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SAARBRÜCKEN: DIE WALKÜRE. Premiere

Saarbrücken: „DIE WALKÜRE“ – Premiere 11.02.2024

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Aile Asszonyi, Thomas Johannes Mayer. Foto: Martin Kaufhold

Die Ring-Schmiede von Richard Wagner am Saarländischen Staatstheater wurde fortgesetzt und heute hatte „Die Walküre“ Premiere. Vermutlich ihrer dubiosen Ideen wegen aus den Weidegründen der heimischen Puszta vertrieben, suchten nun die Wiederkäuer Alexandra Szemerédy / Magdolna Parditka ihr Heil in fremden Revieren,  grasen nun in ausländischen Theater-Landschaften. Die beiden Julischkas kochten ein fades, teils geschmackloses Süppchen (Regie, Bühne, Kostüme) ohne Paprika und Pep mit den üblichen Zutaten der modernen Banausen-Regie quasi nichts Neues nur was uns seit Jahren fortwährend auf unseren Opernbühnen begegnete. Es wurde wie so oft wider Textur und Musik drauflos gewurschtelt. Kurioserweise wurde der erste Aufzug in ein Versuchslabor verlegt, das Wälsungenpaar befand sich in zwei Räumen getrennt von einer Zwischenwand mit Waschbecken und Spiegel, an den Liegen mit Schläuchen und Dioden arretiert wanden sie sich unter Drogen in Krämpfen. Sieglinde sang Wasser wie du gewollt – des Metes süßen Tranks und trank es selbst. Hunding ein Arzt unter vielen Karbolmäuschen. Die beiden Räume öffneten sich im Verlauf, keine Esche, kein Schwert, das Paar fand sich, öffnete sich die Pulsandern, o hehres Wunder fielen übereinander her und zeugten nun einen Junkie? Alle Geschehnisse wurden an Riesenmonitoren im Obergeschoss beobachtet. Im zweiten Aufzug gab es durchaus interessante Regiemomente während der Dialoge Fricka-Wotan-Brünnhilde, die eheliche Auseinandersetzung fand in der Laborkantine statt mit Personal, Brünnhilde und Papa fanden sich auf weißem Mobilar erhöht thronend beim Schachspiel. Bedingt der überflüssigen Statisterie verpuffte so manche intime Szenerie im bedeutungslosen Nirgendwo. Im Finalaufzug begegnete man attraktiven jungen Walküren, die Mädels frönten mit Lust sadistischen Neigungen, Brünnhilde wurde mittels einer Nadel ihrer Göttlichkeit beraubt, wehrte sich vergebens, nach kurzem zappeln lag sie still, wurde auf einem OPtisch ins Krematorium geschoben, Klappe zu nun loderten die Flämmchen. Interessant wäre zu erfahren was bzw. wen Siegfried wachküsst? Mir bleibt des Rätsels Lösung jedenfalls verborgen, denn für derartig verzapfte hirnlose Absurditäten opfere ich keine weiteren kostbaren Lebensstunden.

Bescherte mir sowie dem teils erbosten Publikum das optische Szenario große Pein wurde man hingegen akustisch geradezu lukullisch verwöhnt. Ohne die sanglichen hervorragenden Leistungen auf der Bühne zu schmälern, vollbrachte Sébastien Rouland mit dem vortrefflich in allen Instrumentalgruppen musizierenden Saarländischen Staatsorchester wahre Wunder. Gewiss war mir der Klangkörper aus früheren Besuchen in bester Erinnerung, jedoch die heute vernommene orchestrale Friandise wird sich nachhaltig im Gedächtnis einprägen. In allerbester Manier geleitete der versierte Dirigent sein hervorragend disponiertes Instrumentarium durch die wunderbare motivische Wagner-Partitur, formte ausgezeichnete geschlossene musikalische Perspektiven voll Wärme und Sentiment. Bereits zur gewittrigen Einleitung, dem spannungsvoll elektrisierenden Knistern im ersten Aufzug wurde instrumental gewahr, was diese geniale Komposition so reizvoll macht. Aufgelichtete Klänge intimeren Charakters durchwebten die Monologe der folgenden Aufzüge, prächtig erklangen die mit Liebe zum Detail herausgearbeiteten überschäumenden Formationen. In unglaublich wunderbaren orchestralen Couleurs kontrastierte Rouland die vollen warmen Streicherklänge der innigen Passagen mit eruptiven, doch keineswegs Forte-Ausbrüchen der akkuraten, kristallklaren Bläserfragmenten. Mit wachsamem Auge war der Taktstock-Magier zudem seinen Sängerinnen und Sängern stets ein sensibler kongenialer Begleiter.

Derart umsichtig auf vortreffliche Weise von narkotischen Klangwogen getragen, durften sich die Protagonisten*innen auf wunderbare Weise entfalten. Seit ihrer Sieglinde vor zwei Jahren am NT Mannheim hat Viktorija Kaminskaite ihren Part auf unglaubliche Weise intensiviert. In jedem Moment wurde gewahr, dass sie die tiefempfindende Wissende der Zwillinge ist, ihr zunächst lyrischer ausdrucksstarker Gesang erhob sich allmählich  zu jugendlich-dramatischem Aufblühen, in silbern glänzende Sopranhöhen, bildete so wunderbaren Kontrast zu ihrer makellosen, herrlichen warmtönenden Mittellage. Kurzum eine zu Recht gefeierte Sieglinde zum Niederknien.

Eine weitere Dame avancierte zur Publikums-Favoritin: Aile Asszonyi, mir bereits als Elektra bekannt. Mit bewundernswerter Bravour absolvierte die estnische Sopranistin die wohl anspruchvollste Brünnhilde. Strömend, kontrastreich in warmen Schattierungen floss ihr farbenreiches Material dahin, sensibel entfaltete sich das Goldtimbre in vokaler Natürlichkeit. Faszinierend demonstrierte Asszonyi sangliche Flexibilität gepaart mit prächtigen wohlklingenden Höhenaufschwüngen, sensiblen Piani. Grandios das Aufblühen des Mezzoforte zur Todesverkündigung, beispiellose Attribute welche die Sängerin auf beglückende Weise, auch darstellerisch vielschichtig höchst präsent vereinte.

Judith Braun präsentierte eine wahrhaft göttliche Fricka von majestätischer Aura, elegant in schwarzweisser Robe mit schillerndem Ohrgeschmeide führte sie mit vortrefflich grundiertem, angenehm timbriertem  Mezzosopran ihre weiblich-uneinsichtigen Argumente vor, welchen Wotan schließlich verzagt machtlos kapitulieren musste.

Ließ sich in Vergangenheit so mancher Göttervater zu weniger melodischem Sprechgesang verleiten, nicht so Thomas Johannes Mayer! Seit Jahren durfte ich den inzwischen international renommierten Bassbariton in diversen Rollen erleben, nun so schien mir krönte der exzellente Sänger seine erfolgreiche Karriere mit dem Wotan und präsentierte dank der enormen Ausdruckskraft seiner farbenreichen Stimme einen Über-Gott par excellence. Mühelos bündelte der außergewöhnliche Sänger-Darsteller seine immensen vokalen Reserven, adelte die kräftezeherenden Monologe mit beeindruckender Intonation, frappierender musikalischer Gestaltung und vortrefflicher Deklamation. Gleichwohl vermochte der intelligente Künstler den innigen Passagen die sinnliche-vokale Wärme seines schönen Timbres einzuhauchen und vermittelte ebenso den markanten, emotionalen Höhenattacken glaubwürdige Charakterkonturierung.

Fazit: eine Vater-Tochter-Relation zu wahrhaft göttlicher charismatischer Rollenanalyse und musikalisch vollendeter Interpretation.

Sonore, rabenschwarze Bassgewalten von expressiver Strahlkraft waren von Hiroshi Matsui höchst eindrucksvoll zu vernehmen.

Zwiespältig erklang die Stimme von Peter Sonn in meinen Ohren, sein Siegmund punktete zwar mit kernigem Mittelbereich, setzte seine Wälserufe zu tief an und blieb dem strahlenden Höhenglanz der Partie einiges schuldig.

Dafür entschädigte das vokal-erlesen, ungewöhnlich stimmschöne Walküren-Oktett (Elizabeth Wiles, Liudmila Lokaichuk, Judith Braun, Maria Polanska, Valda Wilson, Joanna Jaworowska, Clara-Sophie Bertram, Carmen Seibel) in bester Vokalise.

Zehn Minuten prasselnder Applaus und lautstarke Ovationen für die musikalischen Komponente, wenig Pro jedoch berechtigt vehemente Kontras für das Produktionsteam.

 

Gerhard Hoffmann

 

 

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