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SALZBURG: JEDERMANN

01.08.2013 | KRITIKEN, Theater

JEDERMANN – Salzburger Festspiele, 31.7.2013

(von Heinrich Schramm-Schiessl)

 Es gibt wahrscheinlich kaum ein Stück der Weltliteratur, das von den Kritikern, Literaten und sonstigen manchmal auch selbsternannten Fachleuten derart vehement abgelehnt und vom Publikum genauso vehement gestürmt wird wie „das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“.

Selbst bei den Festspielverantwortlichen hat es immer wieder Tendenzen gegeben, das Stück vom Spielplan zu nehmen. Einer der lautesten in diéser Richtung war – wie könnte es anders sein – der Fastzerstörer der Festspiele, Gérard Mortier, der vieles tat, um das Stück „umzubringen“. Es gelang ihm aber nicht, denn alle, die in diese Richtung denken vergessen, dass es ohne den „Jedermann“ womöglich die Festspiele gar nicht gäbe. Dann gab es auch immer wieder Überlegungen, das Stück neu schreiben zu lassen, aber als große Schriftsteller wie Peter Handke oder Felix Mitterer abwinkten – sie wußten wohl warum – ließ man auch von diesem Plan ab und das ist gut so.

 Ich selbst verfolge die Aufführungsgeschichte seit 1965. Mein erster Jedermann war Walter Reyer und seither gehe ich bei jedem neuen Jedermann-Darsteller zumindest einmal, nur bei Curd Jürgens, der für mich der mit Abstand überzeugenste Interpret dieser Rolle war, war ich dreimal.

 Man hat auch bei den Inszenierungen in den den letzten Jahrzehnten immer zu experimentieren versucht. So inszenierte Gottfried Reinhardt, der Sohn von Max Reinhardt, das Stück Anfang der 60er-Jahre als Totentanz, Leopold Lindtberg nahm sich 1969 das Jesuitentheater zum Vorbild, allerdings mit dem Bruch, daß die Tischgesellschaft nicht an einer Tafel saß, sondern eine lockere Party war.

Der letzte Regisseur, Christian Stückl, versuchte es mit einem Mix. Er dachte zwar an die Grundkonzeption Max Reinhardt`s, fügte aber viel Neues hinzu. Das glückte in den ersten Jahren recht gut, bis er es zuletzt aber übertrieb und ganze Szenen umstellte und sogar die Rolle des „Glauben“ strich und dessen Textpassagen anderen Rollen zuteilte.

 Die nunmehrige Inszenierung von Julian Crouch und Brian Mertes geht nicht nur ganz zurück auf die Ursprünge des „Everyman“, ein des englischen Morality-Plays sondern auch auf die Urfassung von Max Reinhardt, was schon am Bühnenaufbau zu erkennen ist. Er läßt des Text Hofmannstahls nahezu unverändert und erreicht durch behutsame Neuheiten durchaus berührende Momente. Gewisse modernistische Einlagen wie die Buhlschaft auf dem Rad stören auf Grund der Zeitlosigkeite des Stückes nicht. Das gleiche gilt für die größtenteils zeitaktuellen Kostüme von Olivera Gajic.

 Die Titelrolle spielt Cornelius Obonya und ich würde ihn in einer Rangliste – wenn dies zulässig ist – im oberen Mittelfeld ansiedeln. Es war für mich sehr beeindruckend im zweiten Teil als reuiger Büßer. Hier spielte er mit großer Intensität und war teilweiser sehr berührend. Weniger gut gefiel er mir im ersten Teil. Hier war vieles zu laut und plakativ. An diesem Teil der Rolle wartet noch einige Arbeit auf ihn. Ihm zur Seite als Buhlschaft sah man diesmal Brigitte Hobmeier, Ich verstehe den Hype um diese Rolle, die man durchaus, wie man in Wien sagt, als „Wurzen“ bezeichnen kann, ja nicht, aber offenbar gehört das dazu. Hobmeyer sah sehr gut aus und war durchaus sexy – wohl das wichtigste Kriterium für diese Rolle – wirkte aber über weite Strecken etwas zu hysterisch.

 Die verschiedenen Allegorien waren praktisch das „who is who“ des deutschen TV-Films, und durchaus zufriedenstellend bis sehr gut, Jürgen Tarrach war ein überzeugender Mammon, Simon Schwarz ein skuriler Teufel und Hans-Peter Hallwachs ein beeindruckender Glaube, Lediglich Peter Lohmeyer hätte ich mir als Tod etwas intensiver gewünscht, Sarah Victoria Frick spielte die Guten Werke etwas kokett, was aber durchaus einen neuen Aspekt der Rolle eröffnete.

 Von den „menschlichen“ Nebenrollen überzeugte Julia Gschnitzer als berührende, aber nicht lamoyante Mutter und Josef Silberschneider als Armer Nachbar. Dagegen blieb das Schuldknechtpaar von Fritz Egger und Katharina Stemberger etwas blass und waren die beiden Vettern Hannes Flaschberger und Stephan Kreiss völlig humorlos. Ein Totalausfall war der Gute Gesell von Patrick Güldenberg, der seinen Text wie ein Schauspielschüler deklamierte.

 Alles in allem ein Jedermann mit dem man die nächsten sieben Jahr leben kann – die nächste Neuinszenierung wird wohl im Jubiläumsjahr 2020 fällig sein – und die sich durchaus in die Reihe der gelungenen Inszenierungen einreihen kann.

 

 

 

 

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