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SAIMIR PIRGU: So viele neue Rollen…

28.01.2019 | INTERVIEWS, Sänger


Hallo, Wien, ich bin wieder da! Saimir Pirgu auf dem Philharmoniker-Ball

SAIMIR PIRGU

So viele neue Rollen…

Saimir Pirgu, gebürtiger Albaner, der in Italien lebt und in der ganzen Welt unterwegs ist, ist ein Liebling des Wiener Publikums, aber gar nicht so häufig in der Staatsoper zu hören. Dabei hätte er eine Reihe neuer Rollen zu bieten. Eine davon kommt im Februar im Konzerthaus – der „Faust“ von Berlioz, dirigiert von Wiens künftigem Musikdirektor Philippe Jordan. Im Dezember sehen wir Pirgu, der jetzt seine „alten“ Rollen Alfred und Nemorino singt, dann erstmals als Rudolf in „La Boheme“ an der Staatsoper

Das Gespräch führte Renate Wagner – in deutscher Sprache!

Herr Pirgu, Sie haben sich keine Zeit gelassen, den Wienern zu zeigen, dass Sie wieder einmal da sind?

Ja, und wissen Sie, was das Schönste am Philharmoniker-Ball war? Nicht nur Anna Netrebko wieder zu treffen, die ich seit den Anfängen meiner Karriere kenne, sondern viele Kollegen, Freunde, Bekannte – und alle haben mich begrüßt, als wäre ich nie weg gewesen. Ich war ja doch fast zwei Jahre nicht hier, und da freut man sich, dass man nicht vergessen ist und dass man auch eine Art Respekt fühlt. Darum bin ich auch wieder an die Staatsoper gekommen, weil ich wieder vor dem Wiener Publikum singen will… selbst wenn es die „alten Rollen“ sind.

Bei unserem letzten Gespräch haben Sie gemeint, dass Sie den Alfredo am liebsten gar nicht mehr singen würden – und jetzt sind es wieder der Alfredo und der Nemorino geworden…

Der Nemorino kommt im Juni, und ihn habe ich im Repertoire behalten, obwohl ich inzwischen mehr oder minder das Fach gewechselt habe – aber man kann die Rolle wunderschön spielen, und die Arie! Der Alfredo hingegen ist für einen Tenor ein wenig unbefriedigend, weil Verdi ihn eigentlich wie eine Nebenrolle behandelt, er bleibt immer im Hintergrund, man bemäkelt nur, wenn er schlecht singt, keinem fällt es wirklich auf, wenn er gut ist… Ich habe zu Direktor Meyer – natürlich halb im Spaß – gesagt, wenn ich nicht endlich in Wien meine neuen Rollen zeigen kann, komme ich nicht wieder. Jetzt singe ich im Dezember den Rudolf in der „Boheme“…

Das neue Fach… Als wir uns vor 11 Jahren kennen gelernt haben, waren Sie Fenton und haben Mozart gesungen und sind – damals waren Sie noch ein Twen – viel in die Discos gegangen. Mittlerweile haben Sie das beste Alter für Tenöre erreicht – erklärt sich so dieser ungeheure Schub neuer Rollen, die Sie in wenigen Jahren erarbeitet haben?

Grundsätzlich würde ich Mozart noch immer gerne singen, aber wenn ein Tenor mit der Stimme, die ich nun habe, dabei ist, muss die ganze Besetzung darauf abgestimmt sein, sonst gibt es ein stilistisches Chaos. Also – derzeit selten Mozart. Viele Rollen, die ich mir jetzt erarbeitet habe, hätten mich schon früher gereizt, aber es muss immer erst die Zeit kommen, wenn es stimmlich möglich ist. Jedes Ding hat seine Zeit, wie es heißt. Und dann ändert sich mit den Jahren auch furchtbar viel – heute gehe ich eher ins Bett und schlafe als in die Disco, weil dieser Beruf so unendlich viel Kraft erfordert. Die Energie, die ich jedes Mal dem Publikum geben möchte, muss aus meinem Körper kommen – das geht nicht, wenn ich die Nacht durchgemacht habe. Was natürlich nicht heißt, dass man den Spaß am Leben verliert…


Der Maskenball-Riccardo in Parma

Die neuen Rollen…

Ja, ich habe sehr sorgfältig bei Verdi gewählt, was ich singen möchte, bin auf den Macduff gekommen, auf den Gabriele Adorno und zuletzt, das war für mich sehr wichtig, den Riccardo im „Maskenball“. Den habe ich jetzt erstmals zur Saisoneröffnung im Theater in Parma gesungen, und das ist Verdi-Land, dort ist man besonders kritisch. Einige haben gezweifelt, ob ich nicht zu jung dafür wäre, aber ich fand, jetzt sei es richtig – und es war glücklicherweise ein großer Erfolg. Ich war wirklich zufrieden mit mir, wenn man das so sagen darf. Außerdem singe ich nach wie vor den Herzog in „Rigoletto“ – und natürlich den Alfred. Ob ich ihn mag oder nicht, die Musik ist ja wunderschön, er ist die Rolle, die ich in meinem Leben am öftesten gesungen habe, weit über hundert Mal in mehr als zwei Dutzend Inszenierungen. Darunter so interessante wie jene von Willy Decker, als er die Salzburger Produktion an die Met brachte und wie für eine Neuinszenierung daran gearbeitet hat. Damals waren Diana Damrau und Placido Domingo dabei. Wahrscheinlich werde ich der Rolle noch lange nicht entkommen, weil das Werk einfach so populär ist und überall gespielt wird. Damit habe ich im Moment die Verdi-Rollen ausgeschritten, die ich in den nächsten Jahren singen möchte.

Und Puccini? Sie hatten Riesenerfolg mit dem Pinkerton in Zürich, und den Rudolf haben Sie oft gesungen, Sie werden ihn heuer nicht nur Endes des Jahres in Wien, sondern auch noch in Los Angeles hören lassen… Sind da Cavaradossi und Kalaf die logischen nächsten Schritte?

Um Gottes Willen, nein. Man muss sich sehr überlegen, was man tut, was man der Stimme zumutet. Ich würde derzeit zu diesen Rollen so „nie“ sagen wie zu einem Manrico, aber wer weiß, fragen Sie mich in zehn Jahren…

Es fällt auf, dass Sie sich auch ein gewaltiges französisches Repertoire erarbeitet haben…

Ja, und an meinem jetzigen Wien-Aufenthalt ist mir fast noch wichtiger als der Alfredo in der Staatsoper, dass ich im Konzerthaus in einer konzertanten Aufführung „La damnation de Faust“ von Berlioz singen werde, das ist eine gewaltige Rolle, der Faust singt quasi drei Stunden lang! Szenisch habe ich das schon am Moskauer Bolschoi-Theater in der Regie von Peter Stein ausprobiert. Die konzertante Aufführung in Wien dirigiert Philippe Jordan, und wir beide haben schon in Paris vorgeprobt, weil wir in Wien nicht ausreichend Zeit für Detailarbeit haben würden. Wir kennen uns ja schon sehr lange, aus unseren Anfängen, die Salzburger „Cosi fan tutte“ 2004 lag für uns beide ziemlich am Anfang der Karriere, die Hermanns haben inszeniert, Elina Garanca, auch am Anfang, war die Dorabella…

Und wenn Philippe Jordan dann 2020 in Wien Musikdirektor wird?

Ich werde jetzt nicht über ihn herfallen und unsere alte Bekanntschaft ausnützen, obwohl er für mich heute zu den wichtigsten Dirigenten zählt. Es waren für mich aber auch andere große Männer wichtig, Abbado, Muti, Mehta, Harnoncourt… An den „Idomeneo“ mit ihm denke ich besonders gerne zurück. Das legt aber auch die Latte sehr hoch: Ich würde diese Rolle furchtbar gern wieder singen, aber es müsste eine tolle Neuinszenierung unter einem tollen Dirigenten sein.

Der Berlioz-Faust ist aber nicht Ihr einziger Ausflug ins französische Fach?

Nein, ich habe den Romeo in Barcelona gemacht, das ist eine Partie, wo man mehr zu singen hat als beim Don José, den ich zuletzt bei einem Gastspiel von San Carlo in Neapel in Bangkok unter Mehta gesungen habe. Ich mache nach Wien den Werther in Tokio, und der Gounod Faust kommt in Sydney. Und der Hoffmann in Zürich, eine Neuinszenierung unter Homoki. Grundsätzlich liegen mir die französischen Rollen sehr gut in der Kehle, in jener Mischung von Leichtigkeit und Kraft, die sie erfordern – grundsätzlich ähnlich wie die Italiener, aber stilistisch doch ganz anders.

Weil Sie Tokio sagen, und in Bangkok gesungen haben – wieso reisen eigentlich so viele Künstler in den Fernen Osten? Es muss doch allein der Entfernungen und des Jetlags wegen ungeheuer anstrengend sein?

Das ist es, aber man muss wissen, warum man es macht, was man macht und wie man es macht. Es gibt Angebote im Fernen Osten – ich gehe immer wieder einmal nach Japan -, wo tolle Möglichkeiten geboten werden. Außerdem besteht die Opernwelt für mich nicht nur aus der Met und den europäischen Häusern, so gerne ich dort bin, sondern auch aus der amerikanischen Westküste – ich singe immer wieder in Los Angeles -, aus Südamerika und Australien und Asien… Ganz ehrlich, ich bin gerne in der ganzen Welt unterwegs.

Leben Sie eigentlich immer noch in Verona? Und gibt es irgendwelche Pläne, ein Familienleben zu starten?

Grundsätzlich will ich nicht über Privates reden – da bin ich dann doch froh, nicht so berühmt zu sein wie Jonas Kaufmann, über dessen Privatleben jeder klatscht. Ich sage nur, ich habe meine Familie, meine Mutter, die teils in Albanien, teils in Italien lebt, meinen Zwillingsbruder, der allerdings keinen künstlerischen Beruf hat, und zu schönen Anlässen wie Weihnachten kommen wir alle zusammen. Und wenn ich wichtige Abende habe wie den konzertanten „Faust“ im Konzerthaus, kommt meine Mutter selbstverständlich angereist.

Sie haben 2016 eine CD gemacht und sind damit ungemein erfolgreich „getourt“. Denken Sie diesbezüglich an etwas Neues?

Grundsätzlich glaube ich, dass man nicht um jeden Preis noch eine CD herausbringen soll, wenn man nur macht, was andere auch schon getan haben. Ich werde es tun, wenn mir etwas ganz Besonderes, Spezielles einfällt.

Herr Pirgu, Ihr Deutsch ist wirklich ausgezeichnet.

Nein, ich spreche es auch nur so selten, in München oder in Zürich oder wenn ich in Wien bin, das für mich ja doch eine der wichtigsten Städte war und bleibt.

Dann hoffen wir, dass es in den folgenden Jahren für Sie viele Gelegenheiten gibt, Deutsch zu sprechen – also sich dem Wiener Publikum in Ihren zahlreichen neuen Rollen zu präsentieren! Danke für das Gespräch!

 

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