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SALZBURG/ Landestheater: DORNRÖSCHEN – ein Ballettklassiker neu interpretiert. Premiere

Salzburg / Landestheater:

09.03.2024: „DORNRÖSCHEN“. – ein Ballettklassiker neu interpretiert (Premiere)

Mit dem beliebten Ballettklassiker „Dornröschen“ hat sich Salzburgs Ballettchef Reginaldo Oliveira nach dem Doppelabend „Jolanthe / Der Nussknacker“ erneut eine Komposition von  Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840–1893) zur Vorlage genommen. Das Märchen-Ballett, das 1890 in St.Petersburg uraufgeführt wurde und bis heute in vielen Theatern in verschiedenen Versionen auf dem Spielplan steht, basiert auf dem Märchen „Die schlafende Schöne im Wald“ von Charles Perrault.

Reginaldo Oliveira findet für sich eine sehr spannende neue Deutung dieses Stoffes, die über die übliche Frage nach Gut und Böse hinausgeht (Dramaturgie: Maren Zimmermann). In seiner zweiaktigen Version stellt er die märchenhafte liebliche Feenwelt einer futuristischen düsteren und hektischen Großstadtatmosphäre gegenüber. Die Feen sind in heller Aufregung, da sich die Geburt von Aurora ankündigt. Hoch erfreut darüber bereiten die Feen nicht nur ein großes Fest vor, sie sorgen auch für die Unterhaltung des Babys. Da erscheint plötzlich Carabosse mit ihren beiden Begleitern – die Feen fürchten sich vor der unheimlichen Gestalt, die zwischen den Welten wandeln kann. Carabosse gibt vor, Dornröschen zu verfluchen, indem diese als Erwachsene in ewigen Schlaf fallen werde. Die Jahre vergehen und Dornröschen wächst von den Feen behütet und beschützt auf. Als am Fest anlässlich ihres 16. Geburtstages fünf Heiratskandidaten von den Feen eingeladen werden, widmet sich Aurora mit Neugier zunächst den jungen Männern, verliert jedoch bald das Interesse und wendet sich ab – gibt es mehr als nur die Feenwelt für sie? Da erscheint Carabosse, um Aurora an die Verwünschung zu erinnern. Sich magisch von der geheimnisvollen Erscheinung angezogen fühlend, lässt sich Aurora von Carabosse mitnehmen in eine andere Welt. 

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Die Feen Anna Yanchuk, Gala Lara, Annachiara Corti, Mikino Karube und Karine de Matos;  © SLT / Tobias Witzgall

In einer schnelllebigen Großstadt mit aneinander vorbei eilenden gestressten Menschen, die einander keine Beachtung schenken, lebt Désiré mittendrin in dieser Hektik ohne menschliche Nähe und von etwas träumend, ohne genau zu wissen wovon. Also führt Carabosse ihm Aurora zu und so wird in Désiré erweckt, wonach er sich unwissentlich gesehnt hat. Im Überschwang seiner bislang ungekannten Emotionen, überbringt er seine neu gewonnene Lebensfreude, indem er den Kuss, der ihn mit Aurora verbunden hat, an seine Mitmenschen weitergibt. Doch dieses Glücksgefühl ist nicht anhaltend, rasch verfallen alle wieder in den ruhelosen Alltagstrott. Mit einem offenen Schluss endet diese bemerkenswerte Aufführung: wollen wir Menschen in einer Welt leben, in der wir nicht mehr unseren Träumen nachgehen?

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Dafne Barbosa (Aurora) und Valbona Bushkola (Carabosse); © SLT / Tobias Witzgall

In packender Dichte hält uns Reginaldo Oliveira hier einen Spiegel vor und regt zum Nachdenken an. Ist nicht Dornröschen in uns allen und muss nur wachgeküsst werden? Sollten wir uns nicht unsere Träume erfüllen? Und vor allem, wir sollten nicht auf das Schöne im Leben vergessen! Seine (vom klassischen Spitzentanz ausgehende) Bewegungssprache ist intensiv, dynamisch fließend, oft mit akrobatischen Elementen und mit ungewöhnlichen Verschlingungen und Hebefiguren ausgestattet. Er kommt dabei in seiner Choreografie gänzlich ohne bekannte Passagen von Marius Pepita aus. Auch eine feine Prise Humor darf nicht fehlen, wenn die Feen gemeinsam die Geburtstagstorte backen und erst die frisch gelegten Eier eines Papageis den Kuchenteig schmackhaft machen oder wenn sich die jungen Männer als Heiratskandidaten nicht nur gegenseitig übertrumpfen wollen oder sich – ganz selbstverliebt – durch Putzen der Schuhe und der Zähne selbstgefällig ins beste Licht rücken wollen.

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Kt. Flavio Salamanka (Désiré) inmitten des Ensembles in der düsteren Futureworld; © SLT / Tobias Witzgall

Normalerweise mit einem Großaufgebot an Akteurinnen und Akteuren inszeniert, findet Reginaldo Oliveira in seiner Version mit einem 14köpfigen (!) Ensemble das Auslangen.

Großartig getanzt von Dafne Barbosa (Aurora) und Kt. Flavio Salamanka (Désiré), ist vor allem der Pas de deux im 2. Akt besonders berührend, wenn Aurora und Désiré einander finden, er sie küsst und sie erwacht, aber eigentlich er erweckt wird. Bestechend, wie Flavio Salamanka mit einer unglaublichen körperlichen Souveränität gymnastisch anmutende Verrenkungen wie ungewohnte tänzerische Schrittfolgen vollführt. Mit starker Ausdruckskraft lässt er uns an seinem Erwachen aus der melancholischen Lethargie teilhaben, überträgt in beseeltem Frohsinn diese Freude an die anderen, bevor in ihm sehr eindrucksvoll dieses Leuchten wieder erlischt.     

Die alles verbindende Macht liegt bei Valbona Bushkola, die als geheimnisvolle Carabosse mit starker Bühnenpräsenz wirkt. Als liebenswerte Feen, die sich rührend um Aurora kümmern, überzeugen Annachiara Corti, Karine de Matos, Mikino Karube, Gala Lara und Anna Yanchuk. Die potenziellen Heiratskandidaten sind Oliver Hoddinott, Matteo Rondinelli und Ben van Beelen sowie Lucas Leonardo, Samuel Pellegrin – die beiden letzteren firmieren auch als unheimliche Begleiter der Carabosse. Gemeinsam mit Cassiano Rodrigues gefallen sie auch als Wesen der Zukunft, die rasant über die Bühne hetzen oder sich in Zeitlupe bewegen.

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Kt. Flavio Salamanka (Désiré) und Valbona Bushkola (Carabosse); © SLT / Tobias Witzgall

Das Bühnenbild von Matthias Kronfuss kommt mit wenigen Elementen aus – verschiebbare Holzpaneele und ein hoher Tisch für die Festlichkeiten sowie ein Kinderwagen charakterisieren die Feenwelt, der die dunkel-trist gehaltene Stadt gegenübergestellt wird, in der spiegelnde Plexiglaswände und das kalte Licht der Leuchtstoffröhren wenig einladend wirken. Die Video-Einspielung der Carabosse stammt ebenfalls von ihm.

Die farbenfrohen Kostüme der Feen erinnern ein wenig an Tinkerbell, in der futuristischen Welt sind hingegen alle schwarz gekleidet – Judith Adam zeichnet hier für das Design verantwortlich. Das Licht hat Lukas Breitfuss konzipiert, Die Komposition arrangierte Andreas Luca Beraldo für das Orchester.

Große Begeisterung im Publikum mit Bravi-Rufen, Standing Ovations und minutenlangem heftigen Beifall für die Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie des Salzburger Landestheaters, Ballettchef Reginaldo Oliveira und sein Leading-Team sowie für Carlo Benedetto Cimento, den Dirigent und 1. Kapellmeister am Landestheater und das großartig spielende Mozarteumorchester Salzburg.

Ira Werbowsky

 

 

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