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Rudolf R. Novak: DAS MAYERLING-NETZ

10.04.2016 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover  Novak  Mayerling Netz

Rudolf R. Novak:
DAS MAYERLING-NETZ
Verborgene Zusammenhänge entdeckt
308 Seiten, Verlag Berger, 2016

Nun, eigentlich ist heuer das 100. Todesjahr von Kaiser Franz Joseph, aber rund um ihn kann man natürlich wieder einmal alle Habsburger verkaufen, voran seinen Sohn. Denn solange noch die letzten Zweifel an den Ereignissen in Mayerling bestehen, solange das „Rätsel“ existiert, kann man eine Geschichte immer und immer wieder erzählen.

Wobei man dem Autor Rudolf R. Novak gerne zugesteht, in „Das Mayerling-Netz“ nicht nur Bekanntes wiederzukäuen (und schon gar nicht, von sich aus alberne Theorien aufzustellen), sondern ein paar neue Aspekte zu liefern. Und darüber hinaus das Thema nach vielen Gesichtspunkten zusammen zu fassen.

Ausgangspunkt des Buches ist die Stadt Baden. Dort lebt Rudolf R. Novak, Germanist, Romanist und als Beamter im Außenministerium weit in der Welt unterwegs. Allerdings zählt er zu jenen Bürgern Badens, und von denen gibt es wirklich eine Menge, die die Erforschung von jedem Details rund um Kronprinz Rudolf und vor allem dessen Tod zu – na, vielleicht nicht Lebensaufgabe, aber zu ihrem Lebens-Hobby gemacht haben.

Das Problem liegt schließlich „vor der Nase“ – Mayerling ist gerade 11 Kilometer von Baden entfernt, und das Jagdgebiet Alland liegt rundum. Im Gegensatz zu anderen Familienmitgliedern, die eher in Ischl oder am Semmering jagten, kam Kronprinz Rudolf gerade hierher sehr gern. Und Autor Novak kann auch berichten, wie er in Besitz des Schlosses kam, in dem er sein Leben endete.

Die Geschichte mit seiner Geliebten, die ihn auch auf seine Brautschau nach Brüssel zu seiner späteren Gattin Stephanie begleitete (das erinnert an Prinz Charles, der sich noch in der Nacht vor der Hochzeit mit Diana anderwärts, nämlich mit Camilla, vergnügte), ist deshalb kompliziert, weil die Dame zwei Gatten hatte und eine Menge Namen, denen Novak penibel nachspürt. Er kann sich dabei auch immer noch auf die mündliche Überlieferung berufen, denn bis heute erzählen Badener Bürger, deren Großeltern dem Kaiserhaus nahe standen, die Geschichten, die man in der Familie überliefert hat…

Diese lästige Geliebte, die auch Geld wollte, wohnte mit ihren Gatten auf den Mayerling-Besitzungen, und nur, indem Rudolf sie dem Paar abkaufte (das daraufhin nach Kärnten weiterzog), konnte er sie los werden – und besaß nun einen Wohnsitz, erwarb weiteres Land vom Stift Heiligenkreuz und ließ den hier befindlichen Gasthof zu seinem Jagdschloß umbauen. (Nach Rudolfs Tod befahl Kaiser Franz Joseph, das Schloß abzureißen und ein Kloster für die Karmeliterinnen hinzubauen.)

Wollte Novak nur die Identifizierung einer Rudolf-Geliebten bieten, an der einzig und allein wichtig ist, dass durch sie Rudolf zu diesem Mayerling-Jagdschloß kam, wäre das wenig. Aber das Buch – und es ist entschieden für „Fortgeschrittene“ gedacht, die alles genau wissen wollen – arbeitet etwa auch alle „Augenzeugenberichte“ rund um den Tod von Mayerling auf, wobei sich nur (jetzt allerdings detailliert) herausstellt, wie sehr sie einander widersprechen, gar nicht aus böser Absicht, sondern aus verschiedenen Gesichtspunkten der Wahrnehmung.

Warum Rudolf sich umbrachte, das wusste wohl nur er allein, aber Gründe gab es viele – seine enorme Stellung als Sohn des Kaisers bei gleichzeitiger totaler persönlicher Machtlosigkeit, seine Geschlechtskrankheit und fortschreitender Alkoholismus, seine unglückliche Ehe, aus der es im allerchristlichsten Österreich und zumal als Mitglied des allerkatholischsten Kaiserhauses kein Entkommen gab: Rudolf, der schon immer mit Tod und Selbstmord kokettiert hatte (auf seinem Schreibtisch lag in Hamlet-Manier ein echter Totenschädel), war wohl prädestiniert dazu, einmal keinen anderen Ausweg zu sehen.

Da erfindet der Autor nichts, und wenn er unter allen Badener Forschern auch jenen Dr. Gerd Holler würdigt, der die Theorie aufgestellt hat, Mary Vetsera sei schwanger gewesen, an der Folge einer Abtreibung verblutet und Rudolf habe sich deshalb getötet (damals kannte man Marys Abschiedsbriefe noch nicht) – Novak kommt mit keiner dummen neuen Theorie, auch wenn er, der Vollständigkeit halber, alle anderen (letaler Kampf mit einem von Marys Verwandten, erschlagen mit einer Champagnerflasche, von einem eifersüchtigen Jäger erschossen etc.) brav aufzählt. Sie waren nur dazu da, um die für die damalige Zeit und das Kaiserhaus schier unerträgliche Wahrheit zu leugnen – dass der Kronprinz ein Mörder und ein Selbstmörder war.

Das Buch befasst sich auch ausführlich mit der Familie von Mary Vetsera (Nachkommen ihrer Verwandtschaft leben bis heute in Baden) und würdigt, wie gesagt, auch die vielen Rudolf-Forscher. Sie alle haben Details zum Thema zusammengetragen und hinzufügt.

Dass sich am Gesamtbild nichts ändert, auch wenn man aus der unmittelbaren Nähe (von Baden nach Mayerling) auf das Geschehen sieht, macht dabei nichts aus. Habsburg-Nostalgiker werden nicht genug darüber lesen können. Und die anderen interessiert der Tod eines unglücklichen Kronprinzen von einst höchstens, wenn sie irgendeinen Fernsehkitsch darüber sehen. Das hingegen ist ein reich mit Fakten bestücktes Buch, das nicht nur berichtet, sondern auch versucht, die Zeit, um die es sich handelt, zu verstehen und zu vermitteln.

Renate Wagner

 

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