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SALZBURG: GIULIO CESARE IN EGITTO – Dernière

01.09.2012 | KRITIKEN, Oper

SALZBURG: Händel GIULIO CESARE IN EGITTO am 31.8.2011, Dernière (Georg Freund)

Händels opera seria Cesare in Egitto aus dem Jahre 1724 schildert die auf Cäsars Sieg über Pompejus in der Schlacht bei Pharsalos folgenden Ereignisse. Der unterlegene Pompejus floh damals nach Ägypten, dessen Herrscher er seinerzeit die Krone gerettet hatte und rechnete auf Dankbarkeit. Ptolemäus, der Sohn dieses Herrschers, ließ Pompejus aber ermorden und sandte seinen Kopf an Cäsar als Geschenk. Cäsar reist ebenfalls nach Alexandria und begann dort seine allseits bekannte Liebschaft mit Kleopatra, der Schwester-Gattin des Prolemäus. Quelle des Librettos ist außer Lucan und Plutarch wohl auch Corneilles Tragödie „La mort de Pompée“ mit sehr ähnlichem Handlungsverlauf. Natürlich werden die historischen Vorgänge vom Librettisten mit allerlei Liebesgeschichten angereichert: Sogar Cornelia, die tiefgebeugte , von Rachelust erfüllte Witwe des Pompejus, wird von Bewerbern verfolgt, denen sie aber tapfer, mit römischer Größe widersteht.

Die von den heurigen Salzburger Pfingsfestspielen übernommene Produktion der Oper erntete zu Recht höchstes Lob für den musikalischen Teil- die szenische Realisierung wurde aber von vielen Rezensenten verworfen- zu Unrecht, wie ich meine. Natürlich sind die beiden Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier als Eklektiker anzusprechen, denn die meisten ihrer Gags hat man schon anderswo gesehen, aber sie beherrschen zumindest das Regiehandwerk: Sie haben der von ihnen ganz konventionell geradlinig erzählten Geschichte keine sinnlose neue Handlung übergestülpt, es gibt bei dieser Produktion keine dazu erfundenen störenden Personen und vom eigentlichen Geschehen wird nicht durch eitle, dilettantische Mätzchen abgelenkt. Die mit Gerümpel überladenen Bühnenbilder sind freilich nicht sehr ansprechend, und die Ausstattung ist sehr bunt: Es gibt Plastikkrokodile, aber auch Bohrtürme. Ölbohrungen in Ägypten ? Na ja, vermutlich sind die Bohrtürme als Metapher für die Ausplünderung unterworfener Länder durch imperialistische Siegermächte aufzufassen. Die Kostüme sind zum Teil recht witzig und von der gegenwärtig auf Opernbühnen im deutschen Sprachraum fast omnipräsenten Mode, die Primadonna barfuß im Unterkleid und die Herren mit hängenden Hosenträgern zu präsentieren, wird gottlob nur sparsam Gebrauch gemacht. Ausgezeichnet waren die fast wie ein Ballett choreographierten Kampfszenen der Soldaten, bei denen sich in keinem Moment unfreiwillige Komik einstellte. Das Geschehen der Oper wurde mit Augenzwinkern erzählt, was durchaus angemessen ist, da das Libretto bisweilen die Parodie geradezu herausfordert. Während des immerhin fünfstündigen Abends stellte sich aber niemals Langeweile ein, die bei einer Inszenierung als feierliche Haupt- und Staatsaktion zumindest befürchtet werden müsste.

Über die musikalische Darbietung kann nur mit Begeisterung ohne jede Einschränkung berichtet werden: Allen voran verdient höchste Bewunderung das Koloraturwunder Cecilia Bartoli, die mit wunderschöner Stimme und scheinbar unendlichem Atem die schwierigsten vokalen Kunststücke geradezu mit Selbstverständlichkeit ausführte, die aber auch jederzeit den passenden musikalischen Ausdruck für ihre zahlreichen Bravourarien fand. Ihr „piangero la sorte mia“, eine von Händels berückendsten Eingebungen, muss ich als einen unvergesslichen Höhepunkt meiner jahrzehntelangen Opernerfahrung werten. Die Bartoli sprühte nur so von Charme, Vitalität und Elan und wirkte jederzeit völlig überzeugend. Ihr glaubte ich alles, sogar wenn sie auf einer Rakete auf den Parnass flog und als Königin des antiken Ägypten mit einer Maschinenpistole herumfuchtelte. Gleich nach der Bartoli muss ich den virtuosen Counter-Tenor Christophe Dumaux, der eine besonders schöne Stimme besitzt, nennen. Der Librettist hat dem von ihm verkörperten Pharao Ptolemäus, in der Oper Tolomeo genannt, einen zu unendlicher Bosheit verzerrten Charakter verpasst und ihn dazu noch zum enthemmten Wüstling gemacht. Dumaux, der über ebenso viel Schwung und Verve wie die Bartoli verfügt, machte aus diesem Monster mit feiner Ironie und köstlicher Komödiantik den liebenswertesten Bösewicht, den man sich nur vorstellen kann-eine darstellerische Glanzleistung, wozu eine ebenso meisterliche stimmliche trat. Ich bedauerte nur, dass er nach dem Mordanschlag des Sextus nicht noch eine lange Abschiedsarie zu singen hatte, sondern gleich starb. Köstlich auch seine Aufmachung mit Rasta-Zöpfchen, altägyptischen Tattoos und einem Leibrock aus goldenem Krokodilsleder, der seine Heimtücke auch optisch deutlich machte. Den Rächer Sextus verkörperte Philippe Jaroussky, einer der gegenwärtig gefragtesten Counter-Tenöre, glänzend. Als seine Mutter, die untröstliche Cornelia, brillierte Anne Sophie von Otter weit über meine Erwartung. Eine überzeugende Leistung bot auch der stets zuverlässige hell timbrierte Andreas Scholl als Cesare und Jochen Kowalski, der noch immer gut bei Stimme ist (wie lange ist es her, dass ich ihn in der Volksoper als Giustino gehört habe?) machte aus dem zu einer Nirena verweiblichter Diener Nireno eine umwerfend komische Studie. Nur Gutes kann ich auch von den beiden Bassisten Ruben Drole als General Achilla und Peter Kalman als Tribun Curio berichten. Beide Herren verfügen auch über sehr beachtliche schauspielerische Fähigkeiten.

Der stilistisch bestens versierte hervorragende Dirigent Giovanni Antonini leitete den international renommierten Klangkörper Il Giardino Armonico mit rhythmischer Präzision und unterstützte die Solisten auf kongeniale Weise.

Verdienter großer Jubel des Publikums immer wieder bei offener Szene und am Schluss.

Georg Freund

 

 

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