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Sachslehner / Bouchal: WIENER VILLEN

30.09.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Johannes Sachslehner / Robert Bouchal
WIENER VILLEN
UND IHRE GEHEIMNISSE
224 Seiten, Verlag Styria, 2023 

Die Topographie Wiens stellt offenbar ein unerschöpfliches Feld für Viennensia-Forscher und –Autoren dar. Bis zum letzten Gässchen ist man Adressen nach ihren Geschichten  und Einwohnern nachgegangen. Dass dergleichen bei Villen besonders ergiebig sein muss, versteht sich, denn da steckt ja meistens auch eine Menge Geld dahinter – und entsprechend bekannte Leute.

Villen sind tatsächlich etwas sehr Schönes, und wenn sie auch noch Geheimnisse haben, umso besser. Dies verspricht das Buch von  Autor Johannes Sachslehner und Fotograf  Robert Bouchal – und löst diese Vorgabe vollinhaltlich ein. 14 Wiener Schauplätze werden vorgestellt, sie sind Architekturgeschichte mit teils berühmten Schöpfern, aber doch weit mehr als das, nämlich schlechtweg Menschenschicksale.

Villen verstecken sich meist hinter Zäumen und Hecken und sind keine allgemein zugänglichen Museen (nimmt man das letzte Objekt des Buches, die so genannte „Otto Wagner Villa“ aus), ihre Abgeschlossenheit ist also Programm. Allerdings ist es den Autoren, die sorglich recherchieren, offenbar gelungen, viele der Häuser mit Erlaubnis der heutigen Besitzer zu besuchen.

Schon die Namen machen oft neugierig, weil sie erklärungsbedürftig sind – Villa Blaimschein, Villa Dollarprinzessin, Villa Forster, Villa Wassermann, Villa Rittershausen. Wobei man sich bei der „Dollarprinzessin“ etwas vorstellen könnte, wenn man die Operetten von Leo Fall im Gedächtnis hat, und bei Wassermann auch, hat Jakob Wassermann doch lange in Wien gelebt und war als Schriftsteller erfolgreich genug, sich eine Villa leisten zu können…

Man kann nicht alles aufzählen, was die Autoren gefunden haben, aber bleiben wir bei der Villa Wassermann, deren Architekt so berühmt war wie sein Bewohner – Oskar Strnad stellte dem Schriftsteller sein großzügiges Haus in die Grinzinger Weinberge, das Historismus-Pomp gewissermaßen durch Luftigkeit ersetzte. (Ein Foto aus halber Vogelperspektive vermittelt die Atmosphäre.)

Allerdings trägt das Kapitel den Titel: „Das Haus, das kein Glück bracht“. Wie so oft, ist Arthur Schnitzlers Tagebuch Augenzeuge dafür, was in seiner Umgebung geschah – Jakob Wassermann heiratete  1901 Julie Speyer, die Tochter eines reichen Industriellen, ein (wie ein Foto beweist) bildschönes junges Mädchen. Aber die Beziehung, aus der vier Kinder hervorgingen, wurde bald unglücklich – Wassermann nahm es mit der Treue nicht genau (allerdings war seine Geliebte Stephi Bachrach keine „Verwandte Schnitzlers“, wie der Autor behauptet), Julie litt schwer darunter.

Ein Haus für die Familie sollte die Lage kalmieren, befreundete Rothschilds halfen bei der Finanzierung. Ein Grundstück im Kaasgraben wurde gefunden, knapp neben den Weinbergen. Und Oskar Strnad zauberte tatsächlich Ungewöhnliches um eine zentrale Halle und interessante Treppenkonstruktionen –  „schön,  heiter, wohnlich“, wie Wassermann fand. Tatsächlich verströmt – wie Fotos zeigen –  das Haus viel von jenem leichten Charme, die auch Strnads Bühnenbild- und Kostüm-Entwürfe auszeichnete.  Man zog 1915 ein, bald darauf kam das vierte Kinde zur Welt, alles hätte gut sein können…

Aber es gibt eine Ehetragödie zu erzählen, tatsächlich empfand Wassermann die Villa als „Gefängnis“. Es ist von einer ehrgeizigen Frau namens Martha Stross, selbst Schriftstellerin, zu erzählen, die (obwohl selbst verheiratet) es sich in den Kopf setzte, Wassermann von seiner Familie loszueisen, was ihr 1919 auch gelang. Die beiden zogen nach Altaussee, mit Julie entwickelte sich bis zur Scheidung 1926 ein wahrer Rosenkrieg. Beide Frauen schrieben über ihre Erlebnisse mit  Wassermann und ließen kein gutes Haar an der Rivalin – es war eine der traurigsten, schmutzigsten Beziehungsgeschichten der Zeit, und die schöne Villa hatte nichts retten können. Sie wurde 1934, im Todesjahr Wassermanns, versteigert. Nach den folgenden Besitzern stand das Haus leer und drohte zu verfallen, bis man es unter Denkmalschutz stellte…

Nicht jede Geschichte ist so dramatisch, aber es gibt zumindest viele Prominente im Reigen der Villen. Jene, die „Tantiemen-Krösus“ Leo Fall in Hietzing kaufte, erhielt den Beinamen „Villa Dollarprinzessin“. „The Rosen House“ am Türkenschanzpark ist mit der jüdischen Familia Schapira verbunden (die Behauptung, die  Villa habe Maria Jeritza gehört, kann der Autor widerlegen). Die Villa Gutmann in der Colloredo-Gasse gehörte einem Mann, der als „Kohle-König“ bekannt war (wo der Autor dann eine der großen Erfolgsgeschichten der Monarchie erzählen kann, die für die jüdischen Besitzer allerdings nicht gut endete).

Die Villa Forster in Ober-St.-Veit, erbaut von dem berühmten Architekenbüro Fellner & Helmer, die bekanntlich ganz Europa mit ihren unverkennbaren Theaterbauten überzogen, gilt als „das Haus mit Sternwarte“. Sie gehörte den Besitzern der Firma „Lenoir & Forster“, die eine der führenden Lehrmittelanstalten der österreichisch-ungarischen Monarchie war,.. Die Villa Ferstel hat der berühmte Ringstraßenarchitekt für sich selbst gebaut („ein Haus wie eine Burg“). Die Villa Blaimschein in der Lainzer Straße, heute die Botschaft des Iran (da drinnen durfte man offenbar nicht fotografieren), erzählt ein Stück österreichischer Geschichte, und auch zur Villa Blum zur Villa Alois Brunner, zur Villa Beer, der Villa Bujatti, der Villa Angerer, der Villa Schirach und gar zu der zu Recht berühmten Villa Otto Wagner gibt es viel zu erzählen.

Wieder einmal hat Autor Johannes Sachslehner (wie schon so oft) ein Stück Wiener Kulturgeschichte aufgeblättert und vorzüglich und reichlich mit historischem Bildmaterial bestückt. Aber es sind die Fotos von Robert Bouchal, die  das Buch tatsächlich zu etwas Besonderem machen. Wenn man sich die Häuser schon selbst nicht ansehen kann, bekommt man zumindest höchst lebendige Eindrücke davon – schriftlich und bildlich.

Renate Wagner

 

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