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SALZBURGER FESTSPIELE : Alban Berg WOZZECK

29.08.2017 | KRITIKEN, Oper
Regie : WILLIAM KENTRIDGE ; CO-Regieb:  Luc De Wit Bühne : Sabine Theunissen ; Kostüme : Greta Goiris ; Video Compositor & Editor : Catherine  Meyburgh Licht :  Urs  Schönebaum ; Video Operator : Kim Gunnings

Matthias Goerne (Wozzeck) und John Daszak (Tambourmajor) Foto: Ruth Walz

SALZBURGER FESTSPIELE 2017
Alban Berg WOZZECK

Haus für Mozart / 27.August 2017
5.und letzte Vorstellung in dieser Inszenierung

 

Schaurig schön

Keine Frage, diese Inszenierung nähert sich nach Text, Musik, bühnenmäßiger Umsetzung und schlussendlich mit seiner genialischen Bebilderung dem, was man tatsächlich als ein gelungenes theatralisches Gesamtkunstwerk bezeichnen kann. Der 1955 in Johannesburg geborene Allroundkünstler William Kentridge stellte zusammen mit dem Co-Regisseur Luc de Witt dieses Werk Georg Büchners und dessen Komponisten Alban Berg auf die skurillen Bühnenaufbauten von Sabine Theunissen. Ein Stück vom kurzen Leben und Sterben eines armen Mannes.

Das noch im Vormärz des 19.Jahrhunderts, nämlich 1836, verfasste Drama hatte seine Uraufführung erst 1913, am Vorabend des ersten Weltkrieges in München, die Oper Bergs hatte 1925 seine Uraufführung in Berlin. Für William Kentridge gaben bei den Themen Unterdrückung, Elend und Armut neben der Zeit des frühen 19.Jahrhunderts auch die mitten in den Uraufführungsdaten von Drama und Oper gelegenen Kriegsgreueln die Basis für Stil und Aussehen der Bühne. Mit projizierten Kohlezeichnungen aus der Hand des Regisseurs und mit den Mitteln von Videoclips gestaltete Projektionen überfütterten das Auge mit all den Grauslichkeiten dieser Zeit, plastisch konnten jedoch durch gezielte Beleuchtungseffekte die handelnden Personen Büchners hervortreten, welche da jeweils für eine der fünfzehn Szenen auf einer der Spielflächen erscheinen, unterstützt durch weitere Großprojektionen etwa der marschierenden Soldaten oder der Tanzpaare. Tatsächlich eine irre Phantasmagorie dieses weltgeschichtlichen Zeitabschnitts, schaurig und verwirrend und noch verstärkt durch die Musik Alban Bergs. Nicht zuletzt sorgten Greta Goiris für die einfachen aber umso stimmigeren Kostüme, Urs Schönebaum für das Licht, Catherine Meyenburgh für das Video Design und Kim Gumming für Video Control und damit für eine wesentliche Basis für den Erfolg dieser Produktion.

Regie : WILLIAM KENTRIDGE ; CO-Regieb:  Luc De Wit Bühne : Sabine Theunissen ; Kostüme : Greta Goiris ; Video Compositor & Editor : Catherine  Meyburgh Licht :  Urs  Schönebaum ; Video Operator : Kim Gunnings

Matthias Goerne (Wozzeck), Asmik Grigorian (Marie)     Foto: Ruth Walz

Gegen diese Bilderflut sich aber abzuheben, ist für die Protagonisten manchmal schwierig. Am besten ragt da stimmlich und optisch die Marie der Asmik Grigorian aus dem Geschehen, ihr jugendlich dramatischer Sopran leuchtet aus dem wüsten Geschehen heraus, um weniger ihre Armut als ihre sexuelle Begehrlichkeit herauszustellen und ihre sexuelle Begierde zu zeigen. Für die stimmliche Darstellung der Erbärmlichkeit ihrer Lage fehlt da (noch) die gewisse Emphase um genügend Empathie zu entwickeln. Den Looser an ihrer Seite stellte in seiner ganzen Scheu, mit der Angst davor die Liebe zu seinem Weib zu zeigen, seinem langsam beginnenden Irresein Matthias Goerne auf die Bühne, sehr verhalten im Gesang. Kein Kämpfer gegen seinen Zustand, wie es zum Beispiel einmal ein Walter Berry zeigte. Sein Mord passiert ihm aus innerem Zwang, hat man das Gefühl und nicht aus berechnender Eifersucht.

Regie : WILLIAM KENTRIDGE ; CO-Regieb:  Luc De Wit Bühne : Sabine Theunissen ; Kostüme : Greta Goiris ; Video Compositor & Editor : Catherine  Meyburgh Licht :  Urs  Schönebaum ; Video Operator : Kim Gunnings

Asmik Grigorian (Marie) mit dem Puppenkind     Foto: Ruth Walz

Der Tambourmajor in seiner ganzen schäbigen Eitelkeit war John Daszak, Gerhard Siegel mit eindringlichen Höhen und Jens Larsen waren Hauptmann und Doktor, beide loteten weidlich den in den Rollen innewohnenden schrägen Humor aus. Mauro Peter sang gut den Andres, Heinz Göhrig einen eindringlichen Narren und Frances Pappas die aufdringliche Nachbarin Margret.

Das Problem des Kindes von Margret löste der Regisseur, dem ein echtes Kind in seiner ablenkenden Störung der Aufmerksamkeit nicht in Frage kam, durch Einsatz eines Spiels mit einer Puppe. Zwei Puppenspieler als Rotkreuzhelfer nahmen sich dieses „Kindes“ aus Holz und Stoff und riesigen Gasmaskenaugen an. Damit war auch ein Konnex zu dem massiven Einsatz der Filme und Bilder aus dem Krieg hergestellt.

Für ein Heimspiel sorgten die Wiener Philharmoniker im Graben bei Alban Bergs Komposition, ebenso der Wiener Staatsopernchor, einstudiert von Ernst Raffelsberger.

Die musikalische Leitung lag in den Händen des russischen Maestros Vladimir Jurowski, der mit klar strukturierten und dramatisch aufgebrochenen Klängen zu diesen apokalyptischen „letzten Tage der Menschheit“ – so schien es – den tonalen und atonalen Hintergrund lieferte.

Viel Applaus für diese sehenswerte Produktion der Festspiele.

 

Peter Skorepa
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