Zweifel nicht unterdrückt werden, ob sie für die Partie der Violetta (noch) die Richtige sei. Zweifellos besitzt die Sopranistin, die im letzten Jahr zweifelhafte Berühmtheit erlangte, als sie vom Royal Opera House Covent Garden nur wenige Tage vor der Premiere von „Robert le Diable“ von ihrer Mitwirkung entbunden wurde, eine schöne, d.h. vor allem interessant timbrierte Stimme. Doch konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie ihre Mittellage zu breit führte und demnach in einem anderen Fach besser aufgehoben wäre, in dem es nicht so sehr auf sauber ausgeführte Koloraturen und problemloses Erreichen von Spitzentönen ankommt, die bei ihr reichlich grenzwertig waren. Trotz dieser Einwände wegen ihrer szenischen Präsenz eine beeindruckende Leistung.

 Auch der junge Mariinsky-Russe MAXIM AKSENOV war im Grunde genommen eine Fehlbesetzung. Man sollte einem Zwischenfach-Tenor, der als Pique Dame-Hermann, als Kitezh-Vsevolod, als Don José (um nur einige seiner Glanzpartien zu nennen) zu großen Leistungen fähig ist, nicht eine einen leichten lyrischen Tenor erfordernde Partie wie den Alfredo anbieten (und er sollte sie nicht annehmen). So angenehm es war, seiner frischen Stimme mit den imponierend heraus gewuchteten metallischen Spitzentönen zu lauschen, so sehr vermisste ich, was einen guten Alfredo ausmacht: Schmelz, Phrasierungsreichtum, Nuancen, Stilsicherheit. Über diese Fähigkeiten verfügte MARCO CARIA als Giorgio Germont in hohem Maße. Von diesem Bariton, im Festengagement an der Wiener Staatsoper, wird man mit Sicherheit in der Zukunft noch viel Erfreuliches hören. Er brachte in seiner stimmlichen Interpretation jenen Schuss Italianità mit, den sein Tenor-Kollege vermissen ließ. Auffallend schöne Stimmen in kleineren Partien : ADRIANA BASTIDAS-GAMBOA (Annina) und PIETRO TOSCANO (Dottore Grenvil).

Der Dirigent PAOLO OLMI teilte das Schicksal vieler Kollegen, die bei so viel Bühnenaktionismus kaum auffielen. Nimmt man dieses Urteil positiv, passierte auch nichts Negatives, was zum Auffallen aufgefordert hätte.

 Sune Manninen

 

 

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