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SANDERSDORF bei Ingolstadt: IL CARETTO DEL VENDITORE D’ACETO (Der Essighändler) von Simon Mayr

29.07.2013 | KRITIKEN, Oper

SANDERSDORF bei Ingolstadt / IL CARETTO DEL VENDITORE D’ACETO (Der Essighändler) von Simon Mayr am 27.7.2013 (Iris Winkler)

 PierAngelo Pelucchi gab mit einer munteren Wandertruppe Studierender aus Udine, Mitglieder des Orchesters Academia Symphonica, einer Sängerin und vier Sängern ein einzigartiges Gastspiel in Sandersdorf im oberen Schambachtal, Gemeinde Altmannstein, Landkreis Eichstätt. Zur Aufführung gelangte im passenden italienischen Flair des Sandersdorfer Schlosses bei strahlendem Wetter eine kleine, sehr feine venezianische Farsa von Giovanni Simone Mayr.

Am 28. Juni 1800 ist diese Farsa „Il carretto del venditore d’aceto“ mit einem Libretto von Giuseppe Maria Foppa im Teatro Sant’Angelo in Venedig erstmals gespielt worden. Schon bald danach wurde sie, nicht nur von Wandertruppen, verbreitet. Sie eroberte nicht zuletzt Dresden, Barcelona, Wien, Amsterdam, Lissabon, London. Sie erklang 1821 in München; in dieser Zeit war die Landeshauptstadt immer noch ein wichtiger Schauplatz für Mayrs Opernwerke.

Das wirtschaftlich heruntergekommene Venedig zur Zeit Mayrs wird sich im bankrotten Kaufmann Girardo wiedererkannt haben. Girardo hofft seine Tochter mit Flamminio zu verheiraten, der seinerseits nur auf deren Mitgift aus ist und außer Aufschneiderei und Ordensschmuck keine Qualitäten aufzuweisen hat. Girardos Tochter Metilde und Vittore, der beim Kaufmann in die Lehre geht und Sohn eines Essighändlers ist, lieben sich. Das selbst verdiente und sauer ersparte Vermögen des Essighändlers Prospero steht gegen den Aktienverlust, lässt großmütig die Traumhochzeit Wahrheit werden und sorgt für ein glückliches Ende.

Nach der mitreißenden Sinfonia, die bei den Zeitgenossen in verschiedenen Bearbeitungen beliebt war, kommt schon in der Introduzione Vittores schüchterner, zaghafter, nervöser Charakter deutlich zum Vorschein. Der lyrischen Tenor Livio Scarpellini stellte unter Beweis, dass auch leise Töne tragfähig sind und Komik und Lyrik in einer Person sich keineswegs ausschließen.

Sein Kontrahent Michele Gallas, ebenfalls Tenor, debütierte als Flamminio, dem blasierten Aufschneider in bedächtiger Noblesse. Ebenso sind die tiefen Männerstimmen, beide Stimmfach Bariton, als ein Gegenpaar angelegt: Davide Rocca mimte mit sonorem Stimmklang den Kaufmann in Finanznöten Girardo und Daniele Piscopo spielte den herausragenden Titelheld, die rettende Vaterfigur.

Mit italienischem Belcantoschmelz und Stimmgewalt interpretierte Piscopo seine Rolle überzeugend. Seine figarohafte Cavatina, sein „Lalalalala“, sein burschikoser Tanz, sein Werberuf „aceto forte“ blieben jedem im Ohr und sorgten für beste Unterhaltung. Die einzige weibliche Person im Spiel ist Metilde. Clara Bertella zeigte sich witzig, schnippisch, aber auch fähig zu ariosen Liebesschwüren in Donizetti-Bravour.

Dirigent PierAngelo Pelucchi leitete temperamentvoll sein fabelhaftes junges zehnköpfiges Orchesterchen, mit einer virtuosen Konzertmeisterin an der Spitze, nur einfach besetztem Streicherapparat und entsprechend angepasster Bläseradaption gemäß einer Aufführungspraxis, die derjenigen an kleineren Theatern der Zeit Mayrs entsprochen haben dürfte. Die Musiker agierten vortrefflich im Zusammenspiel mit den Gesangsstimmen.

Das kleine Meisterwerk ist eine außergewöhnliche Farsa giocosa, die zumeist als Einakter tituliert wird, jedoch in doppelter Finalwirkung zwei sich steigernde Teile erkennen lässt. Mit traditionell cembalobegleiteten Parlando-Rezitativen steht sie in der Gattung der Opera buffa, in der Charakterdarstellung und Thematik weist sie auf das zeitgenössische Rührstück und bürgerliches Singspiel und verlangt damit von den Sängern vor allem schauspielerische Qualitäten.

Altmannstein und Sandersdorf wussten den Komponisten Simon Mayr – er wurde im Gemeindeteil Mendorf geboren – auch diesmal gebührend zu schätzen und seinen 250. Geburtstag auf das Allerbeste zu feiern. Keine Mühen wurden bei der Vorbereitung gescheut. Das Haus Wittelsbach gehörte zu den Förderern. Ganz im Einklang mit dem Inhalt des Stückes, den Gold- und Silbermünzen („dieci mila scudi“) und der Figur des Essighändlers Prospero, erschien wie eine Dea ex machina Baronin Margarete de Bassus. Die langjährige Mayr-Mäzenin honorierte in der Tradition des Hauses de Bassus die künstlerische Leistung der Gäste aus Italien mit großzügiger Geste und einem erheblichen Zuschuss. Ihr Vorfahre Thomas Maria de Bassus war einst ein wesentlicher Förderer des jungen Simon Mayr.

PierAngelo Pelucchi dankte für den nicht enden wollenden Applaus, erinnerte an die Rossini-Festspiele in Bad Wildbad und regte künftige Mayr-Festspiele in Sandersdorf an. Eine zweite Aufführung des „carretto del venditore d’aceto“ hätte bestimmt einen weiteren ausverkauften Sandersdorfer Schlosshof vorgefunden.

 Dr. Iris Winkler

 

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