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SALZBURG/Mozartwoche: WIENER PHILHARMONIKER/ BYCHKOV/ KULMAN

2. Februar 2013, Salzburg/Mozartwoche, Wiener Philharmoniker unter Semyon Bychkov mit Elisabeth Kulman

Angesetzt war das Konzert der Wiener Philharmoniker zum Abschluss der Salzburger Mozartwoche ursprünglich mit Georges Prêtre am Pult. Eine schwere Bronchitis machte dem 88-jährigen (!) Dirigenten aber einen Strich durch die Rechnung, kurzfristig sprang Semyon Bychkov mit leicht geändertem Programm ein. Den Beginn machte die Symphonie in C-Dur von Georges Bizet, die der Schöpfer der Carmen im Alter von gerade mal 17 Jahren schuf. Ein durchaus gefälliges Werk, dessen 4. Satz an die Streicher nicht gerade geringe technische Anforderungen stellt. Davon war aber bei der Wiedergabe durch das Wiener Vorzeigeorchester nicht viel zu merken. Die flinkesten Läufe perlten nur so dahin, wie spielerisch und ohne Anstrengung wirkte das alles. Bychkov ziselierte auch die einzelnen Orchestergruppen fein heraus, von französischem Charme blieb aber nur wenig übrig, ein Vergleich zu Prêtre wäre hier sicher reizvoll. Anstelle der Prager Symphonie dirigierte Bychkov nach der Pause die Jupiter-Symphonie (KV 551) von Wolfgang Amadeus Mozart. Auch hier strahlendes C-Dur, auch hier glasklares Musizieren, analytisch und exakt. Weit weg vom Originalklangkonzept, das allerorts so in aller Munde ist. Einfach feinster Mozart wie ihn das Publikum kennt und liebt. Im Finale spürt man in den Holzbläserpassagen sogar Mozarts Modernität intensiv und nachdrücklich.

Zwischen diese beiden Symphonien eingebettet erklangen die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner, interpretiert von der Mezzo-Sopranistin Elisabeth Kulman. Und hier kam mir der in vielen Skifahrer-Interviews bemühte Satz in den Sinn: „Wenns laft, dann lafts!“ Denn das kongeniale Musizieren der Philharmoniker mit der immer noch besser werdenden Kulman brachte den Zuhörer unter der behutsamen Ägide von Bychkov in höhere musikalische Sphären. Wagner benötigt für diese Entrücktheit meist ein 100-Mann-Orchester und eine Aufführungsdauer von fünf Stunden. Diesmal schafften es die Herrschaften am Podium in kürzester Zeit mit diesen gleichsam wie Miniaturen wirkenden fünf Liedern. Kulmans warme, samtene Stimme und der flirrende Klang der Philharmoniker harmonierten perfekt. Zwei der fünf Lieder wurden von Wagner ja ausdrücklich als „Studien zu Tristan und Isolde“ komponiert und es sollte nach diesem Abend eigentlich nicht mehr lange dauern, bis man die Burgenländerin endlich wieder in einer Wagner-Partien auf der Bühne der Wiener Staatsoper sieht und hört. Etwa als Brangäne im neuen Tristan, der im Juni Premiere haben wird. Und das hoffentlich ohne einen so folgenschweren Unfall wie sie ihn bei den Proben zu dieser Oper in Bochum erlitten hatte und der ihre künstlerische Entwicklung kurzzeitig unterbrach. Aber dieses Missgeschick hatte wahrscheinlich auch etwas Gutes, denn die Ernsthaftigkeit Kulmans in ihren Interpretationen nahm seither noch mehr zu. Ein paar Kostproben?  Wenn sie singt „Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen“ dann versinkt man in seinem Sessel im Großen Festspielhaus und verharrt wahrlich in diesem staunendem Schweigen. Und wenn es im Finale dann heißt „Sanft an deiner Brust verglühen. Und dann sinken in die Gruft“ und das piano-Nachspiel des Orchesters zart die letzten Töne verhaucht, dann begreift man das Wort Metamorphose in all seinen Bedeutungen. Es wurde jedem im Saal klar, was ein solches Miteinander in der Musik bewirkt. Und so waren auch die Reaktionen der Beteiligten: Den Blumenstrauß an Kulman überreichte der Dirigent himself, die Philharmoniker applaudierten spontan ohne Ausnahme der Interpretin und Kulman sagte mir später beim Autogrammschreiben: „Ich muss mich vor denen niederknien!“

Ernst Kopica

 

 

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