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SARAH CONNOLLY: „Ich singe, was in meiner Seele ist“

17.02.2018 | INTERVIEWS, Sänger

Foto Connolly xx
Foto: privat / Staatsoper: Pöhn

 

SARAH CONNOLLY

„Ich singe, was in meiner Seele ist“

Dame Sarah Connolly kommt mit einer todchicen blonden Kurzhaarfrisur zum Interview, die sie sich eben erst hat schneiden und legen lassen: So wird sie als „Ariodante“ in Händels Oper auf der Bühne der Wiener Staatsoper stehen. Sie beantwortet gerne alle beruflichen und auch privaten Fragen, weiß nur auf eine keine Antwort: Warum es bis zu ihren Debut an der Wiener Staatsoper so lange gedauert hat…

Das Gespräch führte Renate Wagner in englischer Sprache

Dame Sarah, wenn man Ihr Repertoire überblickt, das allein zwölf große Händel-Rollen verzeichnet – kann man sagen, dass dieser Komponist der wichtigste Ihrer Karriere ist?

In England ist man von einer Händel-Tradition umgeben, man denke nur an Vorbilder – etwa Janet Baker, für mich als Mezzosopran. Und Sir Charles Mackerras hat ungeheuer viel für den originalen Händel-Klang getan, wobei man diesen Komponisten auch auf unseren Instrumenten spielen kann, wenn man es richtig macht. Ich kann sagen, dass ich mit Händel aufgewachsen bin. Ihn und alte Musik überhaupt zu studieren, erfordert allerdings ungeheure Disziplin, man muss sich intensiv mit dem Ausdruck des Gesungenen beschäftigen – bei Bach zum Beispiel besteht ein spürbarer Unterschied in der Dynamik darin, ob er eine Phrase einen Mann oder einer Frau in den Mund legt. Bei Händel geht es da sehr um Emotionalität, und doch besteht natürlich ein Unterschied, ob man eine Frauenrolle singt oder, wie als Xerxes, Giulio Cesare oder eben Ariodante, einen Mann.

Ich habe Sie 2007 in der English National Opera in der Titelrolle von Händels „Agrippina“ gesehen, das war wirklich faszinierend. Ist Ariodante eine ebenso interessante Rolle?

Mehr noch! Ich bin auch nicht die Einzige, die „Ariodante“ für Händels beste, dichteste, gelungenste Oper hält. Und der Titelheld ist in seiner tiefen Anständigkeit und inneren Reinheit fast eine christusartige Figur. Darum habe ich mir auch, nebenbei gesagt, diese Blondhaar-Frisur zugelegt, weil ich denke, dass sie auf der Bühne wie ein Signal diese Reinheit von Ariodante ausstrahlt… In der ebenso reinen Ginevra findet er eine Seelenverwandte, und dass diese Beziehung zerstört wird, bringt ihn fast um, so ungeheuerlich ist die Enttäuschung und der Zweifel an allem…

Es ist ein bisschen eine Othello-Situation, die Geliebte wird verleumdet, und der Betroffene stürzt in den Abgrund, weil er es einfach glaubt. Wie geht denn das?

Ja, wir als Frauen würden uns die Verleumdeten hernehmen und der Sache auf den Grund gehen, aber es ist verständlich, dass Ariodante sich in diesen Strudel von Intrigen hineinziehen lässt und nur noch sterben will – was ihm ja glücklicherweise nicht gelingt.

Sie haben den Ariodante 2016 in Amsterdam in der Regie Richard Jones gespielt, der das Geschehen in ein schottisches Fischerdorf im 20. Jahrhundert versetzt hat, ein bisschen in eine „Peter Grimes“-Welt. War es leicht für Sie, Ihren mittelalterlichen Ritter und sein grandioses Schicksal in diese kleine Dorfwelt zu verpflanzen?

O nein, gar nicht, und ich sage auch offen, dass ich mit vielem an dieser Inszenierung nicht einverstanden war. Mir hat wirklich nicht jeder Aspekt eingeleuchtet. Darum bin ich so froh, das Werk hier in Wien mit David McVicar zu machen, nicht nur, weil es doch wieder im Schottland des 16. Jahrhunderts spielt, sondern weil es als Gesamtbild elegant, schön – und auch wahrhaftig ist.

Foto: Wiener Staatsoper / Pöhn

Sie werden mit David McVicar ja als nächstes diesen Sommer in Glyndebourne wieder für „Giulio Cesare in Egitto“ zusammen arbeiten und damit an einen Ort zurückkehren, dem Sie vermutlich mehr verbunden sind als jedem anderen?

Ja, wir machen die, glaube ich, schon dritte Wiederaufnahme dieser Inszenierung, die wirklich und zu Recht legendär ist, und das wird dann wohl die letzte sein. Glyndebourne ist für mich tatsächlich immer besonders wichtig gewesen – dort war ich als Anfängerin im Chor, hatte allerdings nicht das Glück wie andere Kollegen, Gerald Finley, zum Beispiel, die da schon in ihren Anfängen kleine Rollen singen durften. Ich musste wieder kommen – und tat es mit dem „Giulio Cesare“. Und habe seither immer wieder gerne hier gesungen.

Der „Guardian“, die britische Zeitung, hat ja die Freundlichkeit, für Opernfreunde in aller Welt jeden Sommer eine Produktion aus Glyndebourne zu streamen. Da konnte ich Sie als Gertrud in dem neuen „Hamlet“ von Brett Dean sehen. Sie singen ja gerne Altes, neben Händel etwa Monteverdi, Rameau, Purcell, Gluck – und ganz Neues.

Das kann man so sagen, und ich hoffe, der „Hamlet“ hat Ihnen gefallen, ich finde, es ist ein sehr interessantes Werk. Und es schadet meiner Stimme nicht, ebenso wenig wie etwa die Geschwitz in der „Lulu“. Was ich absolut nicht kann und will, wäre etwa Rossini zu singen, das ist nicht meins. Ich mag Bellini, habe den Romeo gesungen, Donizetti, da war ich die Maria Stuarda, aber die Italiener spielen eigentlich keine Rolle in meinem künstlerischen Leben.

Und dabei sind Verdi und Puccini für viele Sänger lebenslang Brot und Butter. Seltsamerweise findet sich auch fast kein Mozart bei Ihnen…

Da hat mich immer nur „Titus“ interessiert, nicht der Annio, den ich einmal gesungen habe und nicht mochte, wohl aber der Sesto. Seltsamerweise ist der Idamante nie auf mich zugekommen – und auch der Cherubino nicht, aber dafür ist es ja definitiv zu spät. Man kann nicht immer erklären, wie eine Karriere läuft.

Dafür haben Sie Wagner für sich entdeckt.

Ja, und das mit Kopfsprung, als ich 2009 in Glyndebourne als Brangäne einsprang. Ich habe damals sechs Wochen vor Probenbeginn angefangen, die Rolle zu lernen – das mache ich dann mit meinem tragbaren Klavier, ich habe es mir selbst beigebracht, und das ist sehr ökonomisch. Und dann kam die Fricka, die mich sehr fasziniert. Ich versuche, sie in der „Walküre“ zu einer sympathischen Figur zu machen…

Was ja gar nicht leicht ist, wenn ich denke, wie viele Frickas ich schon gesehen habe, die gnadenlos auf Wotan einzanken…

Ja, und das muss ja nicht sein. Es geht ja um den Ausdruck, den man einer Phrase gibt, und ich bin Liedersängerin, ich werde „Achtest Du rühmlich der Ehe Bruch“ nicht wütend als Anklage herausschleudern, ich kann das ja auch wie ein Advokat mit Wotan verhandeln. Als Fricka bin ich natürlich die Hüterin der Ehe und damit Hunding verpflichtet, aber ich bin – selbst kinderlos – auch sehr verletzt, dass Wotan Kinder von anderen Frauen hat und dass er diesen nun ohne weiteres Inzucht gestatten will. Da argumentiere ich ja gegen seinen eigenen Untergang, den er sich damit bereitet. Nein, Fricka ist für mich eine absolut positive Figur, und wo immer ich sie auf meine Weise interpretiert habe, hat man es zumindest als interessant anerkannt.

Und Sie würden Ihre Fricka ja auch nicht landauf, landab singen, wenn sie nicht überzeugend wäre?

Ja, es kommen viele „Ringe“ auf mich zu, in London, in Paris, auch in Madrid.

Aber in New York werden Sie nicht die Fricka, sondern erstmals die Waltraute in der „Götterdämmerung“ singen. Wie geht es weiter?

Gar nicht. Das ist meine letzte Wagner-Rolle. Keine Ortrud, keine Venus, keine Kundry. Ich könnte es, aber ich will die Weichheit meiner Stimme bewahren, die Flexibilität, und die kann man bei solchen Rollen leicht einbüßen. Light and Shade, Licht und Schatten, sind für mich ganz wichtig. Ich bin, ich wiederhole es, Liedersängerin, ich will diese Wagner’sche Überdramatik nicht leisten. Aber selbst mit den wenigen Rollen, die ich jetzt von ihm singe, ist er für mich ein ganz wichtiger Bestandteil meines künstlerischen Lebens.

Überhaupt die deutsche Sprache mit Liedern…?

Oh ja, Schumann, Brahms, Strauss, vor allem Mahler, den ich liebe wie keinen anderen. Dass ich in Berlin mit Wladimir Jurowski, mit dem ich schon die Zweite Mahler gesungen habe, und mit Stuart Skelton als Partner „Das Lied von der Erde“ machen darf, das ist für mich ein absoluter Höhepunkt (“Heaven“). Ich singe am liebsten, was in meiner Seele ist…

Dame Sarah, ich weiß, ich muss Sie nicht so ansprechen, aber immerhin – es ist doch eine Ehre, von der englischen Königin mit diesem Titel ausgezeichnet zu werden?

Ja, natürlich, normalerweise bekommt man ihn allerdings, wenn die Karriere schon vorbei ist, ich glaube, Bryn Terfel – der jetzt „Sir Bryn“ ist – und ich sind die einzigen, die noch während ihrer aktiven Zeit mit diesem „Ritterschlag“ for services to music bedacht wurden.

Erzählen Sie uns ein bisschen, wie Sie leben?

Mein Mann, meine 14jährige Tochter Lily und ich leben in Gloucestershire in der Nähe von Bristol, das ist sehr schön und ländlich mit Natur und Schafen rundum. Als Lily noch kleiner war, habe ich – sehr zum Entsetzen meines Agenten – immer nur eine Neuinszenierung pro Jahr angenommen, um nicht allzu viel von zuhause weg zu sein. Und das musste sich auch von der Rolle her lohnen. Was nützen mir die Salzburger Festspiele, wenn ich für sechswöchige Abwesenheit von meiner Familie dann die Meg Page singen soll? Da muss man mich schon mit Händel-Helden und –Heldinnen reizen… wie jetzt in Wien. Lily und mein Mann sind jetzt bei mir, und für ihn ist es von Berufs wegen ganz besonders aufregend, in der Stadt Sigmund Freuds zu sein!

Dann kann man ja nur hoffen, dass Sie bald wiederkehren? Wir fragen uns ja auch, wieso Ihr Debut an der Staatsoper so verhältnismäßig spät kam?

Die Wiener Staatsoper hat eine wunderbare Akustik für alte Musik. Ich würde wahnsinnig gern den Nerone in „L’Incoronazione di Poppea“ hier singen. Ich muss mit Dominique Meyer darüber sprechen, ich finde, die Staatsoper sollte Monteverdi nicht ausschließlich dem Theater an der Wien überlassen… Warum ich so spät erst nach Wien komme, nachdem ich seit zwei Jahrzehnten überall Händel und alte Musik singe? Ich weiß es nicht. Fragen Sie den Direktor.

Und hoffen wir erstens, dass „Ariodante“ für Sie und das Team der verdiente Erfolg werden wird – und der Direktor noch in seiner Ära ein Wiedersehen arrangieren kann!

 

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