SALZBURGER FESTSPIELE /
Großes Festspielhaus
(Fernsehübertragung);
MARIA STUARDA von Gaetano Donizetti
1.August 2025 (Premiere)
Zwei Ladies im Niemandsland
Für Regisseure heutzutage scheint es nur zwei Möglichkeiten zu geben. Entweder sie denken sich allerlei Unsinn aus, der nichts mit dem Werk zu tun hat, oder sie ziehen sich auf ihren persönlichen Stil zurück und lassen das Werk selbst außen vor. Das tat Ulrich Rasche bei den Salzburger Festspielen, als er sich eine von Donizettis Königinnen-Opern vornahm. Man kennt die Geschichte zwischen Maria Stuart und Elizabeth I. aus dem historischen Roman von Stefan Zweig, aus dem Drama von Friedrich Schiller (der Historiker war und sehr genau recherchiert hat), vielleicht auch aus der englischen Geschichte.
Da geht einiges ab, wenn Englands Königin Elizabeth I. sich von der Existenz von Schottenkönigin Maria Stuart, die bei ihr im Gefängnis sitzt, so bedroht fühlt, dass sie eine der Ungeheuerlichkeiten ihrer (auch sonst nicht harmlosen) Regierung beging: Sie ließ die Cousine tatsächlich hinrichten. Eine Frage des Machterhalts, eine Frage der Religionen wohl auch, und eine Frage der weiblichen Konkurrenz. (Es mag tatsächlich wie höhere Gerechtigkeit wirken, dass der Nachfolger der kinderlosen Elizabeth auf Englands Thron ausgerechnet der Sohn von Maria Stuart wurde…)
Das alles kann man spielen, wurde auch schon auf Opernbühnen so gezeigt, dass diese Frauen in ihren Welten agierten – Elizabeth in einem Hof, wo jeder sie manipulieren wollte und sie es so gar nicht zuließ, Maria in einem Gefängnis, vor dem (historisch) ihre Anhänger lauerten, sie zu befreien und auf den Thron zu setzen. Aber davon gibt es nichts im Minimalismus von Ulrich Rasche, der die Damen auf eine Drehscheibe stellt, sie in verschiedenen Lichteffekten ertrinken lässt und im übrigen nichts tut, um wirklich auch nur eine erkennbare Handlung zu erzählen.
Rasches persönliches Regie-Klischee besteht in fortwährender Bewegung, und man muss ja dankbar sein, dass er seinen Königinnen wenigstens keine Gewaltmärsche auferlegt, wie man sie auch schon bei ihm gesehen hat. Dafür staksen Tänzer und Tänzerinnen von SEAD (der Salzburg Experimental Academy of Dance) seltsam herum.
Will man nun, wie alle interpretierenden Texte nahelegen, dieses Ambiente symbolisch, gleichnishaft überhöht nehmen, könnte es bei einer Belcanto-Oper wie dieser vielleicht dazu dienen, den Fokus ganz auf die Musik zu legen, auf die singenden Menschen, die eben alles ausdrücken müssen, was ihre Umwelt nicht hergibt und sie auch nicht wirklich erspielen können. Doch dazu war, um die Wahrheit zu sagen, die Besetzung nicht wirklich spektakulär genug.
Gewiß, Lisette Oropesa hat eine wunderschöne Stimme, aber es war (vielleicht konditionsmäßig) nicht ganz ihr Abend –unsicher wirkend, mit Höhenschärfen zu Beginn, am Ende eindeutig überanstrengt wirkend. Natürlich eine ergreifende Schönheit mit sanftem Blick, händeringend ganz in Weiß, die einem leid tut, wenn sie nicht gerade gegen Elizabeth auszuckt. Die Begegnung der beiden Damen, die sich in der Realität nie gesehen haben, ist nicht historisch, aber sicher eine der besten Erfindungen von Friedrich Schiller, der eben nicht nur Historiker, sondern auch ein Dramatiker von Gnaden war.
Was die Rivalin betrifft – wer ja Agnes Baltsa in dieser Rolle gesehen hat (in den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren hat sie die Elisabetta an der Wiener Staatsoper, oft an der Seite der Gruberova, gesungen), wird mit Kate Lindsey, ganz in Schwarz und zu oft im Hintergrund bleibend, nicht froh werden. Da ist weder die stimmliche Durchschlagskraft noch die imposante Persönlichkeit.
Und auch der Rest der Besetzung vermag nicht zu begeistern – ein Liebhaber-Tenor (Bekhzod Davronov), ein Bariton (Thomas Lehman), ein Baß (Aleksei Kulagin), die schon szenisch kaum zur Geltung kommen und stimmlich nicht auf sich aufmerksam machen.
Dirigent Antonello Manacorda ließ sein Temperament Zügel schießen, als die Königinnen auf einander los gingen, sorgte im übrigen für einen komplikationsfreien Ablauf.
Man kann sich bei einer Fernsehübertragung irren, aber so wirklich enthusiastisch hat das Publikum nicht gewirkt, wenn es auch Ulrich Rasche nicht entgelten ließ, dass er nur Stil anstelle eines Stücks geliefert hat.
Renate Wagner