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SALZBURG FESTSPIELE /Haus für Mozart: ASMIK GRIGORIAN

Rachmaninows russische Romanzen und Lieder als Opern "en miniature"

Lukas Geniusas Klavier) und Asmik Grigorian. Alle Fotos: Salzburger Festspiele / Marco Borelli

SALZBURG FESTSPIELE / Haus für Mozart: ASMIK GRIGORIAN singt Rachmaninow

16. August 2021

Von Manfred A. Schmid

Die litauische Sängerin Asmik Grigorian gehört zu den begehrtesten Sopranistinnen auf den internationalen Opernbühnen. Bei der Gestaltung der ihr anvertrauten Rollen, sei es etwa Cio-Cio-San in Madama Butterfly, Marie in Wozzeck oder Tatjana in Eugen Onegin, besticht sie durch die Art, wie sie ihrer unverkennbaren Stimme Emotionalität und Ausdrucksstärke verleiht. Liebe und Hingabe, aber auch Angst und Verletzlichkeit gehören ebenso dazu wie der ungestüme, geradezu verwegene Einsatz ihrer stimmlichen und darstellerischen Ressourcen, den sie sich, mit einer fabelhaften Stimmtechnik ausgestattet, allerdings auch erlauben darf.

Inzwischen hat Grigorian begonnen, sich auch als Liedsängerin einen Namen zu machen. Nicht nur mit Orchesterliedern, wie jüngst mit Vier letzte Lieder von Richard Strauss, sondern vor allem mit russischen Liedern für Singstimme und Klavier. Eine CD mit einer Auswahl aus Sergej Rachmaninows umfangreichen Liedschaffen ist bereits erschienen, die sie in mehreren Liederabenden, u.a. auch im Wiener Konzerthaus, vorgestellt und beworben hat. Nun ist sie damit in Salzburg zu Gast, wo ihre Weltkarriere mit gefeierten Auftritten als Salome und Chrysothemis (Elektra) bei den Festspielen 2018 und 2019 begonnen und wo sie im Vorjahr die weiblichen Rollen in Puccinis Il trittico gesungen hat.

„Kleine Opern in wenigen Minuten,“ so beschreibt Grigorian die neunzehn Lieder, die auf der CD mit dem kühnen Titel Dissonance vertreten sind. Fünfzehn davon hat sie für ihren Salzburger Auftritt, begleitet vom russisch-litauischen Pianist Lukas Geniusas, ausgesucht. Es sind durchwegs schwermütige Romanzen, von Grigorian und ihrem Landsmann einfühlsam, die russische Seele intensiv auslotend, dargeboten. Einige davon, wie etwa „O, sei nicht traurig“ oder „Glaub mi nicht, Freund“ hören sich tatsächlich wie Opern en miniature an, andere wiederum sind doch eher als lyrisch-impressionistische Schilderungen von Gefühlszuständen zu bezeichnen, wie in „Dämmerung“ oder „Der Traum“. Allen Liedern gemeinsam ist aber, dass ihnen innere Konflikte zu Grunde liegen, so dass man natürlich alle auch dramatisch, zuweilen sogar gestisch unterstützt, vortragen kann. Da kann es dann schon vorkommen, dass Grigorian ein Lied, den abgewinkelten linken Arm wie zum Schutz über ihr Haupt haltend, beschließt. Zwingend ist das aber nicht, und so hätte man sich bei einigen dargebotenen Liedern durchaus etwas weniger Opernhaftigkeit wünschen können

Er begnadete Pianist Rachmaninow, selbst Schöpfer grandioser Klavierkonzerte, legt starken Wert auf einen der Singstimme gleichberechtigten Partner am Klavier. Lukas Geniusas ist ein hervorragender pianistischer Begleiter am Flügel, mit einem aufmerksamen Sinn für Grigorians gestaltende Absichten und daher immer präsent und hellhörig. In seinen Solostücken – u.a . Mussorgskis rhythmisch eigenwilliger Tanz „Hopak“ aus Der Jahrmarkt von Sorotschinzi, Rimski-Korsakows rasanter „Hummelflug“ und zwei Präludien von Rachmaninow – kann er seine Meisterschaft voll ausspielen.

asmik grigorian sopran

Asmik Grigorian Sopran

Grigorians durchwegs makelloser, kraftvoller Gesang kann, wo es darauf ankommt, auch ungemein zart und zärtlich sein. Strahlend hell in den sprudelnden „Frühlingsfluten“, abgründig und innerlich zerrissen in „Dissonanz“,  dem weitaus längsten Lied, mit dem Grigorian das offizielle Programm abschließt. Nicht alle Lieder dieses Abends dürften von Rachmaninow so opernhaft geschrieben worden sein, wie sie sich in Asimik Grigorians Gestaltung ausnehmen. Hier aber ist die Dramatik und brutale Härte, die sie und Geniuas, ihr Partner am Klavier, bei ihrer Ausgestaltung aufbringen, tatsächlich richtig am Platz. Dieses Lied hebt sich von den meisten zuvor gehörten Romanzen deutlich ab und ist der Welt der Oper, dem Lebenselement der Sängerin, am nächsten. Ungemein beeindruckend, kraftvoll, und fast schreiend vor lauter Verzweiflung.

Das Publikum ist hingerissen und wird für den starken Applaus mit drei Zugaben belohnt.

 

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