Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

SALZBURG / LILLI LEHMANN / FRANZ REHRL

14.07.2021 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buchcover lehmann lilli  Robert Kriechbaumer:
„SALZBURG HAT SEINE COSIMA“
Lilli Lehmann und die Salzburger Musikfeste
175 Seiten, Böhlau Verlag, 2021  

 

 

 

 

 

 

buchcover rehrl

 

Robert Kriechbaumer:
POLITIKER UND IMPRESARIO
Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl und die Salzburger Festspiele
564 Seiten, Böhlau Verlag, 2021  

 

 

 

 

 

 

 

Seit hundert Jahren sind alle Sommer wieder die Salzburger Festspiele Zentrum des österreichischen Kulturangebots. Das Bedürfnis, hier dem Genius loci zu huldigen, ist jedoch schon viel älter. Ein Bayreuth für Richard Wagner, ein Salzburg für Wolfgang Amadeus Mozart, das ging den Stadtvätern schon immer im Kopf herum. Die „Salzburger Musikfeste“, heute vergessen, waren ein Anfang.

Robert Kriechbaumer, bis zu seiner Emeritierung Professor für Neuere Österreichische Geschichte an der Universität Salzburg, hatte – wie zwei Bücher zeigen, die nun punktgenau zum diesjährigen Festspielbeginn erscheinen – sein Leben lang Zugriff zu allen Archiven der Stadt. Er kann Vergessenes, er kann Ergänzendes zu dem Bekannten vorlegen, wenn es um die Salzburg-Kultur geht.

Wer einst von Salzburg als Mozart-Bayreuth träumte, brauchte eine „Cosima“ als Aushängeschild. Die deutsche Sopranistin Lilli Lehmann (1848-1929), nicht verwandt mit der um eine Generation jüngeren Lotte Lehmann, glitt quas in die Rolle der First Lady der Salzburger Musikfeste hinein, weil sie sich in Schärfling am Mondsee eine Villa hatte bauen lassen. Sie war 53 Jahre alt, als man an sie herantrat, ein Star nicht nur der Berliner Hofoper und der Metropolitan Opera in New York, sondern vor allem auch hoch geschätzt von Richard Wagner in Bayreuth, im ersten „Ring“ 1876 noch in Nebenrollen eingesetzt, im zweiten „Ring“ 1896 sang sie dann alle drei Brünnhilden.

Dennoch lag ihr Mozart am Herzen, und so widmete sie den Musiktagen (die nicht jährlich stattfanden) von 1901 bis 1910 ihre volle Aufmerksamkeit, nicht nur als Sängerin (Donna Anna), sondern nach und nach als gestaltende Impresaria und sogar Regisseurin. 1906 war in diesem Rahmen das wichtigste Jahr, feierte man doch Mozarts 150. Geburtstag, und da gelang es auch, ganz große Namen her zu holen, darunter Gustav Mahler mit der Wiener Aufführung von „Die Hochzeit des Figaro“ in deutscher Sprache, während die von Lilli Lehmann verantwortete „Don Giovanni“-Aufführung ,mit internationaler Besetzung in italienischer Sprache stattfand. Die gesamte Wiener Kritiker- Prominenz reiste an, und nicht alle waren höflich zur Grande Dame, was sie nicht berührte. Damals schon flackerten Diskussionen über „überbordende Regie“ auf…

1910 war dann das Jahr, wo auch der Grundstein für das Mozarteum gelegt wurde, und Lilli Lehmann war unermüdlich im Sammeln der nötigen Gelder. Sie hat später auch bis ein Jahr vor ihrem Tod hier unterrichtet. Der Autor erzählt chronologisch, fügt viel Faktenmaterial hinzu, und er kann vor allem eigene Texte von Lilli Lehmann – Grundsatzartikel und, noch interessanter, private Aufzeichnungen etwa von den Proben – in den Anhang stellen.

Die Salzburger Festspiele, nach dem Ersten Weltkrieg als „Friedensprojekt“ von der Drei-Einigkeit Hugo von Hofmannsthal / Richard Strauss / Max Reinhardt begründet, wird meist nur aus dem Blickwinkel der berühmten Schöpfer erzählt. Dass es eine nicht nur kulturpolitische, sondern auch eine politische Tat war, ein solches Unternehmen zu konstituieren, wird weniger beachtet. Und dass das Ganze an der Finanzierung hätte immer wieder scheitern können und seine Existenz immer wieder einem Mann verdankte, das zeigt der zweite Salzburg-Band von Robert Kriechbaumer, der Franz Rehrl gewidmet ist. Ungleich dicker als der erste, stellt er ein Kompendium an Schilderung und an Dokumenten dar, die an sich schon ca. 100 Seiten umfassen (und manch eines stößt tief in den österreichischen Intrigantenstadl hinein).

Franz Rehrl, geboren 1890 in Salzburg, jung gestorben 1945 ebenda, nachdem er schwerkrank aus nationalsozialistischer Haft heimgekehrt war, war von 1922 bis 1938 Landeshauptmann von Salzburg und ist für viele wichtige Projekte seines Bundeslandes verantwortlich, darunter für die Großglockner Hochalpenstraße oder das Tauernkraftwerk. Der Autor holt für seine Schilderung weit aus, zurück zur Mozart-Pflege der Stadt und den „vielen Vätern“ der Festspielidee und der gewissermaßen aus der Not geborenen Eröffnung der Festspiele mit dem „Jedermann“ 1920.

Rehrl wurde 1922 Landeshauptmann und fand die Festspiele in vollem Krisenmodus vor (1924 mussten sie ganz ausfallen). Er erkannte, dass man das Projekt nur retten konnte, indem man investierte – in ein Festspielhaus, auch wenn es dreier Umbauten bedurfte, bis es dann funktionierte – und Rehrl hatte für die Kostenüberschreitungen gerade zu stehen.

Es galt auch Landespolitik gegen Bundespolitik – ein Kapitel trägt den Titel „In ewiger Eifersucht wachten die Salzburger darüber, dass die Wiener Herren in Salzburg nicht zu groß würden.“ Rehrl wusste, dass er den Künstlern weitgehend nachgeben musste, ob sie Reinhardt oder Toscanini hießen. Er musste durch finanzielle Krisen und Skandale (der hochgeputschte „Moissi“-Skandal, der diesem unter einem Vorwand die Jedermann-Rolle kostete), er musste ab 1933 mit Nazi-Deutschland als Nachbarn leben (die 1000-Mark-Sperre, die die Festspiele so schädigten), dazu kam der zunehmende politische Druck.

Rehrl, der Mann der Christlichsozialen Partei, hat als Landeshauptmann den Anschluß nicht überlebt. Aber so lange er die Möglichkeit hatte, hat er – das Buch macht es klar – für die Salzburger Festspiele gekämpft. Und das war nicht einfach.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken