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Roman Sandgruber: PRETTY KITTY

31.12.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Roman Sandgruber:
PRETTY KITTY
UND DIE FRAUEN DER ROTHSCHILDS.
304 Seiten, Molden Verlag in Verlagsgruppe Styria, 2023

Es gab vor kurzem ein umfangreiches Buch über die Frauen der Rothschilds, allerdings wurde das Thema gewissermaßen vertikal, durch die Generationen, betrachtet, wobei es auch darum ging, möglichst viele Schicksale der im allgemeinen wenig beachteten Frauen zu behandeln.

Roman Sandgruber, Spezialist für Wirtschaftsgeschichte, für jüdischen Reichtum in Österreich im allgemeinen und die Rothschilds im besonderen, geht nun den anderen Weg. Er hat sich eine Generation der „Wiener Rothschilds“ her genommen, die Kinder von Albert Rothschild, des reichsten Mannes Österreichs. Es geht um die Gattinnen und eine Geliebte seiner drei Söhne sowie um die überlebende  Tochter. Fünf Frauen der besonderen Art.

Albert hatte sieben Kinder, eine Tochter starb bei der Geburt, zwei Söhne fielen für das Familiengeschäft aus – Georg, der Älteste, verbrachte sein Leben in einer Nervenheilanstalt, Oscar, der Jüngste, starb im Alter von 20  Jahren. Es blieben die Brüder Alfons, Louis und Eugen sowie die Tochter Valentine. Sie sind die eigentlichen Helden des Buches, wobei die interessanten Brüder auch hoch interessante Frauen hatten.

Titelheldin „Kitty“ huschte zwar einige Zeit als (seit 1911 verehelichte)  Gräfin Schönborn durch die Wiener Gesellschaft, bevor sie 1925 Eugen Rothschild heiratete, aber im Grunde war sie eine amerikanische Abenteurerin deutscher Abstammung, die ihre Karriere als Gattin reicher Männer und Modeikone ihrer Zeit ziemlich genau plante, wie Roman Sandgruber in seiner gewissenhaften Biographie, die sich süffig liest wie ein Roman, genau ausführt. Ihr Vater war in die USA ausgewandert, wo die gebürtige Katharina Franziska Wolff in erster Ehe einen Amerikaner heiratete, bevor sie sich in Europa den österreichischen Grafen angelte. Dass es ihr gelang, einen Rothschild zu heiraten, wo doch die interne Übereinkunft in der Familie bestand, nur Jüdinnen (und Juden) zu heiraten, war nicht nur ein Skandal in der Familie, sondern zeigte auch, wie sehr Eugen sie liebte.

Kitty gab sein Vermögen mit so vollen Händen aus, dass in Wien von ihr der  Scherz kursierte, sie habe ihren Mann vom Milliardär zum Millionär gemacht. Eine Schönheit, immer nach allerneuester Mode und mit höchstem Geschmack gekleidet, wurde sie zahllose Male fotografiert und oft gemalt. Sie führte ein klassisches Jet-Set-Leben, das für viele Leute (jene Armen, die von ihr in der Zeitung lasen) auch eine Provokation darstellte.

Der Autor vergleicht die nicht unbedingt sympathische Dame nicht ohne Grund mit Wallis Simpson, die zu Kittys Bekanntenkreis gehörte – beide Amerikanerinnen, zwei Ehen hinter sich, Stilikonen, die sich schließlich ihren Traummann angelten. Im Fall von Wallis war dies der spätere Herzog von Windsor, der ihretwegen Englands Krone zurück legte.  Qualvolle 15 Wochen lang, die er nicht bei Wallis sein durfte, während ihre Scheidung lief, verbrachte der ungeduldige Liebhaber auf dem niederösterreichischen Schloß Enzesfeld des Ehepaars  Rothschild, was für beide Parteien keine wirklich angenehme Erfahrung war.

Sandgruber wickelt die fünf Damen-Kapitel zuerst bis zur Emigration ab und schließt mit den Schicksalen danach erst am Ende ab. Also folgt nun Clarice von Rothschild, die Gattin von Alfons, den Sandgruber als „weise und gelehrt wie ein alter Rabbi“ bezeichnet. Das hinderte den Intellektuellen, Wissenschaftler und Sammler  allerdings nicht daran, mit seinen Brüdern die Geschäfte der Familie zu führen. Clarice stammte  aus der britischen Bankiersfamilie Montefiore, aus Italien eingewandert (wie die englischen Rothschilds aus Deutschland), in England geadelt und vielfach mit den Rothschilds durch Ehen verbunden. Clarice, die im Gegensatz zu Kittys schlanker Silhouette eine üppige Rubens-Schönheit war, konnte sich mit einer arischen Schwägerin nicht eben befreunden. Sie war auch keine Gesellschaftslöwin, sondern eine wahre Abenteuernatur und leidenschaftliche Reisende in alle Kontinente. Die Orient-Reisen, die Clarice mit ihrem Mann unternahm, galten auch Palästina und der Hoffnung, dass sich dort eine Heimat für die Juden finden würde, woran sich die Rothschilds finanziell beteiligten. Dennoch ist kein einziger von ihnen später ins Gelobte Land emigriert…

Der einzige Sohn von Alfons und Clarice starb zu ihrem Kummer kaum sechzehnjährig an Kehlkopfkrebs, ihre beiden Töchter lebten bis ins spätere 20. bzw. frühe 21. Jahrhundert.

Die dritte Frau, die im Zentrum einer eigenen  Geschichte steht, ist Aline „Liny“ Ringhofer, die lange Jahre die treue Geliebte von Louis Rothschild war, Sie kam aus protestantischem Milieu, war mit Baron Friedrich Ringhofer katholisch verheiratet und bewegte sich so halb und halb in der Welt ihres jüdischen Geliebten – Spannungen, die (so vermutet der Autor) nicht leicht auszuhalten waren. Die Beziehung der beiden verlief tragisch, vor allem, als die Nationalsozialisten, die Louis als einzigen Rothschild verhaften konnten, auch Liny als „Geisel“ nahmen, um ihm sein ganzes Vermögen abzupressen. Nach dem Krieg kamen die beiden nicht mehr zusammen.

Dafür heiratete Louis, der immer als notorischer Junggeselle gegolten hatte, im amerikanischen Exil dann jene Frau, die er schon aus Wien kannte: Gräfin Hilda Karoline Johanna Maria von Auersperg stammte zwar aus dieser hochadeligen Familie, allerdings aus einem etwas verpönten Familienzweig, hatte sie doch eine jüdische Mutter und auch väterlicherseits eine jüdische Großmutter. Und auch sie heiratete zweimal jüdisch – zuerst 1922 Otto von Pollack-Parnegg aus der Textilgiganten-Familie, dann den französischen Kaufhaus-Millionär Auguste-Olympe Hériot, der ihr in Wien in der Rustenschacherallee eine aufsehenerregende Villa im Bauhaus-Stil bauen ließ, und schließlich in der Emigration in den USA dann Louis Rothschild.

Und da ist noch die Geschichte von Valentine Rothschild, die ihr Schicksal als Taubstumme tapfer bekämpfte, eine leidenschaftliche Leserin, Jägerin, Fotografin war und von der der Autor meint: „Unter den Kindern Albert Rothschilds war Valentine Noemi zweifellos das liebenswürdigste.“ Sie heiratete den Wiener Bankier Sigmund Springer, der es an sich mit den Rothschilds nicht wirklich aufnehmen konnte, was Sandgruber an einem griffigen Beispiel beweist: Sein Vermögen betrug etwa ein Prozent von dem, was Valentines Vater, der legendäre Albert, in einem Jahr versteuerte…

Die Ehe wurde glücklich, Springer wurde ziemlich reich und starb leider früh, man hatte zwei Kinder, Albert und Bettina, und da sich die Springers in weiser Voraussicht die britische Staatsbürgerschaft gesichert hatten, konnten sich die Nationalsozialisten nur bedingt an deren Vermögen bedienen. Valentine kehrte nach dem Krieg aus dem englischen Exil zurück und lebte und starb hoch geachtet in Lunz am See.

Nach diesen fünf Frauenschicksalen ist kollektiv noch von den weiteren Kriegs- und Nachkriegsgeschicken der Rothschilds zu berichten, die sich (nicht ganz verarmt) in den USA einfanden. Kitty und Eugen, Clarice und Alfons sowie Louis kamen, Louis heiratete wie gesagt Hilda, bekannte sich aber stets als Österreicher und bestand (zur Empörung der Familie) darauf, in Wien  begraben zu werden. Er ruht in der Rothschild-Gruft am Wiener Zentralfriedhof, 1. Tor.

Eugen betrauerte die 1946 verstorbene Kitty, die er in Enzesfeld begraben ließ, fand aber 1952 sein zweites Glück mit einer englischen Schauspielerin. Er starb in Monaco, Auch Alfons und Clarice starben im amerikanischen Exil, wobei sie noch oft nach Österreich zurück kehrte, um gemeinsam mit ihren Töchtern um die Restitution der geraubten Besitztümer zu verhandeln. So endet die Geschichte der Rothschilds, die hier ab den zwanziger Jahren erzählt wird, Jahrzehnte später mit bitterem Beigeschmack.

Immerhin führt Sandruger in diesem Buch den Leser mit seinen Heldinnen in eine Welt der Erzherzoge, Fürsten, Grafen, Barone Hofräte, Bankiers und Adabeis. Es gibt Glanz und Gloria, menschliche Konflikte, schließlich Tragödien. Nur dass bei den Rothschilds immer mehr Geld im Spiel war, als normale Menschen sich vorstellen können. Ein absolut fabelhafter, reichhaltiger Bildteil zeigt in Fotos und vielen Zeitungsberichten, um wen es da ging.

Renate Wagner

 

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