Salzburger Festspiele 2013 Haus für Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart “COSI FAN TUTTE”
2. Vorstellung 23.August 2013
Im Gewächshaus der Gefühle
Schon 1872 schrieb Eduard Hanslick: “Jeder der Darsteller muß die Kraft in sich fühlen, dem Werk in schwachen Momenten die Todesgefahr der Langeweile fernzuhalten”. Zwar irrte Hanslick wie so oft, die “Cosi” hat keine schwachen Momente und heute findet das Textbuch volle Anerkennung, das doch für ihn noch “grenzenlose Plattheit” aufzuweisen hatte. Diesmal aber lag die Ursache so mancher tödlichen Langeweile nicht bei den Darstellern sondern im Leading Team: Sven Erich Bechtolf geizte vor allem im ersten Teil mit Ideen, wenn man von den nackten Damen, die sich während der Ouvertüre als Body-Stunts für Fiordiligi und Dorabella im winzigen Badebecken des Wintergartens räkelten, absieht. Die Personenführung wurde seltsam steif und in ständig sich spiegelnden Tableaus erledigt, ein Vorgang, der durch dauernde Wiederholung mit fortschreitender Handlung entsetzlich nervte. Erst im zweiten Teil lockerte sich alles zugunsten eines etwas persönlicheren, manchmal sogar mit witzigen Spieldetails versehenen Stils auf. Allerdings: eine von eines Gedankens Blässe kaum angekränkelte Regie ließ viele Fragen offen. Etwa die offenkundige Erkennbarkeit des Schwindels der Männer durch die Nichtmaskierung: war das ganze also ein stillschweigendes und beidseitiges Übereinkommen zum Partnertausch auf spielerischer Basis? Was sollte der offensichtliche Giftmord an Alfonso am Ende? Rache für die wettmäßige aufgezwungene Verführung der wechselseitigen Partner, durch die sich von der Ausgangssituation weg ein totales Chaos in den Beziehungen entwickelte?
Der zweite Punkt, der zusätzlich zu beachtlicher Langeweile führte: Die musikalische Leitung durch den Einspringer Christoph Eschenbach, der weder die stringente Hand des abgesprungenen Franz Welser Möst aufweisen, noch jenen Sog aus Mozarts Musik erzeugen konnte, wie ihn große Vorgänger wie etwa Böhm oder Muti lieferten. Mehr der Sängerbegleitung zugetan, entbehrte seinem Dirigat leider jenes gewisse Drängende und es mündete manchmal fast in einen scheinbaren Stillstand, so als wollte er den feinen Klängen der Musik nachlauschen, um welche die Wiener Philharmoniker in angestammter Routine zu liefern nicht herumkamen. Dieser Dirigentenwechsel hätte verhindert werden müssen, ist doch gerade die musikalische Seite einer Mozartoper immer ein Ass im Ärmel der Festspiele gewesen. Allerdings stehen geeignete Maestri nicht vor dem Festspielhaus herum mit dem Taferl “Mozartdirigat gesucht”,
Das geschmäcklerische und riesige Gewächshaus als Einheitsbühne, zuerst mit unzähligen Bäumchen drinnen, im zweiten Akt dann alle außerhalb der runden Glaswand, stellt eine verwendbare Spielfläche dar, Rolf Glittenberg ist dafür verantwortlich, Marianne Glittenberg schuf die eher von Barock und Rokoko inspirierten Kostüme ohne nähere Zeitzuordnung.
Zwei Männer beherrschten gesanglich den Abend: Luca Pisaroni als köstlich agierender Guglielmo, draufgängerisch im Werben ebenso wie mitleiderregend im Trauern um die verlorene Treue der Geliebten. Sein voller Bariton klingt richtig nach ungestümem Offizier. Und Gerald Finley als Don Alfonso beherrscht mit seiner noblen und noch immer gut klingenden Stimme die Szene. Sein Abgang am Ende – Guglielmo mischt ihm heimlich das Gift in seinen Sekt – stört das lieto fine dieser Buffo empfindlich. Ob diese Aktion der Angst des Regisseurs entsprungen ist, sonst keine Ideen vorweisen zu können? Martin Mitterrutzner wäre von seiner musikalischen Seite her ein recht guter Ferrando, hätte er nicht so ein blechern abgenutzt klingendes Timbre zu bieten. Ein Charaktertenor als Liebhaber!
Malin Hartelius ist attraktiv, besitzt einen feinen lyrischen Sopran mit anfänglichen Schärfen, kann jedoch die dramatischen Erfordernisse der Partie der Fiordiligi nicht erfüllen. Das wieder liegt Marie Claude Chappuis mehr, ihre Dorabella hat jenen notwendigen Aplomb und beherrscht damit die vielen Duette und Ensembles. Martina Jankova bietet eine genügend komödiantische Despina, erst recht in ihren Verkleidungen.
Die Vorstellung wurde nur durch mäßigen Applaus für einzelne Nummern unterbrochen, auch am Ende geriet das Haus nicht in Siedehitze, wenn man von einer abgestuften Steigerung der Zustimmung bei den vor dem Vorhang erscheinenden Solisten absieht. Einige schüchterne Buhs gab es nur für das Dirigat. Es war für das große Festival eine allzu routinierte Beiläufigkeit. Um den Da Ponte-Zyklus darf gebangt werden.
Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos: Salzburger Festspiele/Michael Pöhn