SANTA CRUZ de Tenerife: Konzert der Musiciens du Louvre Grenoble unter Marc Minkowski am 4.2.2015
Teneriffa: Auditório Ádán Martín de Santa Cruz (Schauplatz des Konzerts der Musiciens du Louvre). Innenraum, nachempfunden dem Vulkan Teide. Foto: Dr. Klaus Billand
Von Januar bis Februar fand auf den kanarischen Inseln wie jedes Jahr das Festival International de Música de Canarias, statt, das „Internationale Musikfestival der Kanarischen Inseln“, diesmal bereits mit seiner 31. Ausgabe. Organisiert von der Regierung der Kanarischen Inseln in Zusammenarbeit mit den Inselräten und Sponsoren bot das Festival dieses Jahr über 40 Konzerte, wobei allein 20 auf die beiden Hauptkonzertsäle entfielen, das Alfredo Kraus Auditorium in Las Palmas de Gran Canaria und das Auditorium von Teneriffa „Adán Martín“, einem spektakulären Bau des avantgardistischen katalanischen Architekten Calatrava in der Bucht der Inselhauptstadt Santa Cruz. Aber auch auf den übrigen Inseln des zu dieser Zeit nahezu frühlingshaften Archipels fanden Konzerte statt, und zwar auf La Palma, Fuerteventura, Lanzarote, La Gomera, El Hierro and La Graciosa. Dabei traten international bekannte Künstler auf wie der Komponist und Dirigent Krzysztof Penderecki, die Dirigenten Yuri Termirkánov, Trevor Pinnock und Marc Minkowski, der Pianist Maria João Pires, Countertenor Bejun Mehta und die Geigerin Lara St. John, aber auch bedeutende nationale Künstler wie der Pianist Javier Perianes oder Xavier de Maistre. Zudem nahmen große Ensembles teil wie das St. Petersburg Philharmonic Orchestra, die britische Britten Sinfonia und die Musiciens du Louvre, I Turchini und die Akademie für Alte and Musik Berlin. Natürlich spielte auch das Tenerife Symphony Orchestra and Philharmonic Orchestra of Gran Canaria eine wesentliche Rolle.
Marc Minkowski hatte sich mit seinen historisierenden Musiciens du Louvre Grenoble ein anspruchsvolles Programm für das gut besuchte Abendkonzert im Auditorium „Adán Martín“ von Santa Cruz ausgesucht, und zwar Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23, A-Dur, KV 488, das im Jahr des „Figaro“ 1786 entstand, sein Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 A-Dur, KV 219, sowie nach der Pause noch Franz Schuberts Symphonie Nr. 9 C-Dur, D 944. Bevor Francesco Corti, der Spieler des Cembalo (im Programm als Harpsichord bezeichnet) an seinem Instrument Platz nahm, richtete Marc Minkowski einige erläuternde Wort an das Publikum, welche Besonderheit es sei, an diesem „fernen Ort“ ein solch diffiziles und empfindliches Instrument überhaupt spielen zu können. Damit war die nötige Ehrfurcht vor diesem daraufhin meisterhaft musizierten Klavierkonzert erzeugt. Atemlose Stille im Publikum, wenn im 1. Satz Allegro die warm klingenden Hörner auf das erste Solo des Cembalos antworten und die Thematik aufnehmen. Hier besticht besonders die federnde Leichtigkeit des Dirigats von Minkowski, der einen interessanten Dialog zwischen dem Orchester mit dem Hauptthema und dem filigranen Spiel Cortis am Soloinstrument herstellt. Der 2. Satz Adagio beginnt langsam, fast melancholisch, und mit einem nahezu kontemplativ wirkenden Piano. Die lyrisch romantischen Klänge der Hornisten werden von den Streichern mit größter Präzision und Harmonie übernommen. Bei den Soli in diesem Satz scheint es im Saal vor Konzentration zu knistern. Nicht nur hier wird verständlich, warum sich Alfred Einstein in seinem Buch „Mozart. Sein Charakter, sein Werk“ 1947 so schwärmerisch zu diesem Klavierkonzert äußerte. Den 3. Satz Allegro assai beginnt Minkowski mit beschwingter Dynamik. Mit jeder Bewegung ist hier zu erkennen, wie sehr sich seine Musiker bis ins kleinste Detail mit ihm verstehen. Herrlich gelingt das Solo des Cembalos, dann die Übernahme der Melodie durch die Klarinetten, die ja in diesem Konzert die Oboen ersetzen. Es entsteht ein lebhafter musikalischer Dialog zwischen Cembalo und Orchester bei klarer Linienführung in den Themen, bis Minkowski mit einem fulminaten Tutti das Stück zu Ende führt. Großer Applaus!
Der Erste Geiger der Musiciens du Louvre Grenoble, Thibault Noally, tritt im zweiten Stück des Abends als Solist des Konzerts für Violine und Orchester Nr. 5 A-Dur, KV 219 hervor. Der 1. Satz Allegro aperto beginnt rhythmisch, und es ist interessant zu hören, wie perfekt das Orchester auf die führende thematische Linie der Solovioline antwortet, fast wie in Stile eines Kommentars. Noally demonstriert mit seinen Soli große Versiertheit am Instrument und lässt viele Facetten bei passender Dynamik und guter Feinzeichnung anklingen. Im 2. Satz Adagio nimmt die Solovioline zunächst die Rolle einer Begleiterin des Orchesters ein, wobei hier stets die erforderliche Harmonie stimmt. Später setzt Noally mit der tonangebenden Linienführung der Geige starke solistische Akzente. Ganz andere Klänge sind im Schlusssatz Rondo. Tempo di Menuetto zu hören, in den Mozart ja türkische Themen und Melodien anklingen lässt. Großartig gelingt hier die besondere Lebhaftigkeit und Rhythmik der Geige gegenüber dem Orchester, wobei beide unter der gefühlvollen Stabführung von Minkowski die unorthodoxen Harmonien meistern. Das Publikum ist nach dem emphatischen Ende dieses Stücks so begeistert, dass die beiden Solisten noch eine Zugabe spielen müssen.
Nach der Pause gibt es noch Franz Schuberts Symphonie Nr. 9 C-Dur, D 944, und es gelang gleich zu Beginn des 1. Satzes Andante – Allegro, man in troppo – piú moto mit den Hörnern die Ruhe der Natur zu vermitteln, die sich dann romantisch gehaltvoll in den Holzbläsern und Streichern fortsetzt. Die Flöten und Oboen können sich im Weiteren solistisch auszeichnen. Auch in den drei Folgesätzen bewiesen die Musiciens du Louvre mit dem nun größeren Ensemble unter dem äußerst einfühlsam dirigierenden Marc Minkowski ihre hohe Schubertsche Kunst, indem sie sowohl transparenten Klang in den rhythmischen und dramatischen Passagen erzeugten, aber auch die verinnerlichten Momente fein auszumusizieren wussten. Sie wurden der Themenfülle und den vielen mit dieser Symphonie verbundenen Assoziationen eindrucksvoll gerecht. Großer Applaus des fachkundigen Publikums nach diesem bemerkenswerten Konzert.
Klaus Billand